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Fürsten! Hat er nicht als Einziger von ihnen allen das Versprechen gehalten, das man uns Kriegern in blutigen Tagen gab, und seinem Land eine freiheitliche Verfassung verliehen! Warum können es die Andern nicht?“ Plötzlich brach der heisse Burschenzorn los. „Weil bei ihnen nicht der Genius zur Seite steht und rät wie der Herr Geheimrat von Goethe, sondern sie hausen mit Meindeutschen und Siemännlein, wie Vater Jahn sagt, umgeben sich mit Wettergänsen und Kuppelpelzen, Schürzenkrebsen und Vorgemachshasen und hören die Stimme Germaniens nicht!“

      Der Assessor von Helmich hatte angenehme und offene Züge. Aber es spielte doch auf ihnen etwas von der Behutsamkeit des jungen Weltmanns und Hofmanns.

      „Auch ein Karl August hat es nicht leicht!“ sprach er. „Er kann so manchem Luftzug nicht wehren, der von Spree und Newa und Donau heranweht. Sein Land ist klein. Und in der eigenen Nuss sitzt der Wurm. Es gibt Einen unter des Herzogs eigenen Landeskindern . . .“

      „Ha — ich weiss, worauf Du abzielst! . . . Dieser Kotzebue . . .“

      „Der Herr von Rotzebue, der schmählicher als irgend ein anderer deutscher Litterator seit Jahrzehnten sein Talent . . .“

      „. . .zu feiler Lüsternheit missbraucht . . .“

      „. . . ist in Weimar geboren, war Advokat in Weimar. Es zieht ihn immer wieder dorthin. Auch jetzt lebt er wieder in unsrer Mitte.“

      „Mit fünfzehntausend Rubeln im Jahr als Judaslohn!“ schrie Christian Ellerbrook. „Als Spion des Zaren!“

      „Als russischer Staatsrat! Jedenfalls seid auf der Hut, Ihr Jenenser!“ sprach der von Helmich, leiser und bedeutsam. „Der kaiserliche Staatsrat von Kotzebue hat den Auftrag, über alle Dinge in Deutschland geheim nach Petersburg zu berichten. Und von seinem Wohnsitz Weimar aus natürlich besonders über das so nahe Jena!“

      „. . . und welchen Hass atmet er gegen uns, Deutschland liebende Burschen!“

      „. . . er hat seine Zuträger da und dort! Er wäre pflichtvergessen gegen seinen Brotherrn, den Zaren, hätte er nicht auch heute eine seiner Kreaturen unter Euch gemengt . . .“

      „Wehe ihr, wenn diese Faust sie zu fassen kriegt!“

      „Bleibt auf dem Boden des Gesetzes, Christian, und der guten Sitte! Dann können Euch Metternich und der Zar und die Berliner Hausvogtei nicht schrecken! Aus mir spricht Weimar, Zeltbruder! Es ist der Wunsch von uns Redlichen allen an der Ilm!“

      „Auf uns Burschen könnt Ihr Euch verlassen! Es wird nichts Ungeschicktes geschehen! Unsere gerechte Sache braucht keine ungerechten Mittel!“

      Über den Markt vor der Georgenkirche brauste ein hundertfaches Hoch. Der Eisenacher Landsturm und die deutsche Burschenschaft standen im Halbkreis und liessen die Bürger Eisenachs leben. Durch den Musiktusch sprach der Studiosus Ellerbrook, und es war ein tiefer Ernst auf seinem gebräunten, kühn geschnittenen Jungmannskopf.

      „Du gehörst zur Schönen Welt von Weimar und zu denen, die uns regieren! Sag ihnen, dass sie uns begreifen sollen! Sag ihnen, dass wir nicht die Jünglinge von ehedem find, an die sie gewohnt waren, im Saufen und Raufen und Prügeleien mit den Jenaer Knoten. Wir sind Männer trotz unserer jungen Jahre. Wir kommen nicht von der Schulbank, sondern vom Schlachtfeld. In uns waltet allmächtig das Erlebnis von drei Jahren des grössten Krieges, der je über die Welt gekommen, von der Affaire bei Bautzen bis zur Gottesschlacht zum Schönen Bunde! Wir haben Deutschland befreit. Dafür hat man uns die Freiheit versprochen. Wir wollen frei in Deutschland sein.“

      „Sagt es den Fürsten, Ihr vom Adel! Wir wollen nicht mehr gehorsame Untertanen sein, sondern getreue Bürger in einem neuen heiligen deutschen Reich. Sein heiliger Geist wohnt auch in den Jüngeren unter uns Burschen, die nicht mehr, wie wir beide, den Kalk zu seinem Gemäuer mit unserem Blut anrührten. Auch sie haben in sich den welschen Teufel überwunden und beten zu einem deutschen Gott!“

      Christian Ellerbrook hielt inne. Eine Rotte Jünglinge kam vom „Rautenkranz“ her, langhaarig, kahlhalsig, in grauen Jacken und Hosen von ungebleichtem Drillich, so, wie sie bisher auf dem Markt den Nachmittag über die Kippe und die Wippe und das Nest gezeigt hatten.

      Affenartig flink sprang ihr Führer ihnen voraus über den Rinnstein. Er war ein kleiner, schmächtiger Mensch mit einer Stupsnase in dem bartlosen, humoristischen, beweglichen Gesicht.

      „Was in dem Bündel ist, das wir unterm Arm schleppen, Bruder Ellerbrook?“ sprach er lächelnd: „Makulatur! Fünf Ries Makulatur, so wahr ich Fritze Schellhase heisse. Alte Predigten, Ritterromane — eben für zehn gute Iroschen vom Buchhändler Bärecke gekauft!“

      „Und was wollt Ihr mit dem Zeug?“

      „Ihr werdet’s ja sehen! Heute Abend noch! Es gilt unserem Feind, dieser vielköpfigen Otter! Gott segne den König und mehre die Deutschheit!“

      Der Berliner lief geschäftig mit den Seinen weiter. Der Jenenser schaute ihm nach.

      „Das sind Jünger der ars tornaria — die Massmannschen Turner an der Spree, Freund Helmich“, sagte er. „Dort lebt ein verwegener Menschenschlag beisammen. Hat schon Euer Geheimrat gesagt . . .“

      Und in einem plötzlichen neuen Aufleuchten der dunklen Augen sich zu dem Freund wendend:

      „Der Herr Minister von Goethe hat es seinem Sohn verboten, wider den korsischen Höllensohn zu fechten. Wir lagen für Vater und Sohn draussen auf der Beimacht. Unsre Verehrung für den grossen Mann ist darum nicht minder, auch da, wo wir seinen Wegen nicht folgen können. Aber sage ihm — Du bist ja durch Deinen Vater des Zutritts bei ihm gewürdigt — sage Seiner Excellenz: In uns Burschen ist eine grosse Liebe. Die kommt nicht vom Weibe. Die kommt von Deutschland und die heisst Deutschland!“

      Es war kühl geworden. Der Oktoberabend dämmerte. Durch die Massen auf dem Markt lief ein Brausen. Fern auf einer grossen kahlen Bergkuppe ob der Stadt, gegenüber der Höhe der Wartburg, erglomm eine Reihe von feurigen Punkten und wurden zu lodernden Zungen. Unten auf dem Platz flackerten Hunderte von Pechflammen auf. Jeder Bursche nahm seinen Feuerbrand zur Hand. Je zu zweit geordnet wand sich in unabsehbaren Windungen die glühende Schlange des Fackelzugs zu den achtzehn nebeneinander zum Nachthimmel schlagenden Freudenfeuern empor, die auf den Höhen des Wartenbergs zum Gedächtnis der Völkerschlacht lohten.

      Die Flammentürme flackerten hin und her. Sie sprühten Funken. Sie überglühten in wechselndem Licht die Tausende von Burschen, Landsturmmännern, Professoren, Bürgern, die sich um sie scharten. In brausenden Stössen fegte der Nachtwind über die kahle Hochfläche. Christian Ellerbrook breitete die Arme aus und bot die Brust dem kalten Flügelschlag der Luft. Begeistert klang seine Stimme mit in dem Jubelgesang um ihn her:

      „Die Feuer sind entglommen

      auf Bergen nah und fern!

      Ha — Windsbraut — sei willkommen!

      Willkommen, Sturm des Herrn!“

      „Die Zeit ist gekommen, wo sich niemand entschuldigen muss, wenn er vom Heiligen und Wahren spricht! Wir geloben, eines hoffenden Volkes Lehrer, Verwalter seiner heiligen Sache zu sein! So wollen wir denn tun, was bei uns steht! Du aber wirft es gut verwalten, Du über den Gestirnen!“

      Die Worte des Redners verhallten in Sturm und Flammen und Nacht. Und Christian Ellerbrook rief lachend: „Burschen! Das ist wie im Felde! Rings Beiwachtfeuer und Gruppen gelagert und Becher in der Runde und Gesang!“

      Um ihn waren die Schwarzröcke. Wo er ging und stand, war um ihn, den Führer, der Kometenschweif von Freunden und Brüdern. Nicht nur Jenenser. Sein Ruf ging über alle Hochschulen, durch die ganze deutsche Burschenschaft. Er erhob sich aus seiner Ruhestellung und überschaute lang und straff, wie einst als Schwarzer Jäger, die nächtige Fläche.

      „Es ist wie ein Biwak vor Morgengrauen!“ sagte er. „Die Lagerfeuer verlöschen. Es wird kalt. Der Wartenberg hat sich geleert. Die meisten sind schon wieder hinunter in die Stadt. Die Professoren alle. Ich denke, auch wir gehen heim!“

      „Aber dort drüben kommt ein ganzer Haufen jetzt erst

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