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begab sich langsam in die Garderobe.

      Als sie nach einiger Zeit »in Civil« wieder herauskam, sah sie im Conversationszimmer den Komiker sitzen. Er hatte ein Zeitungsblatt in der Hand und sah ernster aus als gewöhnlich.

      »Hast's schon gelesen?« frug der sonst so lustige Schauspieler.

      »Was denn?«

      »Na ... da mit der Krauß!« ... wollt's Dir vorhin nicht zeigen ... vor Deinem ersten Auftreten ...«

      Die Lowinska nahm die vom Montag Morgen datierte Zeitung, die er ihr bot, und las in dem lokalen Teil daß unweit des Schlosses Bellevue die Leiche einer etwa zweiundzwanzigjährigen mit einem Ballanzug bekleideten Frauensperson aus der Spree gezogen worden sei, in der man die unverehelichte Katharina Krauß, Arminiusstraße 17 wohnhaft, ermittelt habe.

      »Großer Gott!« die Lowinska ließ das Papier sinken.

      Der Komiker antwortete nichts, sondern pfiff nur leise vor sich hin.

      Die Wanduhr tickte eintönig. Ganz aus der Ferne hörte man einen Lachsturm im Publikum.

      »Schließlich« ... sagte die Lowinska halb vor sich ... »ich kann wahrhaftig nichts dafür. Im Gegenteil ...«

      »Nee ... Du kannst nichts dafür!«

      Die blasse Schauspielerin zog ihr Taschentuch heraus und begann nervös zu weinen ... aber gewiß ... sie traf keine Schuld ... sie war ganz freundlich gegen die Collegin gewesen und wer konnte denn wissen ...

      Schließlich beruhigte sie sich.

      Für sie war das doch heute ein Glücksabend ...

      Sie stand nach wie vor fest in der Gunst des Publikums, sie hatte Talent – das wußte sie –, die Kritik wollte ihr wohl, der Direktor war ihr Gönner!

      Und Toiletten hatte sie mehr als genug ...

      VIII

       Inhaltsverzeichnis

      Auf der Sonnabend-Börse war das Gerücht über die Zahlungsschwierigkeiten van Looks entstanden und sickerte im Laufe des Nachmittags langsam von der Burgstraße aus durch die Stadt.

      Zunächst nur in die engsten, der Finanzwelt am nächsten stehenden Kreise. Auf dem Rennplatz in Charlottenburg fand es diesmal nicht den richtigen Nährboden. Denn das scheußliche Wetter hatte die Zahl der Besucher auf ein Minimum reduziert. Aber in den Wiener Cafés, in der Passage, oben bei Bauer und im Kaiserhof konnte man schon in den frühen Abendstunden an den kleinen Tischchen, wo die Grundstückschlächter und Häuserspekulanten, die Geldmänner und Börsenjobber saßen, aufgeregt davon zischeln und flüstern hören.

      Von da kroch das Gerücht schwerfällig und lautlos wie eine Schlange weiter in das »Theater an der Spree«, dessen Première wie gewöhnlich die halbe Börse angelockt hatte. Man sah bleiche Gesichter. In den dichtgefüllten Logen, in dem lichtstrahlenden Foyer wurde gedämpften Tones vielfach von ganz anderen Dingen als den Vorgängen auf der Bühne gesprochen, da und dort sah man fragend von einer Loge in die andere hinüber, man erhielt ein Achselzucken zur Antwort, man nickte sich zu und neigte sich wieder flüsternd zum Ohr des Nachbars.

      Das, was in dieser sonst so günstigen Umgebung das Gerücht wieder zu ersticken drohte, war die Thatsache, daß sich van Look selbst im Theater befand. Für einen irrsinnigen Preis hatte er beim Billethändler drei Vorderplätze in einer Proszeniumsloge besorgt. Die Stühle rechts und links blieben leer, so daß er, der auffällig in der Mitte saß, durchaus gesehen werden mußte.

      Sein Gesicht war unbeweglich wie immer. Er verfolgte mit Interesse den Verlauf des Stücks, beteiligte sich am Applaus, musterte in den Zwischenakten, mit dem vorgehaltenen Theaterzettel ein Gähnen verbergend, durch das Opernglas die Damentoiletten und winkte da und dort einem Bekannten einen leichten Gruß mit der Hand. Kurzum, er zeigte eine eiserne Haltung und das Bankerott-Gerücht, das wesenlose Gespenst, das seit Stunden hinter ihm herschlich, schien ihn immer noch nicht erfassen zu können, sondern ihn unsicher und gierig wie ein feiges Raubtier zu umkreisen.

      Kurz vor Beendigung der Vorstellung verließ er das Haus und befahl dem Kutscher, ins Eden-Theater zu fahren. Der Engländer machte ein sehr dummes Gesicht, während er die Pferdedecken zusammenrollte. Er begriff nicht, was sein Herr um zehn Uhr Abends im Eden-Theater zu suchen hatte.

      Gleich darauf quoll mit den Strömen der Besucher auch das unheimliche Gerücht aus den Pforten des Bühnentempels. Es strömte mit ihnen in die Weinstuben, die Clubs und Cafés, es verirrte sich sogar in die Bräus, um da freilich alsbald in dem ekelhaften Bier- und Cigarrendunst, dem Lärmen und wiehernden Auflachen unterzugehen; vor allem aber rieselte es lautlos in zahllosen Bächen auseinander in die Zeitungsredaktionen.

      Dort war um diese Stunde alles klar zum Gefecht. Weitaus der größte Teil der Morgen-Ausgabe stand natürlich schon im Satze fertig, aber immer noch rannten die Druckerjungen mit den Depeschen, die sofort in Streifen zerschnitten in den Setzer-Raum wanderten, und liefen die Reporter aus und ein.

      Das war ein böses Ding mit solchem Gerücht und guter Rat teuer. Die Handelsredakteure wußten ja schon seit dem Mittag davon, aber erst jetzt, wo Anfragen und Berichte sich drängten, trat man der Frage der Veröffentlichung näher. Natürlich bringt man gern das allerneueste, die Ereignisse von übermorgen, aber mit Finanzdingen ist das eine kitzliche Sache. Niemand stößt gern eine Börsengröße vor den Kopf, manche der Beteiligten hatten sogar ihre dringendsten Gründe, es nicht zu thun ... und vor allem: bestätigte sich die Kunde nicht, dann riskierte man einen Prozeß und einen hohen Schadenersatz an die geschädigte Firma!

      Diese Erwägung war entscheidend, überall! Man beschloß, bis zum Montag zu warten, und als die Mitternacht schlug und die Druckerei-Gebäude unter dem Stampfen und Rasseln der Rotationsmaschinen zu zittern begannen, da enthielt der Stereotypsatz kein Wort von dem bevorstehenden Konkurs des Bankhauses van Look und Compagnie.

      Für van Look war dies insofern ein zweifaches Glück, als der nächste Tag ein Sonntag war. Da findet keine Börse statt, es erscheinen keine Kurs-Zettel, man trifft sich nicht wie in der Woche in den Cafés und Restaurants. Für eine wankende Firma sind solche vierundzwanzig Stunden oft ein unersetzlicher Gewinn.

      Das sagte sich auch van Look, während sein Wagen durch die nächtlichen Straßen rasselte. Am Sonntag Morgen mußte der Brief, den er erwartete, eintreffen. Brachte er ihm die ersehnte Hilfe aus London, schwiegen die Zeitungen bis dahin, dann konnte er wohl ...

      Der Wagen hielt in kurzem Ruck. Das Edentheater lag vor ihm.

      Die Vorstellung war schon längst zu Ende. Aber trotzdem schimmerte noch Licht an zahlreichen Fenstern des Gebäudes und drang Musik und Gesang aus dem Innern hervor.

      Es war eine Wiederholung der Generalprobe des Ausstattungs-Vaudevilles »Satanella« die beim ersten Mal nicht nach Wunsch ausgefallen. Morgen, am Sonntag-Abend, sollte die Erstaufführung stattfinden; es konnte also an demselben Vormittag nur eine kurze Rekapitulation der Rollen im Straßenanzug von den Darstellern verlangt werden.

      Aus diesem Grunde hatte man sich zu der nächtlichen Generalprobe entschlossen. Darüber wurde zwar da und dort gemurrt, aber eigentlich fand doch niemand etwas Rechtes daran auszusetzen. Bis zum Theaterarbeiter darunter kannte man ja den erbitterten Kampf ums Dasein, der in der Berliner Bühnenwelt sich ununterbrochen abspielt, und wußte man, daß die Premiere entscheidend für die Zukunft des Theaters und aller darin Angestellten war. Da hieß es denn freilich, vor der Premiere alle Kräfte zusammenzuraffen und einmal eine Nacht auf den Schlaf zu verzichten. Und das umsomehr, als innerlich alle Welt von dem großen Erfolge des Vaudevilles überzeugt war.

      Übrigens hatte auch die Direktion zu der nächtlichen Probe das Ihrige gethan. Etwas seitlich war im Bühnenraum ein Büffet für die Solisten aufgestellt, auf dem kalter Imbiß, Cognac- und Selterwasserflaschen prangten. Ein Fäßchen Münchener Bier lag daneben. Auch Chor und Comparserie erhielten mit Vorsicht Freibier, das aus dem Tunnel unten geholt wurde.

      Es

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