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gestanden, ich hatte mich damals ausserordentlich wohl bei Ihnen gefühlt. Einfach, aber nett und behaglich! Wie gut haben es doch die Leute in Ihrem Stande ... sie haben keine geschäftlichen Sorgen, brauchen keine Konkurrenz zu fürchten und können ohne jede Aufregung ihr Dasein hinbringen. ... Sagen Sie offen — möchten Sie nach Höherem streben?“

      „Das wäre wohl mein letzter Wunsch, Herr Treuling.“

      „Nun, dann begreife ich nicht, dass Sie zu der Heirat ihrer Enkelin Ihre Einwilligung gegeben haben. Verzeihen Sie, dass ich gerade darauf komme, aber die Sache macht mir noch immer grosse Kopfschmerzen. Ich glaube, wir sprachen schon einmal darüber, und da war’s mir, als hielten Sie auch nichts Gutes von einer derartigen Verbindung.“

      „Das ist auch heute noch meine Ansicht, und deshalb habe ich meine Einwilligung zur Heirat als Vormund noch nicht gegeben und werde sie auch nicht geben.“

      „So, so? Das habe ich ja noch gar nicht geäussert,“ warf Treuling hastig ein. „Dann wird sich nun wohl das Vormundschaftsgericht damit befassen müssen, he?“

      Das wird wohl nicht mehr nötig sein, Herr Treuling.“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Nun, so viel ich gehört habe, gedenkt Ihr Herr Sohn die Verlobung rückgängig zu machen und noch im letzten Augenblick zurückzutreten. ... Er hat doch bereits eine andere Braut in Aussicht, eine mit sehr vielem Gelde?“

      Treuling machte ein völlig verblüfftes Gesicht. Es dauerte eine Weile, ehe er wieder zu sprechen begann.

      „Woher wissen Sie das?“

      In sein Erstaunen mischte sich die geheime Freude, plötzlich diesem Manne gegenüber, dessen Geradheit und Offenheit er fürchtete, einen Schritt weiter gekommen zu sein. „Sagen Sie mir doch ... wer hat Ihnen darüber berichtet?“

      „Also geben Sie selbst zu, dass es sich so verhält? Dann könnte ich doch am Ende meine Enkelin mehr beglückwünschen als bemitleiden. Denn wenn Ihr Herr Sohn sich plötzlich als ein so leichtfertig denkender Herr entpuppt, dann giebt er dadurch am besten zu verstehen, wie unglücklich er meine Enkelin gemacht hätte.“

      „Nun, das hätte wohl auf Gegenseitigkeit beruht,“ bemerkte Treuling lächelnd.

      Zu einer anderen Zeit hätte ihn eine derartige Sprache erzürnt gemacht. Jetzt aber, wo er seine eigene Gesinnung zu vernehmen glaubte, zeigte er sich ruhig und gelassen.

      Ei, das geht ja alles vortrefflich! dachte er. Doch gut, dass ich mich besann und ihn vorgelassen habe. Nun wird auch der letzte Widerstand beseitigt werden.

      „Nun also — woher wissen Sie das?“ drang er dann laut aufs neue in Vater Wilhelm. „Seien Sie so freundlich, und antworten Sie mir erst, dann werde ich Ihnen gern weitere Aufklärung geben.“

      Tetzlaff besann sich eine Weile, dann sagte er ohne weiteres:

      „Es ist das nur meine Annahme. Ihr Herr Sohn wird sich doch jetzt gezwungen sehen, eine sehr reiche Partie zu machen. Sie stehen doch vor dem Bankerott, wie ich gehört habe — das heisst, ich urteile ja nur nach Hörensagen.“

      „Herr, was wagen Sie?“

      Treuling schnellte von seinem Sitze auf und blickte ihn drohend an. Binnen wenigen Augenblicken hatte sich sein Aussehen verändert. Bleich im Gesicht, mit zusammengezogenen Brauen stand er da, nur mühsam seinen Zorn bemeisternd.

      „Wie kommen Sie dazu, mit einem Mal diesen Ton anzuschlagen, nachdem ich Sie mit so grosser Freundlichkeit empfangen habe? ... Seien wir kurz, teilen Sie mir mit, was Sie wünschen! ... Das Geld Ihres Mündels — nicht wahr? Die Augst vor dem Verlust hat Sie doch hierher getrieben, nachdem irgend ein unverschämter Verleumder Ihnen etwas ins Ohr geblasen hat! Wahrscheinlich Ihr ältester Herr Enkel, der sogenannte Künstler, der gestern von seinem Gönner an die Luft gesetzt worden ist. Es ist doch so? Ich rate Ihnen aber in Ihrem eigenen Interesse, derartige Verdächtigungen für sich zu behalten. Ich müsste Sie sonst zwingen, vor Gericht Ihre Gewährsmänner anzugeben. ... Die Folgen könnten recht fühlbar für Sie werden.“

      Er gab seinem Sessel einen Stoss und schritt durch das Zimmer.

      „Bitte sehr um Verzeihung, wenn ich vielleicht etwas zu weit gegangen sein sollte,“ erwiderte Vater Wilhelm, etwas erschreckt über die Wirkung seiner Worte. „Es platzte mir gerade so heraus, weil meine Gedanken so waren. Wenn es aber nicht wahr sein sollte, dann bitte ich vielmals um Entschuldigung ... vielmals. Es liegt meiner Natur durchaus fern, jemand unberechtigterweise wehe zu thun.“

      Er erhob sich ebenfalls und blickte sich nach seinen Sachen um.

      Treuling wollte wie alle Leute, die sich getroffen fühlen, eine derartige Einrede nicht gelten lassen. Er wurde nun noch aufgebrachter. „Ach was — mit Ihrer Verzeihung ist mir gar nicht gedient! Thatsache ist und bleibt, dass Sie eine schwere Verleumdung ausgesprochen haben. Ich will Rücksicht auf Ihr Alter nehmen und mich nicht hinreissen lassen, etwas zu sagen, was Ihnen ebenfalls nicht passen würde.“

      Plötzlich stellte er sich gebieterisch vor den Alten hin, der nun den Eindruck eines eingeschüchterten Menschen machte, und fuhr fort:

      „Machen wir nicht viele Worte! Das Geld Ihres Mündels steht Ihnen morgen nachmittag zwischen fünf und sechs Uhr auf Heller und Pfennig zur Verfügung. Sie können nicht verlangen, dass ich Ihretwegen andere Angelegenheiten vergesse, ich habe mich Ihnen nicht aufgedrängt. Aber das hat man davon, wenn man sich auf all und jedes Geschäft einlässt! Ich glaubte Ihnen einen Gefallen zu erweisen, wenn ich Ihnen das Geld gut verzinste, und Sie haben es nur meiner Gutmütigkeit in diesem Augenblicke zu verdanken, wenn ich sofort Anweisung gebe, dass man Ihnen eine Aufstellung und Zinsenberechnung bis zum morgigen Tage macht.“

      „Bitte nochmals um Verzeihung,“ brachte Vater Wilhelm wiederum hervor. Das ganze Auftreten Treulings machte ihn derartig befangen, dass er seine voreilige Äusserung verwünschte.

      „Sie wissen doch ganz genau, dass damals ausgemacht wurde, das Kapital dürfe nur vierteljährlich gekündigt werden ... Ich sehe Ihr ganzes Auftreten aber als eine Notwendigkeit an, mich mit Ihnen und Ihrem Mündel so schnell als möglich auseinanderzusetzen — hoffentlich für ewige Zeiten.“

      „O, wenn Sie darauf bestehen, so betrachten Sie alles als ungeschehen, ich bitte darum,“ warf Vater Wilhelm kleinlaut ein. Langsam, mit der Gemächlichkeit alter Leute begann er sich den Überzieher anzulegen. Treuling hatte auf den Knopf einer Klingelgedrückt. Es klopfte und Knauerhasetrat ein.

      „Erinnern Sie mich doch nachher daran, dass ich Ihnen in Bezug auf Herrn Tetzlaff einen Auftrag gebe.“

      „Sehr wohl, Herr Treuling.“

      Knauerhase ging wieder. Es war nur eine Ausrede Treulings. Ausser seinem Sohne wusste niemand im Geschäft von einem Geldverhältnis zwischen ihm und der Familie Tetzlaff. Um sich vor jedem Verdacht seinem Personal gegenüber zu wahren, als habe er irgend ein Interesse an der Verwandtschaft mit dieser Familie, hatte er die Verwaltung des Geldes persönlich übernommen und sein Privatvermögen damit belastet.

      Kaum waren sie wieder beide allein, als das Klingelzeichen am Fernsprecher ertönte. Sofort eilte Treuling an die Wand und sagte dabei:

      „Einen Augenblick ... stehe sofort wieder zur Verfügung!“ Als vorsichtiger Mann, der immer eine abwartende Stellung einnahm, wollte er sich überzeugen, wer mit ihm spräche. In diesen Tagen voller Aufregung lebte er in beständiger Furcht, ein unvorhergesehenes, dunkles Ereignis könnte seine wohlüberlegten Pläne durchkreuzen und ihn vollends niederwerfen.

      „Bitte sehr, lassen Sie sich nicht stören,“ erwiderte Vater Wilhelm mit einer Verbeugung.

      „Ja, hier Treuling!“ rief er in den Kasten hinein, während er die Schallmuscheln gegen die Ohren hielt. Zu seinem Erstaunen glaubte er Bandels Stimme zu vernehmen. Und so rief er in der freudigen Erwartung, eine angenehme Nachricht zu empfangen, launig aufs neue hinein:

      „Mit wem habe ich das Vergnügen? Mit Dir persönlich, Emil? ... Ja, ich bin es auch selbst.

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