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Sturm des Herrn. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Sturm des Herrn
Год выпуска 0
isbn 9788711507353
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Wir folgen in unserem Bild ‚Homers Apotheose‘ strictissime der Beschreibung, die Herr von Goethe von dem antiken, im siebzehnten Jahrhundert zu Marino gefundenen Basrelief gibt: Ilias und Odyssee knieen fromm an meiner Seite. Von hinten bekränzt mich Eumelia. Mythos als bekränzter Opferknabe. Historia streut Weihrauch. Poesie hält ein paar Fackeln — recht so, teure Helmich! Tragödia, alt und würdig — das sind Sie, meine beste Mengershausen — Comödia jung und anmutig, hebt ihre rechte Hand. So heben Sie doch die Hand, verehrungswürdiges Fräulein von Laubisch!“
Aber die schöne Friderique ging in ihrem rosa Wiener Tüllkleid beiseite und setzte sich am Fenster nieder und stützte stumm das Kinn in die Hand. Ihr zartes seelenvolles Profil zeichnete sich braunumlockt wie ein kunstvoller Scherenschnitt von dem schneegrauen Dezemberhimmel ab. Ein leidender Tross schloss die weich knospenden Lippen.
„Setzt lieber an meine Stelle auch einen Perückenstock“, sagte sie. „Mir ist es verdriesslich, diesen alten Waldgott, den Homer, zu fetieren!“
„Was haben Sie gegen den blinden Sänger?“
„Muss es denn immer griechisch sein?“ Friderique von Laubisch schaute, den andern abgewandt, kummervoll und trotzig in das weite, kahle bereifte Thüringer Land hinaus. „Es gibt doch auch noch andere Sujets!“
„Haben Sie die Gefälligkeit, sie uns aufzuzeigen!“ bat der Homer gereizt, hoch von seinem auf Kisten stehenden Sessel. Friderique wandte den braunen, mit einem Spitzenhäubchen bedeckten Kopf leise der Gesellschaft zu.
„Wir leben doch in Deutschland“, versetzte sie sanft. „Warum wählen wir nicht ein lebendes Bild von deutscher Art?“
„. . . der ich angelegentlichst um ein Beispiel bitte, das nicht edle Naturen durch Bärenhäuterei und nordische Nebel abstösst?“
„Man braucht ja nicht in der Vergangenheit zu verweilen!“ Friderique lächelte träumerisch. „Es ist doch um uns ein Brausen der Zeit. Warum trifft unsere Wahl eines lebenden Bildes nicht den Aufruf des Königs von Preussen ‚An mein Volk‘ — wie die Jünglinge begeistert zu den Waffen strömen — wie in der Schenke in Breslau Bräute, Mütter, Schwestern die freiwilligen Jäger zum Eintritt in Lützows Wilde Verwegene Jagd segnen!“
Ein Schreckensschrei der Schöngeister durch das blaue Rundgemach.
„Friderique — Du fieberst! Was geht uns Preussen an?“
„War nicht unser Grossherzog zeitlebens mit Ruhm und Ehren preussischer General!“ Die blasse, empfindsame Friderique sprang ungestüm auf. Ihre gefühlvolle Stimme klang viel heller und lauter als sonst. „Hat nicht unser erhabener Karl August als deutscher Fürst dem Bonaparte getrogt und eben darum vor dem Ungeheuer bestanden? Nehmt Euch an seiner aufrechten deutschen Gesinnung ein Beispiel, meine Lieben!“
„Da muss ich Fridriquen beitreten.“ Ihr Vater stand im Zimmer. Er schüttelte den feinsinnigen, schnurrbärtigen Soldatenkopf. Er wandte sich halblaut zu dem Stiftsfräulein neben ihm. „Aber es ist in Wahrheit nicht Serenissimus, der ihr vorleuchtet. Der deutschschwärmerische Geist kommt ihr von anderswo . . . Und es ist doch jetzt zwei Monate her, dass der schwarze Student wieder aus Weimar abgeritten ist.“
„Wir, die Grossmächte, führen mit Studenten Krieg!“ sprach zu gleicher Zeit im Conferenzsaal des Gelben Schlosses in Weimar der vorhin vorgefahrene preussische Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg. Er war schon nahe den Siebzig. Weltlich-sinnlich immer noch, trotz des dichten, weissgewellten Haars, sein verstandesmächtiger kantiger Kopf mit den breit ausladenden Wangen und den glattrasierten, feinen, aber in den Mundwinkeln entschlossen gefurchten Lippen. Er trug, unter der weissgeknoteten Halsbinde auf dem dunklen Schossrock das Eiserne Kreuz und den hellblauen Achtspiss des Schwarzen Adlers. Er lächelte das feine ironische Lächeln eines grossen Herrn und grossen Geistes.
„In der Tat, Euer Hoheit!“ Der Minister Karl Augusts, der Freiherr von Fritsch, nickte verständnisvoll. „Die jungen Herren in Jena können stolz darauf sein, wegen ihres flüchtigen Burschenübermuts auf der Wartburg nach Monaten die höchsten Vertreter der beiden deutschen Grossmächte in unserem kleinen Weimar vereint zu sehen!“
„Wir hatten die Ehr’, Ihrem hohen Landesherrn in Audienz aufzuwarten!“ sagte als Dritter am Beratungstisch, der auch schon bejahrte Wiener Staats- und Conferenzminister Graf Karl Zichy von Vasonykeö, der nach dem Fürsten Hardenberg vor dem Gelben Schloss aus seiner Karosse gestiegen war. „Ihr erlauchter und erleuchteter Grossherzog Karl August hat mich, als Gesandten des Staatskanzlers Fürsten Metternich, recht lieb empfangen! Wissen’s, Excellenz: das war mir nicht angenehm, Ihrem Serenissimo zwei mahnende Handschreiben unserer Souveräne in Hinsicht Eures faden Wartburgfests zu überreichen. Aber der hohe Herr hat die beiden Billeterln freimütig mit einer gewissen Fröhlichkeit entgegengenommen!“
„Er ruht ganz in sich! Er kennt keine Menschenfurcht!“
„Er hat herzlich lachen müssen, als ich höchstdemselben die Worte aus der Umgebung des Fürsten Metternich wiederholte, nur mit Zittern könne ein Vater heute noch seinen Sohn auf die Hochschule nach Jena ziehen sehen!“
„Und im selben Sinn, Hoheit,“ wandte sich der Minister von Fritsch an den Staatskanzler von Hardenberg, „hat unser Grossherzog amtlich durch unsern Geschäftsträger Müller in Berlin bestellen lassen: „Vertrauen und Mut können die gegenwärtige Aufregung der Studiosen an allen Hochschulen ersticken, Argwohn und gewaltsame Massregeln aber würden Deutschland nur verwirren!“
„Vortrefflich, Excellenz! Immerhin liegt aus Berlin eine substanziierte Denunciation über die Verbrennung eines der Wartburgbücher vor. Dieses, wie sich dessen Verfasser, der Herr von Kamptz, ausdrückt, bis jetzt allein in Weimarer Landen gefeierte literarische Autodafé . . .“
Der Minister von Fritsch klingelte und winkte dem eintretenden Assessor von Helmich, ein auf dem Tisch liegendes Blatt zu ergreifen.
„Verlesen Sie die eingelaufene Beschwerde des Herrn von Kamptz!“
„Ein Haufen verwilderter Professoren und verführter Studenten“, begann der Kammerjunker von Helmich, „haben eine durch Feuer und Mistgabeln geübte Zensur . . .“
„Übergehen wir diese Einleitung . . .“
„Unreife Solone, welchen die Ruhe und Ordnung in unserem Staate ein wahrer Greuel ist, und welchen es vorteilhafter wäre, wenn, wie in Italien, so auch in Deutschland, der rechtliche Bürger die Sicherheit vor Räubern erst von diesen selbst erkaufen müsse . . .“
„Gut gebrüllt, Herr von Kampe!“ Selbst der Fürst Hardenberg musste lächeln.
„. . . haben, einem Policey-Collegium zum Hohn, eine Scene der rohesten Barbarei . . .“
Der Minister gab seinem Assessor einen Wink zu verstummen.
„Der Kern dieses Berliner Fastenbriefs“, sagte er, „ist lediglich die Verbrennung einiger Gensdarmerie-Vorschriften, darunter auch weimarischer . . .“
„Und was hat Ihr Landesherr zu diesem Frevel gesagt?“
„Karl August hat gelacht!“
„Das dacht ich mir!“
„. . . aber zugleich ernstlich befohlen, unter allen Umständen die Wiederholung solcher Dummenjungen-Streiche zu verhindern!“
„Nun — und das wird uns also in Berlin genügen!“ Der Staatskanzler Fürst Hardenberg stand auf. Graf Zichy mit ihm. Der alte Ungar hob, um das Wort bittend, die Hand.
„Als Stellvertreter Seiner Durchlaucht des Fürsten Metternich habe ich leider noch nit die Ehr’, mich für völlig beruhigt zu erklären. — Uns graust’s in Wien vor den staatsgefährlichen Professoren in Jena, die, wie man bei uns sagt, nicht volkstümlich, sondern volksdümmlich sind. Das Laster beleidigter Majestät, heisst es, geht da auf offener Strasse umanand!“
„In dieser Hinsicht“, sprach der Staatsminister von Fritsch,