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Stimme wurde dann vernehmbar: „Du musst mich schon entschuldigen, wenn ich aufbreche, aber ich möchte dem jungen Mann wirklich aus dem Wege gehen.“

      „Aber deswegen doch nicht? Thorheit! — Du bleibst hier. Jetzt soll’s ja erst gemütlich werden ... Das sind nun die Folgen von unserem Entgegenkommen. Jetzt kommt er schon ungerufen!“

      Frau Bandel fiel ein: „Sei doch nur nicht so lant, er könnte Dich sonst hören ... Mein Gott, wir haben ihn ja verwöhnt ...“

      „Nimm mir es nicht übel, aber Du allein hast die Schuld daran ... Du wolltest ein Wundertier haben. Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen.“

      „Sei doch nicht so aufgebracht — was soll denn Herr Treuling denken!“ erwiderte sie.

      „Meinetwegen keine Umstände! Wie gesagt, ich ziehe mich bald zurück,“ sagte Treuling abermals. „Jedenfalls möchte ich eine Begegnung mit ihm vermeiden — auf alle Fälle. Denken Sie deshalb nicht geringer von mir, beste Frau Bandel.“

      „Du sollst ja auch mit ihm nicht in Berührung kommen ... gar keine Ursache zur Erregung, warf Bandel wieder ein. „Wie die Verhältnisse sich nun einmal gestalten, halt’ ich es auch fürs Beste, ihm einen Wink zu geben, für die Zukunft etwas weniger aufdringlich zu sein.

      „Aber wir können ihn doch nicht hinauswerfen — ich verstehe Dich gar nicht!“ liess sich Frau Bandel aufs neue, lauter als zuvor, vernehmen. Man hörte, wie sie unruhig auf- und abging.

      „Das wird nun davon abhängen, wer uns näher liegt, liebes Kind. Schliesslich hat das Kunstbeschützertum auch seine Grenzen. Dass Du einen Narren an ihm gefressen hast, weiss ich schon lange.“

      „Sei so gut und mässige Dich ein wenig in Deinen Ausdrücken in Gegenwart eines Gastes.“

      „O, betrachten Sie mich ganz als Nebensache,“ fiel Treuling ein.

      „Entschuldigen Sie, wenn ich Zuhörer dieser Unterhaltung sein muss, Fräulein, aber es geschieht ja unfreiwillig — wie Sie sehen,“ sagte Eberhard, indem er sich wieder zu Hertha wendete. „Ich bin wirklich im Zweifel, was ich thun soll.“

      „Ich wusste, dass diese Auseinandersetzung zwischen Papa und Mama einmal kommen würde,“ erwiderte sie. „Es ist doch wirklich eine sehr unangenehme Situation, um so mehr, da Sie selbst eine Aversion gegen ihn haben. Wirklich unangenehm, sehr unangenehm ... Da kommt ja Mama schon!“

      In der That kam Frau Bandel angerauscht, rot vor Aufregung im Gesicht und mit dem deutlichen Ausdruck verhaltenen Ärgers.

      „Denk Dir nur an, Tetzlaff ist hier!“ sagte sie sofort, indem sie Eberhard ganz übersah. „Ich werde irgend eine Ausrede gebrauchen, um ihn bald zum Gehen zu bringen.“

      „Wir hatten bereits das Vergnügen, Mama ... Er war heute gerade so unausstehlich.“

      „Das sagst Du auch mit einem Mal?“

      Jetzt erst schien sie Eberhard zu bemerken und sich wieder bewusst zu werden, was für eine grosse Aufgabe sie und ihr Mann heute zu erfüllen habe. Und als sie beide anscheinend so gemütlich beisammen sah, glaubte sie, alles sei im schönsten Fluss und die erhoffte Aussprache zum Glücke der jungen Leute bereits erfolgt. Sofort bekam sie ihre Laune wieder.

      „Sie werden erwartet, lieber Eberhard ... Entschuldigen Sie uns beide nur auf ganz kurze Zeit. Wir werden bald wieder auf der Bildfläche erscheinen.“

      „Bitte sehr, gnädige Frau!“

      „Lassen Sie doch endlich das ‚gnädige Frau‘. Es kleidet Sie jetzt wirklich nicht mehr.“

      Sie nickte ihm wohlmeinend zu, nahm Hertha am Arm und rauschte mit ihr ins Musikzimmer.

      Eberhard blickte ihnen einige Augenblicke nach. Diese Freundlichkeit fängt nun beinahe an, unheimlich zu werden, dachte er. Was mein zufälliges Auftauchen doch alles machen kann! Das sieht ja beinahe so aus wie eine Familienkomödie, die meinetwegen in Scene gesetzt worden ist. Plötzlich starrte er vor sich hin, mit halbgeöffnetem Munde, als hätte er die Lösung eines grossen Rätsels vor sich. Er wollte den Gedanken, der in ihm aufgetaucht war, von sich abwehren, aber es gelang ihm nicht. Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

      War er denn vernagelt, trug er denn eine Binde vor seinen Augen, vermochte er nicht mehr richtig zu hören, dass ihm diese ganzen Vorgänge, dieses Wechselspiel von Entgegenkommen und Verständnislosigkeit unklar geblieben waren? Keine Frage — man hatte ihn hierher gelockt, um in letzter Stunde noch den alten Heiratsplan zustande zu bringen! Und die Angaben seines Vaters waren nur der Vorwand dazu, um ihn allmählich in die goldenen Fesseln hinüberzuleiten.

      „Fein ausgeheckt, wirklich sehr sein!“ sagte er zu sich. Diese unblutige Verschwörung erschien ihm im Augenblick so komisch, dass er hätte auflachen mögen, wenn er allein gewesen wäre. Aber merkwürdig — schon im nächsten Augenblick dachte er viel ruhiger darüber, fand er gar nicht die Neigung, seinem Vater irgend welche Vorwürfe zu machen. Etwas Gutes würde er doch mit nach Hause nehmen, und das war die Enthüllung eines Mädchencharakters, wie er sie überraschender nicht erwartet hatte. Sonderbar, dass er nicht umhin konnte, immer aufs neue an Hertha zu denken. Es hätte nicht viel gefehlt, so wäre ihm in diesen Minuten Hannchen ganz aus dem Gedächtnis gekommen.

      Voll innerer Unruhe, die er sich nicht zu erklären vermochte, ging er längs der beiden Fenster, die nach der Strasse führten, auf dem weichen Teppich auf und ab, unsichtbar für die beiden Alten, die laut zusammen sprachen. Er hörte gar nicht darauf, dachte an nichts Weiteres als an seine Unterhaltung mit Hertha. War sie auf sein Erscheinen vorbereitet gewesen, oder war sie ahnungslos geblieben? Das war die Frage, die er sich wiederholt vorlegte. Die ganze Art und Weise des Empfanges sprach für die erstere Annahme, und doch hielt er sie einer unschönen Koketterie nicht für fähig. Schliesslich war er geneigt, sie auch in diesem Falle zu entschuldigen.

      Konnte man es einem jungen Mädchen verdenken, wenn es alles aufbot, um den Mann zu erringen, den es liebte? Würde er als Mann in einem derartigen Falle nicht ebenso gehandelt haben? Und sie liebte ihn, wahr und aufrichtig mit jener Herzensgesinnung, die Unverfälschtheit heisst, weil sie sich auch in die Entsagung zu finden vermag. Alles das war ihm nun ausser allem Zweifel.

      Seltsame Sprünge, die seine Auffassung machte! Auf was für einem Wege befand er sich denn, er, der den Verlobungsring bereits trug und allen Ernstes eine Verbindung fürs ganze Leben eingeben wollte, die er für unwiderruflich hielt? — eine Verbindung, über welche man im geheimen bereits zur Genüge gespöttelt hatte!

      Und unwiderruflich deswegen, weil er als Mann von ausgeprägtem Ehrgefühl das Wort, das er im Liebesrausch gegeben hatte, zu halten gedachte? ... Und war das seine vielgerühmte Stärke, dass er so kurz vor dem Ziele wankelmütig wurde?

      „Schlechter Kerl, Du!“ murmelte er vor sich hin, „schäme Dich. Hält man Dich für borniert, so ertrage es wenigstens mit Anstand und Würde.“

      Endlich fand er es an der Zeit, diesen Einflüsterungen zweier unsichtbarer dunklen Gewalten ein Ende zu machen und sich bei den Alten sehen zu lassen. In dem Glauben, neugefestigt zu sein in seinen alten Anschanungen, schritt er auf sie zu.

      „Na, wo haben Sie denn Hertha gelassen, lieber Eberhard?“ redete ihn Bandel sofort an.

      „Sie versprach, sogleich wieder zu erscheinen — Ihre Frau Gemahlin hat sie in Anspruch genommen.“

      „So. Dann entschuldigen Sie mich wohl auch auf einige Augenblicke — Ihr Papa weiss, warum. Ich bin sogleich wieder hier.“

      „Bitte sehr, Herr Bandel, lassen Sie sich nicht abhalten.“

      Eberhard blickte ihm nach, bis er hinten verschwunden war. Dann ging er einigemale im Zimmer auf und ab.

      Treuling merkte sofort, was in seinem Sohne vorging, that aber so, als berührte ihn das nicht. Im Gegenteile warf er mit heiterer Miene leicht hin:

      „Findest Du nicht, dass die Damen heute besonders aufgelegt sind?“

      „Den Grund

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