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Fegoria - Dunkle Stunden. Annika Kastner
Читать онлайн.Название Fegoria - Dunkle Stunden
Год выпуска 0
isbn 9783947115273
Автор произведения Annika Kastner
Жанр Языкознание
Серия Fegoria
Издательство Bookwire
Alice legt ihre Hand auf meine, dreht sich um und schaut zu mir auf. Ihr Blick ist fest, zielbewusst. Sie nickt mir zu, lächelt schwach. »Ich weiß, wer und was ich bin, Crispin, und wo mein Platz ist. Ich sehe so klar, wie lange nicht mehr. Vielleicht verstehe ich zum ersten Mal wirklich, was wir sind und was uns verbindet. Womöglich bin ich anfangs wie du gewesen, habe es nicht glauben wollen oder können, doch jetzt weiß ich es. Sie könnte nichts sagen, was meine Meinung oder Gefühle zu dir beeinflussen oder ändern würde.« Sanft legt sie ihre Hand auf meine Wange, mein Kiefer mahlt angespannt. »Es tut mir so leid, dass du wegen mir leiden musst. Verzeih mir! Ich habe dir so wehgetan … Verflucht, ich habe dich sogar umbringen wollen. Ehrlich, ich erinnere mich an die Wut, die ich auf dich gehabt habe, doch trotz allem bist du gekommen und hast mich gefunden. Du bist alles, was ich will. Ich würde immer wieder dich wählen.« Ehe ich antworten kann, oder meine Sprache wiederfinde, richtet sie ihr Wort an Triel. »Ich habe meine Entscheidung bereits getroffen, meine Bestimmung ist Crispin. Ich wähle ihn. Jetzt, morgen und für alle Zeit. Immer. Dein Angebot beschämt mich, wo du unsere Geschichte zu kennen scheinst. Deine Überheblichkeit widert mich an. Ich weise dein Geschenk dankend zurück. Wenn ich so ein Leben wollen würde, hätte ich auch bei den Alben bleiben können. Du ahnst nicht, was dir entgeht, indem du dich gegen einen Gefährten wehrst.«
»Willst du mich beleidigen? Ich würde ihn auf der Stelle töten, wenn ich ihn finde«, zischt Triel aufgebracht. Ihre Augen funkeln voller Zorn. Sie kann offenbar nicht glauben, dass Alice mich statt ihrer wählt.
Ich hingegen atme erleichtert auf. Alice‘ Worte haben etwas in mir gelöst. Eine Last fällt mir von den Schultern, zentnerschwer. Ein kleiner Teil von mir hat die Furcht verspürt, sie könnte sich von mir abwenden, und nach allem, was sie an meiner Seite erlebt hat, einen anderen Weg einschlagen. Ich hätte es ihr nicht verdenken können. Der egoistische Teil in mir hätte nie aufgehört, um sie zu kämpfen. Zum ersten Mal hat sie sich vollends zu mir bekannt, zu unserer Verbindung. Das macht mit meinem Herz ganz verrückte Dinge … Es pocht wild und die animalische Seite in mir möchte sie an mich reißen und in die Welt hinausschreien, dass sie nur mir gehört. Alice stellt sich auf die Zehenspitzen, unsere Lippen treffen sich. Es fühlt sich an, als würde auch ich nach Hause kommen. Endlich. Oh, bei den Göttern, sie hat mir so sehr gefehlt. Sie hat mir nie geglaubt, dass diese Verbindung besteht, doch jetzt, nach all dem, begreift sie es, obwohl ich mir gewünscht hätte, dass sie dafür nicht solche Qualen erleben muss.
In mir pulsiert unsere Verbindung vor wilder Freude. Alice‘ warmen Lippen auf den meinen, weich und unnachgiebig. Ich weiß, dass sie nicht lügt, sie wieder die ist, die ich an diesem furchtbaren Tag, an dem man sie entführt hat, verlassen habe. Fegoria ist nicht sanft, das weiß ich. Fegoria ist eine Welt, in der nur die Stärksten überleben. Dies hat mich bisher nie gestört, da ich mich zu den Stärkeren zähle. Genau das ist der Punkt: Ich bin robust und werde mein Glück selbst suchen. Meine Gegner sollen sich fürchten, denn ab sofort wird mich nichts mehr aufhalten, mein Schicksal zu erfüllen – mit Alice an meiner Seite.
Jetzt verstehe ich, was das Rankenwesen damit gemeint hat, dass dies meine Mission wäre, Alice alleine zu befreien. Es ist meine Aufgabe, mein Test, mich würdig zu erweisen. Würdig, sie zu lieben, und qualifiziert, für all das zu kämpfen, was wir anstreben. Ich bin daran gewachsen und sehe vieles klarer als zuvor. Ich betrachte die Alben durch die Begegnung mit Elil vollkommen anders. Alice behält ebenfalls recht, ich habe das Ganze zu schwarz-weiß gesehen. Albe sind für mich mein Geburtsfeind. Zuvor habe ich nie mit einem gesprochen oder ihnen die Chance gegeben, sich mir zu erklären. Nicht, dass sie es gewollt hätten, doch mit Alice‘ Ankunft scheint ein Stein ins Rollen gebracht worden zu sein, der nicht mehr zu bremsen ist. Fegoria ist im Wandel. Mir ist eingetrichtert worden, dass Albe von Grund auf verdorben und böse sind, jenes habe ich geglaubt. Wie oft ist mir dieses Bild auf den Schlachtfeldern bestätigt worden … Es gibt nicht nur schwarz und weiß, auch Grautöne, wie Alice so schön sagt. Diese habe ich gesehen und verstehe ihre Denkweise nun. Ich habe meinen Stolz herunterschlucken, Hilfe annehmen und mein Wissen erweitern, meine Persönlichkeit entfalten und mich finden müssen. Der Mann, der ich sein will, nicht der, den mein Vater geformt hat. Ich denke, ich habe jetzt ein Bild davon, wer ich bin und wer ich sein möchte, nicht wer ich sein muss. Ja, ich bin der König, widerwillig, aber ich werde meinen Platz akzeptieren, weil es mein Schicksal ist. Fegoria hat eine Zeit des Friedens verdient. Alice hat ebenfalls eine weitreichende Entscheidung getroffen und das Erbe ihrer Mutter abgelehnt. Nun müssen wir in die Zukunft blicken, die die Götter für uns vorhergesehen haben – gemeinsam.
Alice
Ich möchte nie aufhören, Crispin zu küssen. Niemals wieder. Gefühle drohen, mich zu überwältigen, und es fühlt sich an wie eine Erlösung. Sein Duft umfängt mich, er riecht nach Wald, gemischt mit rauer See und nach … ihm, nach Crispin, nach Heimat.
Wie habe ich jemals an ihm zweifeln können? Allein die Erinnerung an die Wut, die ich verspürt habe, als wir gekämpft haben, und der Wille, ihn zu verletzen … Ich schäme mich so fürchterlich, aber ich schwöre, ich werde es gutmachen. Ich möchte mich am liebsten tausendmal entschuldigen. Meine Hände liegen auf seiner warmen Brust, unter der sein Herz kräftig schlägt. Der Blick aus seinen eindringlichen Augen ist forschend und liebevoll, sein oft so störrischer Mund zu einem leichten Lächeln verzogen.
Triel muss verrückt sein, wenn sie denkt, ich würde dies aufgeben. Sie ahnt nicht mal, wie sich ein Gefährte anfühlt, sonst würde sie nicht so reden. Dieses Empfinden ist mit nichts vergleichbar, was ich bisher erlebt habe. Unmöglich. Crispin aufzugeben, würde bedeuten, dass ich einen Teil von mir selbst vernichte. Nein, hier gehöre ich hin, zu diesem Mann, und ab jetzt werde ich nicht mehr zurückbleiben oder warten. Nein, ich werde kämpfen und noch härter als zuvor trainieren!
»Schade, sehr schade. Ein Versuch ist es wert gewesen. Was bietet ihr mir stattdessen für eure Rettung an?« Triel wirkt ungeduldig, noch immer zornig. Sie ist nicht bereit, aufzugeben. Crispin hingegen lächelt in unseren Kuss hinein. Er scheint zufrieden zu sein.
»Kleiner Schmetterling, das hat mir gefehlt. Nichts gegen dein kriegerisches Geschick, aber so ist es mir lieber«, flüstert er leise, nur für mich hörbar. Wir lösen uns widerwillig voneinander.