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rot geworden wie die Krebse im Gesicht — vor Verlegenheit natürlich. Und das Frechste war, Hertha stellt mir den Menschen, den ich ja noch gar nicht kannte, so ganz gleichgiltig vor, als verstände sich alles von selbst. Nun mach Dir ’mal ’n Bild! Wie jemein, was?“

      „Als was hat sie ihn Dir denn vorgestellt?“

      „Nun als ‚Herrn Treuling’. So schlau war sie auch, um nicht gleich zu sagen, dass er jetzt ihr Bräutigam geworden sei. Der Anblick war doch schon deutlich genug.“

      „Es ist gut, ich danke Dir ... Willst Du mir einen Gefallen thun?“

      „Was denn?“

      „Mich zu seiner Mutter zu begleiten. Wir nehmen uns eine Droschke und sind bald da. Ich muss sie heute noch sprechen, wie ich geh’ und stehe.“

      Entschlossen hatte sie den Pelzmantel vom Kleiderständer gelangt; sie legte ihn aber nicht um die Schultern, weil Heinz sofort einfiel:

      „Die ist ja gar nicht zu Hanse, die ist ebenfalls dort.“ Im Augenblick war ihm nichts Besseres eingefallen als diese Ausrede. Er traute es Hannchen zu, dass sie ihren Entschluss ausführe.

      „Seine Mutter auch?“ fragte sie ganz betroffen.

      „Aber natürlich Das kannst Du Dir doch denken, dass die bei solch einer feierlichen Gelegenheit nicht fehlen wird!“

      Hannchen wurde kleinlaut. „Ich wundere mich nur, weil mir Eberhard immer erzählte, dass seine Mutter doch ein klein wenig Neigung zu mir habe ... Aber Du hast recht, wenn er seine Gesinnung geändert hat, wird sie — —“

      Sie konnte nicht weiter reden, hing den Mantel wieder an und verbarg aufs neue das Gesicht in die Hände. Aber plötzlich kam der Mut einer gequälten Seele über sie. Mit einem Ruck richtete sie sich auf und ging leidenschaftlich erregt durchs Zimmer. Eine letzte Hoffnung hatte sie durchzuckt und ihr die Kraft wiedergegeben.

      „Nein, ich glaube es nicht — nie und nimmer!“ rief sie aus und machte mit den Händen eine abwehrende Bewegung, als wollte sie die Annäherung unsichtbarer Feinde verhindern. Ihre Stimme hatte einen anderen Klang bekommen; ihre Züge drückten zähen Widerstand aus.

      „Du magst mir sagen, was Du willst — ich glaube nicht daran! Alles in der Welt müsste dann ja Lug und Trug sein, jedes Wort von ihm eine Heuchelei gewesen sein. Und nochmals — nein! Habe ich ihm so lange vertraut, kann ich es auch noch länger thun. Aus seinem Munde erst will ich es erfahren! Ist es dann wahr, dann will ich es glauben.“

      Diese Stimmung dauerte jedoch nicht lange. Aufs neue trat der Zweifel an sie heran und machte sie unmutig und trostlos.

      „Aber so beruhige Dich doch nur. So etwas geht vorüber. Die Zeit heilt alle Wunden,“ sagte Heinz wieder. Und nach einer Pause fuhr er fort: „Kannst Du mir vielleicht ein Couvert und einen Briefbogen geben? Marke habe ich. Mir fällt eben ein, dass ich einem Kollegen noch ein paar Zeilen zu schreiben habe.“

      Sie gab ihm das Gewünschte. Und während sie in der Ecke des Sofas sass, den Kopf in die Hand gestützt, still brütend vor sich hinblickte, schrieb er an Bandel.

      Eine Viertelstunde war vergangen, während welcher man nur das Kratzen der Feder auf dem Papier und hin und wieder einen leisen Seufzer von ihr vernommen hatte. Dann war er fertig, schloss den Brief, schrieb die Adresse, erhob sich und langte nach seinem Mantel.

      „Gute Nacht, Hannchen, schlaf wohl und gräme Dich nicht,“ sagte er und reichte ihr die Hand. „Morgen ist auch noch ein Tag, und da wird Deine Stimmung eine andere sein.“

      „Gute Nacht, Heinz! Danke Dir nochmals für Deinen Besuch.“

      Als er sie so zusammengesunken sitzen sah, mit einem Gesicht, auf dem zum Herzen sprechender Kummer lag, zögerte er, zu gehen. Er beugte sich zu ihr nieder und küsste sie auf die Stirn.

      „Soll ich, auch noch bleiben, um Dir die Zeit ein wenig zu vertreiben?“

      „Nein, geh nur! Ich bin obendrein müde und abgespannt.“

      Plötzlich setzte er sich wieder. „Richtig, da fällt mir ein ... Ich muss Dir doch noch die Hauptsache erzählen — Du scheinst vorher gar nicht darauf geachtet zu haben.“

      Er begann ihr nun ausführlich zu berichten über den grossen Verlust, den Treuling der Ältere an der Börse erlitten haben sollte, und über alles, was er sonst über die schiefe Lage des Geschäftshauses vernommen hatte.

      „Ich bin überzeugt, dass sie sich alle beide, Vater und Sohn, durch die Geldheirat nur retten wollen,“ schloss er dann und erhob sich wieder.

      Hannchen hatte gespannt zugehört. Sie fühlte sich so matt, dass sie gar nicht im stande war, aufs nene ihrer Erregung Ausdruck zu geben.

      Dann ging er. Kaum hatte sie das Zuklappen der Aussenthüre gehört, als sie sich ebenfalls erhob und sich vor die Papiermappe setzte, die auf der anderen Seite des Tisches lag. Sie begann zu schreiben, getrieben von der Eingebung des Augenblicks, die einem verrückten Zustande glich. Dreimal legte sie das begonnene Schreiben beiseite ... endlich glaubte sie das Richtige gefunden zu haben:

      „Geehrter Herr!

      Wenn es wirklich wahr sein sollte, was ich soeben gehört habe, dass Sie vor dem Bankerott stehen (Ihr Vater soll ja eine Viertelmillion an der Börse verspielt haben), dann soll Ihrer reichen Heirat mit dem Fräulein Bandel von meiner Seite aus nichts im Wege stehen. Ich weiss alles. Ihr Glück liegt mir näher als das meinige. Ich gebe Ihnen also Ihr Wort zurück.

      Es grüsst

      Hannchen Tetzlaff.“

      Etwas ungelenkig, weil ihre Hand gezittert hatte, aber klar und rein nahmen sich die Schriftzüge aus, so dass sie trotz ihres Schmerzes noch eitel genug war, sich darüber zu freuen.

      „Ist es nicht wahr, so wird er mich für dumm und einfältig halten; ist er aber doch falsch, so wird er sich freuen,“ sprach sie unwillkürlich vor sich hin. Freuen? Ja, wenn er das thäte, was hättest Du dann für eine Genugthuung? Eine solche wolltest Du doch haben? „Gut, so soll er sich gründlich ärgern!“ fügte sie ebenfalls halblant hinzu.

      Sie nahm noch einmal die Feder und schrieb:

      „P.S. Sollten Sie meine fünfzigtausend Mark gebrauchen können, um den Ruf Ihres Geschäftes retten zu können, so verfügen Sie über das Geld ganz nach Belieben.

      D. O.“

      Run erst war sie zufrieden gestellt ... Er soll sehen, dass ich trotz alledem grossmütig bin, dachte sie, während sie den Brief schloss und dann die Aufschrift schrieb.

      Sie wusste kaum, was sie that; sie stand ganz unter dem Eindruck von etwas Unerhörtem, das sie dazu drängte, sich durch irgend etwas an der Welt zu rächen. Tiefster Schmerz über den an ihr geübten Verrat und die geheime Freude, dem Manne ihrer Liebe irgend etwas anthun zu können, wechselten fortwährend.

      Den Brief in der Hand, stand sie eine Weile am Tische und blickte auf den Schutzschirm der Lampe. Dann war sie mit sich einig. Sie trat vor den Spiegel, strich ihr Haar glatt und benetzte ein wenig die Augen, die sie dann wieder trocknete.

      Eine Minute später stand sie vor Frau Baumann: „Würden Sie wohl so freundlich sein und den Brief noch nach dem Kasten tragen lassen?“

      „Aber gewiss, Fräulein; Minna kann gleich gehen.“

      Hannchen war wieder in ihrem Zimmer. Sie hörte das Mädchen durch den Korridor gehen, die Thür öffnen und zuschlagen und dann die Treppe hinunterstürmen. Sie wollte ihr nachlaufen, sie zurückrufen, aber sie fand nicht die Kraft dazu.

      Endlich that ihr alles leid. Der Briefkasten befand sich auf der andern Seite der Strasse, diesem Hause gegenüber. Sie eilte aus Fenster, riss es auf und blickte hinaus. Eiskalte Luft drang ihr entgegen, aber sie achtete nicht darauf, spähte nur umher, um des Dienstmädchens ansichtig zu werden. Die Strasse war noch stark belebt.

      „Minna! ... Minna! ...“ rief sie laut, ohne dieselbe erblickt zu haben.

      Endlich

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