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Damen bestens zu empfehlen.“

      Bandel hatte dafür sofort eine Auslegung bereit, was unzweideutig aus seiner Antwort hervorging:

      „Aber machen Sie doch keine Geschichten — Sie bleiben noch. Sie werden sich doch deswegen nicht die gute Laune trüben lassen — das fehlte gerade! Meine Frau und Hertha erwarten uns hinten. Oder warten Sie ’mal — ich werde sie hierher bitten lassen. Mir auch angenehmer. Dann befindet sich meine Frau sozusagen am Schauplatz der That. Und wenn sie dann von dem nichtswürdigen Benehmen dieses Menschen erfährt, so wirkt das überzeugender.“

      Er wollte schon nach dem Diener klingeln, aber Eberhard fiel aufs neue ein:

      „Seien Sie überzeugt, Herr Bandel, dass ich Ihre Liebenswürdigkeit zu schätzen weiss, aber vielleicht wird es auch den Damen nach Kenntnisnahme dieses peinlichen Vorganges erwünscht sein, allein zu bleiben.“

      „Im Gegenteil — sie werden jetzt erst recht etwas Zerstreuung wünschen,“ hielt Bandel ihm mit Zähigkeit entgegen.

      „Aber so bleibe doch, Du siehst ja, wie geringe Bedeutung man dem Verschwinden dieses Herrn beilegt!“ warf nun auch Treuling ein. „Es wäre unbescheiden von uns, jetzt noch lange in uns dringen zu lassen.“

      „Recht so, Alter, rede ihm nur zu! ... Da kommen sie ja schon selbst!“

      Es waren wirklich Mutter und Tochter, die nun ebenfalls sichtbar wurden.

      „Unser Herr Künstler ist plötzlich unpässlich geworden und nach Hause gegangen!“ rief Bandel ihnen entgegen.

      Beide bemerkten sofort, dass etwas Besonderes vorgegangen war, hielten es aber nicht für angebracht, näher darauf einzugehen, um so weniger, da Bandel so that, als wäre alles ohne Aufregung abgegangen. Im Innern waren sie ebenfalls über diesen Ausgang befriedigt.

      Und da Hertha durch nichts verriet, dass sie Eberhard irgend etwas übel genommen habe, so hielt es dieser für unartig, die erneuerte Einladung, zu bleiben, abermals abzulehnen.

      Eine Stunde etwa blieb man noch zusammen. Als man sich jedoch trennte, hatten alle die Überzeugung, dass die Stimmung zuletzt eine sehr drückende gewesen sei.

      Wahrheit und Dichtung.

      Als Heinz sich auf der Strasse befand, hatte er die Empfindung eines Menschen, dem etwas passiert ist, was er niemals überwinden werde. Ohne sich umzublicken, stürmte er mit derselben Eile weiter, mit der er das Haus verlassen hatte.

      Einmal blieb er stehen und überlegte, ob es nicht besser wäre, wieder umzukehren, um sich mit der Faust Genugthuung zu verschaffen. Dann ging er weiter, erfüllt von Rachegedanken, die in seinem Gehirn brüteten gleich einem Gewitter, das der Entfesselung harrt. Die ohnmächtige Wut erdrückte ihn fast. Erniedrigt und beleidigt, wie er sich vorkam, dachte er an weiter nichts, als an eine befreiende That, die er heute noch vollführen müsse, um befriedigt sich schlafen legen zu können.

      Sein Gesicht glühte. Das Herz hämmerte dumpf. Er kam sich wie losgelöst vor von allem, worauf er seine Hoffnungen gesetzt hatte. Er wusste: die Brücke zur Rückkehr in Bandels Haus war ihm abgebrochen worden für ewige Zeiten. Nun wollte er wenigstens beweisen, dass er die Macht habe, das Glück anderer zu zertrümmern, wie er es bereits einmal gethan hatte, als die schiefe Ebene seines Lebens zum erstenmal von ihm betreten wurde. Und nicht nur die Macht, sondern auch die natürlichen Anlagen dazu, die ihn fast willenlos zum Bösen trieben.

      Während er dahinschritt, ohne auf die Menschen zu achten, kam er sich einsam und verlassen vor. Noch niemals, seitdem er von seinen Angehörigen fort war, hatte er einen gleichen Eindruck empfunden. Sehnsucht kam über ihn, tiefe Sehnsucht nach irgend etwas, was er bisher niemals kennen gelernt hatte, das seinem Gewissen Entlastung und seinem aufgeregten Gemüte Ruhe gegeben hätte. Etwas Besseres erwachte in ihm, von dem er nur dunkle Vorstellungen hatte, das einen merkwürdigen Gegensatz zu seinen schlimmen Eigenschaften bilden sollte.

      Er sah nach der Uhr. Es war erst acht, also konnte er noch nach dort, wohin es ihn mit aller Macht drängte, und wo er die einzige Erlösung für heute zu finden hoffte. Was war auch natürlicher, als dass Hannchen plötzlich im Geiste vor ihm auftauchte, um deren ferneres Schicksal sich seiner Meinung nach die Erlebnisse der letzten Stunden allein gedreht hatten!

      Er besann sich nicht lauge, stieg in eine Droschke und gab Strasse und Hausnummer an, die er von Robert erfahren hatte. Während der Fahrt wurde er ruhiger, siegesbewusster.

      Was wird sie zu allem sagen? Gewiss wird sie aus allen Himmeln fallen, dachte er dann. Besser aber, sie erfährt es durch mich als durch ihn, so kann sie ihm zuvorkommen und zuerst mit ihm brechen. Eine unglückliche Heirat wäre das ja doch geworden — da hat der Alte ja nun ganz recht, wie Robert mir erzählt hat. ... Und morgen schicke ich diesem früheren Färbergesellen einen Brief, in dem ich ihm mitteile, dass Treuling vor dem Bankerott steht. Dann wird er seinen Daumen wohl auf den Beutel halten, denn die Freundschaft geht bei Dem auch nur bis zum Geldsack. Die Gesichter möchte ich dann einmal sehen! Ich glaube, die holen mich noch mit vier Pferden zurück! ... Und gleich danach gebe ich dem Schuft Freudenfeld einen Wink, damit er seinen Freund, den Börsenstipper, benachrichtigt. Die können nachher doch wie die Hyänen die letzten Krempen von den Strohhüten auffischen, denn mehr wird wohl von der ganzen Herrlichkeit da draussen nicht übrig bleiben.

      Seine Stimmung änderte sich nun. Befriedigt darüber, so nahe vor der Vergeltung zu stehen, pfiff er leise vor sich hin.

      Frau Baumann, Hannchens ehrsame Wirtin, machte grosse Augen, als sie zu später Stunde noch einen Herrn erblickte, der Fräulein Tetzlaff zu sprechen wünschte. Ehe sie noch eine Antwort geben konnte, war Hannchen bereits in der geöffneten Zimmerthür sichtbar geworden. Jedesmal wenn es klingelte war sie der Meinung, es könnte Eberhard sein. Klopfenden Herzens war sie herbeigesprungen.

      „Heinz — Du?“ rief sie erstaunt aus, als sie näber gekommen war und ihn erkannt hatte.

      „Ja, ich habe Dich ganz notwendig zu sprechen.“

      „Mein ältester Bruder nämlich, der Bildhauer, von dem ich Ihnen schon erzählt habe, Frau Baumann,“ sagte sie dann.

      „Ah, freut mich sehr, Sie kennen zu lernen. Treten Sie nur näher! ... Wenn Sie noch etwas wünschen sollten, Fräulein, ich stehe selbstverständlich zu Diensten.“

      Die Witwe des seligen Postsekretärs machte eine Verbeugung und liess ihn durch, ganz verblüfft darüber, eine derartig einnehmende Erscheinung vor sich zu haben.

      Dann befanden sich Bruder und Schwester allein. Einige Minuten sagten sie nichts. Ihr Wiedersehen nach so langer Zeit machte im Augenblick alles vergessen, was zwischen und hinter ihnen lag. Sie umarmten und küssten sich stummbewegt. Und das wiederholte sich eine Weile, ehe sie zu Worte kamen. Hannchen war so gerührt, dass ihre Augen feucht wurden.

      „Nein, hat dieser Tag aber Überraschungen!“ brachte sie dann, noch immer zitternd vor freudiger Erregung, hervor: „Kaum ist Robert weg, so kommst Du. Hübsch von Dir, dass Du doch noch einmal an Dein Schwesterchen gedacht hast. Und verändert hast Du Dich! Robert sagte es mir schon, aber das hätte ich doch nicht erwartet! Ordentlich stark geworden. Und wie elegant Du gehst ... wie ein richtiger vornehmer Künstler!“

      Er achtete auf diese Anerkennung gar nicht, sondern fragte, während er unruhig im Zimmer umherschritt:

      „Also der Kleine war hier? Hat er Dir ’was Besonderes gesagt?“

      „Nur Gutes über Dich: Du wolltest ein Grabdenkmal für Vater machen, wenn Du erst so weit wärst. ... Wenn Du das könntest, Heinz, und dabei bewiesest, dass Du ’was gelernt hast, dann würde sich auch gewiss Grossvater mit Dir wieder aussöhnen!“

      „Meinst Du?“

      Statt der Antwort warf sie sich abermals an seine Brust und brachte schluchzend hervor: „O, Heinz, lieber Bruder — weshalb nur musste alles so kommen?“

      „Ja, das habe ich mich heute auch gefragt, aber in anderer Beziehung ... Aber so weine doch nicht, meinetwegen nicht, ich bin es wahrhaftig nicht wert!“

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