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      Rudolf Stratz

      Sturm des Herrn

      Roman

      Saga

      Sturm des Herrn

      Copyright © 1934, 2018 Rudolf Stratz und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711507353

      1. Ebook-Auflage, 2018

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Erstes Kapitel

      Der Morgen der neuen deutschen Welt hat begonnen!‘ hat unser Turnvater Jahn voriges Jahr in das Stammbuch der Wartburg da oben geschrieben. ‚Wir haben Unglaubliches erlebt und erlitten‘, hat er geschrieben, und Schlachten geschlagen, wie sie keine Geschichte kennt!‘ ‚So werden wir nun endlich an die Herrlichkeit des deutschen Gemüts glauben‘, hat er da oben auf der Wartburg geschrieben, und die Ausländerei verbannen!‘ Hört es, ihr Burschen, was er geschrieben hat: ‚Überall, wo die deutsche Zunge redet, sehnt man sich nach einem neuen deutschen Reich!‘ . . .“

      Der Markt zu Eisenach war ein hundertfaches Gewimmel von jungen Gesichtern und altdeutschen schwarzen Röcken. Längs der Häuser standen in Massen die Bürger und ihre Frauen und Töchter mit wehenden Tüchern. Die Glocken der Georgenkirche läuteten. An der Ecke der Predigergasse hielt ein Reiter im Wettermantel mit dreifachem Kragen und grauem Zylinder auf dem hageren lippenfreien Kopf. Die Bartstreifen an den Wangen gaben ihm das Aussehen eines ehrbaren Kaufmanns. Er konnte durch das Gewühl nicht weiter. Er neigte sich verbindlich von seinem mageren Klepper herunter zu den Bürgern:

      „Ich bin hier fremd, wie Sie sehen! Ein Musterreiter in Nankingstoffen für Sinai und Sohn in Frankfurt am Main! Wer ist wohl der junge Herr, der da auf dem Marktplatz predigt?“

      Es war ein schlanker, ranker, junger Mannskerl, über die Mitte der Zwanzig, auf den der Finger des Handlungsreisenden wies. Dunkle Augen brannten über dem kleinen, dunklen Theodor-Körner-Schnurrbart in dem feurigen, bräunlichen Gesicht. Lange, dunkle Haare flatterten ihm nach neuer deutscher Burschenart um den blossen Hals, den ein breit übergelegter weisser Spitzen-Hemdkragen umschloss. Auf seinem kurzen, schwarzen, mit Goldfransen besetzten deutschen Rock schimmerte an schwarz-weissem Band das Eiserne Kreuz der Freiheitskriege. Schwarz-weisse Federn wehten von seinem Samtbarett. Die schwarzen Hosen staken in gespornten Halbstiefeln. Am Ledergürtel um die Lenden hing ihm an eiserner Kette ein Dolch mit Ebenholzgriff und silbernem Totenkopf.

      „Hört, Ihr Burschen“, schrie er, „was unser zweiter Vater Ernst Moritz Arndt vor zwei Jahren gesagt hat: ‚Es sind leider gar zu wenige Menschen mit vollem festem Willen! Sonst hätten wir die Bösen jetzt so, dass wir uns vor ihren Tücken Sicherheit verschaffen könnten!‘ hat er gesagt. „Es ist besonders jämmerlich, dass Österreich bisher noch so matt ist und durchaus nicht gross in die Zeit einzuschreiten wagt!“

      „Ich kenne den Studiosus nicht!“ sprach ein Bürger zu dem Musterreiter empor. „Er ist mit zweihundert andern aus Jena hierher zum Wartburgfest gekommen. Von allen Universitäten sind sie gekommen!“

      „Sogar welche aus Würzburg!“

      „Zwei aus Genf!“

      „Vor der Stadt stehen überall auf den Strassen die Bauern in ihren blauen Hemden und winken! Die Damen fahren aus der Stadt mit Blumen den Studenten entgegen!“

      „Da kommen wieder welche!“

      Mit feierlich ernsten Gesichtern zogen die Kieler Studenten über den Marktplatz zum Hauptquartier, dem Gasthof „Zum Rautenkranz“. Ihr Marschgesang klang in das Glockenläuten: ‚Ein’ feste Burg ist unser Gott!‘

      „Und was bezwecken diese vielen hundert jungen Herren in ihren schwarzen Röcken heute hier in Eisenach?“ frug der Musterreiter.

      „Wir schreiben heute den achtzehnten Oktober 1817“, sprach gewichtig der Bürger. „Zum vierten Mal jährt sich der Haupttag der Völkerschlacht bei Leipzig. Sein Gedenken soll gebührend oben auf der Wartburg von der deutschen Burschenschaft begangen werden!“

      „Der Demant“, sagt Vater Jahn, „wird nur durch den Demant geschliffen!“ hallte wieder vom Marktplatz die wilde, junge Männerstimme. „Das Volk nur durch das Volk erzogen.“ Unser Wartburgfest soll ein Fest des teutschen Volkes sein! „Ihr sollt Euch nicht knechtschüchtern im Winkel berauschen!‘ spricht der Turnvater, ‚Ihr habt auf Freude ein öffentliches Recht, wenn Ihr sie aus dem Irrgarten der Verkünstelung in einfache Lebensverhältnisse zurückführt!‘“

      „Wo möchte man wohl den Namen dieses Herrn Studiosus mit dem Eisernen Kreuz erfahren?“ frug neugierig der Nankingreisende aus Frankfurt. Er sah sich und seinen mageren Klepper zur Seite gedrängt. Ein anderer Reiter lenkte mit der Sicherheit des vornehmen Herrn seinen Halbblüter auf den Markt hinaus. Zu Anfang der Dreissig hatte er das glattrasierte, verbindliche Antlitz eines jungen Hofmannes. Seine angenehme Erscheinung war von einem dunkelblauen, weiten Matin umhüllt. Unter diesem Wettermantel trug er, zu einem steifen, mit schwarzer Wachsleinmand überzogenen Rundhut, einen hellgrauen Frack, schwarze Hosen und schwarze Weste. Er überschaute aus dem Sattel das Gewoge der Federbaretts und blanken Klingen, stieg rasch ab, gab die Zügel dem nächsten ehrerbietig herbeieilenden grossherzoglich Weimarischen Polizeidiener und drängte sich zu dem wilden Sprecher auf dem Marktplatz.

      „Ellerbrook — Freund — lasse Dich umarmen!“ rief er und, in seiner höfisch eleganten Kleidung zu den schwarzen Burschenwämsern um ihn, „wir sind Blutbrüder aus dem grossen Kriege — der da und ich!“

      „Waren Sie auch wie der Christian bei den Lützowschen Jägern?“

      „Als Herr von Helmich und ich uns im Felde trafen, war es schon 1815 und aus den Lützowschen Jägern das 6. Ulanenregiment geworden!“ sagte Christian Ellerbrook, „dunkelblau mit roten Aufschlägen statt unsrer schwarzen Todestracht!“

      „Und ich ritt in der elbischen National-Kavallerie!“ meldete der von Helmich. „Wir attakierten nebeneinander vor Sonnenuntergang bei Ligny. Vater Blücher selber mit gezogenem Säbel neben unserem Lützow allen voraus, bis er stürzte. Unser Lützow gefangen! Plötzlich sehe ich selbst um mich nur noch Rossschweifhelme der französischen Kürassiere. Ein Hieb über den Kopf blendet mir mit Blut die Augen. Da hat der Ellerbrook da mir Luft gemacht und Freiheit und Leben gerettet. Dabei brauchte er sich gar nicht um den Krieg zu kümmern. Er war ja nicht Preusse, sondern aus Köln . . .“

      „Aber mich hat’s zu den Preussen getrieben!“ Der Jenaer Studiosus und Lützower Leutnant lachte. Sein brünetter Rundkopf wirkte mit den feurigen Augen, der kühn geschwungenen Nase, dem festgewölbten Kinn wie der eines Römerenkels am Rhein.

      An der Ecke der Predigergasse war der Musterreiter in Nanking nicht mehr zu sehen. Er hielt auf dem menschenleeren kleinen Platz dahinter und kritzelte im Sattel etwas wie Aufträge seiner Kundschaft in sein Taschenbuch: „Vorzüglich heute unter den jungen Demagogen des berüchtigten Jena zu nennen ein gewisser Christian Ellerbrook der einstigen sattsam bekannten Lützowschen irregulären Schar, der aus der Campagne überspannte vaterländische Ideen und auch sonst eine aufrührerische Gesinnung mitgebracht hat.“ Ein Punkt davor. Der hiess: An das Geheime Polizeicabinett am Ballhausplatz in Wien, zur Vorlage bei Seiner Durchlaucht dem Herrn Staatskanzler Fürsten Metternich . . . persönlich!

      „Je nun — ich habe seit zwei Jahren, nach dem grössten Krieg, der je da war, den Schwarzrock mit den Totenköpfen an den Nagel gehängt und traktiere in Jena die Naturkunde. zu Füssen unseres herrlichen Oken!“ sagte inzwischen Christian Ellerbrook zu dem Waffenbruder. „Du weisst, mein Vater besitzt die alte kurfürstliche Apotheke zu den Heiligen Drei Königen in Köln, die ich ihm jetzt, unter der preussischen Herrschaft, abnehmen

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