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ver­stei­fe mich augen­bli­cklich. Allei­ne der Ge­dan­ke, dass je­mand Hand an Ali­ce le­gen könn­te, lässt mich rot­se­hen. »Ei­nen Troll­mist wird sie, das weißt du, Triel. Sie ist nicht wie du, seelen­los. Hier­mit darfst du un­ser Bünd­nis als be­en­det an­se­hen. Wie kannst du es wagen, mich so hin­ter­ge­hen zu wol­len? Soll Cas­tiell euch doch aus­rot­ten, um kei­ne von euch wä­re es scha­de.« Ich spu­cke vor ihr auf die Er­de.

      Ali­ce legt ih­re Hand auf mei­ne, dreht sich um und schaut zu mir auf. Ihr Blick ist fest, ziel­be­wusst. Sie nickt mir zu, lä­chelt schwach. »Ich weiß, wer und was ich bin, Cri­spin, und wo mein Platz ist. Ich se­he so klar, wie lan­ge nicht mehr. Viel­leicht ver­ste­he ich zum er­sten Mal wirk­lich, was wir sind und was uns ver­bin­det. Wo­mög­lich bin ich an­fangs wie du ge­we­sen, ha­be es nicht glau­ben wol­len oder kön­nen, doch jetzt weiß ich es. Sie könn­te nichts sa­gen, was mei­ne Mei­nung oder Ge­füh­le zu dir be­ein­flus­sen oder än­dern wür­de.« Sanft legt sie ih­re Hand auf mei­ne Wan­ge, mein Kie­fer mahlt an­ge­spannt. »Es tut mir so leid, dass du we­gen mir lei­den musst. Ver­zeih mir! Ich ha­be dir so weh­ge­tan … Ver­flucht, ich ha­be dich so­gar um­brin­gen wol­len. Ehr­lich, ich er­in­ne­re mich an die Wut, die ich auf dich ge­habt ha­be, doch trotz al­lem bist du ge­kom­men und hast mich ge­fun­den. Du bist alles, was ich will. Ich wür­de immer wie­der dich wäh­len.« Ehe ich ant­wor­ten kann, oder mei­ne Spra­che wie­der­fin­de, rich­tet sie ihr Wort an Triel. »Ich ha­be mei­ne Ent­schei­dung be­reits ge­trof­fen, mei­ne Be­stim­mung ist Cri­spin. Ich wäh­le ihn. Jetzt, mor­gen und für alle Zeit. Immer. Dein An­ge­bot be­schämt mich, wo du un­se­re Ge­schich­te zu ken­nen scheinst. Dei­ne Über­he­blich­keit wi­dert mich an. Ich wei­se dein Ge­schenk dan­kend zurück. Wenn ich so ein Le­ben wol­len wür­de, hät­te ich auch bei den Al­ben blei­ben kön­nen. Du ahnst nicht, was dir ent­geht, in­dem du dich ge­gen ei­nen Ge­fähr­ten wehrst.«

      »Willst du mich be­lei­di­gen? Ich wür­de ihn auf der Stel­le tö­ten, wenn ich ihn fin­de«, zischt Triel auf­ge­bracht. Ih­re Augen fun­keln vol­ler Zorn. Sie kann of­fen­bar nicht glau­ben, dass Ali­ce mich statt ih­rer wählt.

      Ich hin­ge­gen at­me er­leich­tert auf. Ali­ce‘ Wor­te ha­ben et­was in mir ge­löst. Ei­ne Last fällt mir von den Schul­tern, zent­ner­schwer. Ein klei­ner Teil von mir hat die Furcht ver­spürt, sie könn­te sich von mir ab­wen­den, und nach al­lem, was sie an mei­ner Sei­te er­lebt hat, ei­nen an­de­ren Weg ein­schla­gen. Ich hät­te es ihr nicht ver­den­ken kön­nen. Der ego­is­ti­sche Teil in mir hät­te nie auf­ge­hört, um sie zu kämp­fen. Zum er­sten Mal hat sie sich vol­lends zu mir be­kannt, zu un­se­rer Ver­bin­dung. Das macht mit mei­nem Herz ganz ver­rück­te Din­ge … Es pocht wild und die an­ima­li­sche Sei­te in mir möch­te sie an mich rei­ßen und in die Welt hin­aus­schrei­en, dass sie nur mir ge­hört. Ali­ce stellt sich auf die Ze­hen­spit­zen, un­se­re Lip­pen tref­fen sich. Es fühlt sich an, als wür­de auch ich nach Hau­se kom­men. End­lich. Oh, bei den Göt­tern, sie hat mir so sehr ge­fehlt. Sie hat mir nie ge­glaubt, dass die­se Ver­bin­dung be­steht, doch jetzt, nach all dem, be­greift sie es, ob­wohl ich mir ge­wünscht hät­te, dass sie da­für nicht sol­che Qua­len er­le­ben muss.

      In mir pul­siert un­se­re Ver­bin­dung vor wil­der Freu­de. Ali­ce‘ war­men Lip­pen auf den mei­nen, weich und un­nach­gie­big. Ich weiß, dass sie nicht lügt, sie wie­der die ist, die ich an die­sem furcht­ba­ren Tag, an dem man sie ent­führt hat, ver­las­sen ha­be. Fe­go­ria ist nicht sanft, das weiß ich. Fe­go­ria ist ei­ne Welt, in der nur die Stärk­sten über­le­ben. Dies hat mich bis­her nie ge­stört, da ich mich zu den Stär­ke­ren zäh­le. Ge­nau das ist der Punkt: Ich bin ro­bust und wer­de mein Glück selbst su­chen. Mei­ne Geg­ner sol­len sich fürch­ten, denn ab so­fort wird mich nichts mehr auf­hal­ten, mein Schi­cksal zu er­fül­len – mit Ali­ce an mei­ner Sei­te.

      Jetzt ver­ste­he ich, was das Ran­ken­we­sen da­mit ge­meint hat, dass dies mei­ne Mis­sion wä­re, Ali­ce allei­ne zu be­frei­en. Es ist mei­ne Auf­ga­be, mein Test, mich wür­dig zu er­wei­sen. Wür­dig, sie zu lie­ben, und qua­li­fi­ziert, für all das zu kämp­fen, was wir an­stre­ben. Ich bin da­ran ge­wach­sen und se­he vieles kla­rer als zu­vor. Ich be­trach­te die Al­ben durch die Be­geg­nung mit Elil voll­kom­men an­ders. Ali­ce be­hält eben­falls recht, ich ha­be das Gan­ze zu schwarz-weiß ge­se­hen. Al­be sind für mich mein Ge­burts­feind. Zu­vor ha­be ich nie mit ei­nem ge­spro­chen oder ih­nen die Chan­ce ge­ge­ben, sich mir zu er­klä­ren. Nicht, dass sie es ge­wollt hät­ten, doch mit Ali­ce‘ An­kunft scheint ein Stein ins Rol­len ge­bracht wor­den zu sein, der nicht mehr zu brem­sen ist. Fe­go­ria ist im Wan­del. Mir ist ein­ge­trich­tert wor­den, dass Al­be von Grund auf ver­dor­ben und bö­se sind, je­nes ha­be ich ge­glaubt. Wie oft ist mir die­ses Bild auf den Schlacht­fel­dern be­stä­tigt wor­den … Es gibt nicht nur schwarz und weiß, auch Grau­tö­ne, wie Ali­ce so schön sagt. Die­se ha­be ich ge­se­hen und ver­ste­he ih­re Denk­wei­se nun. Ich ha­be mei­nen Stolz her­un­ter­schlu­cken, Hil­fe an­neh­men und mein Wis­sen er­weitern, mei­ne Per­sön­lich­keit ent­fal­ten und mich fin­den müs­sen. Der Mann, der ich sein will, nicht der, den mein Vater ge­formt hat. Ich den­ke, ich ha­be jetzt ein Bild da­von, wer ich bin und wer ich sein möch­te, nicht wer ich sein muss. Ja, ich bin der Kö­nig, wi­der­wil­lig, aber ich wer­de mei­nen Platz ak­zep­tie­ren, weil es mein Schi­cksal ist. Fe­go­ria hat ei­ne Zeit des Frie­dens ver­dient. Ali­ce hat eben­falls ei­ne wei­trei­chen­de Ent­schei­dung ge­trof­fen und das Er­be ih­rer Mutter ab­ge­lehnt. Nun müs­sen wir in die Zu­kunft bli­cken, die die Göt­ter für uns vor­her­ge­se­hen ha­ben – ge­mein­sam.

      Alice

      Ich möch­te nie auf­hö­ren, Cri­spin zu küs­sen. Nie­mals wie­der. Ge­füh­le dro­hen, mich zu über­wäl­ti­gen, und es fühlt sich an wie ei­ne Er­lö­sung. Sein Duft um­fängt mich, er riecht nach Wald, ge­mischt mit rau­er See und nach … ihm, nach Cri­spin, nach Heimat.

      Wie ha­be ich je­mals an ihm zwei­feln kön­nen? Allein die Er­in­ne­rung an die Wut, die ich ver­spürt ha­be, als wir ge­kämpft ha­ben, und der Wil­le, ihn zu ver­let­zen … Ich schä­me mich so fürch­ter­lich, aber ich schwö­re, ich wer­de es gut­ma­chen. Ich möch­te mich am liebs­ten tausend­mal ent­schul­di­gen. Mei­ne Hän­de lie­gen auf sei­ner war­men Brust, un­ter der sein Herz kräf­tig schlägt. Der Blick aus sei­nen ein­dring­li­chen Augen ist for­schend und lie­be­voll, sein oft so stör­ri­scher Mund zu ei­nem leich­ten Lä­cheln ver­zo­gen.

      Triel muss ver­rückt sein, wenn sie denkt, ich wür­de dies auf­ge­ben. Sie ahnt nicht mal, wie sich ein Ge­fähr­te an­fühlt, sonst wür­de sie nicht so re­den. Die­ses Emp­fin­den ist mit nichts ver­gleich­bar, was ich bis­her er­lebt ha­be. Un­mög­lich. Cri­spin auf­zu­ge­ben, wür­de be­deu­ten, dass ich ei­nen Teil von mir selbst ver­nich­te. Nein, hier ge­hö­re ich hin, zu die­sem Mann, und ab jetzt wer­de ich nicht mehr zurück­blei­ben oder war­ten. Nein, ich wer­de kämp­fen und noch här­ter als zu­vor trai­nie­ren!

      »Scha­de, sehr scha­de. Ein Ver­such ist es wert ge­we­sen. Was bie­tet ihr mir statt­des­sen für eu­re Ret­tung an?« Triel wirkt un­ge­dul­dig, noch immer zor­nig. Sie ist nicht be­reit, auf­zu­ge­ben. Cri­spin hin­ge­gen lä­chelt in un­se­ren Kuss hin­ein. Er scheint zu­frie­den zu sein.

      »Klei­ner Schmet­ter­ling, das hat mir ge­fehlt. Nichts ge­gen dein krie­ge­ri­sches Ge­schick, aber so ist es mir lie­ber«, flüs­tert er lei­se, nur für mich hör­bar. Wir lö­sen uns wi­der­wil­lig vo­nei­nan­der.

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