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Fegoria - Dunkle Stunden. Annika Kastner
Читать онлайн.Название Fegoria - Dunkle Stunden
Год выпуска 0
isbn 9783947115273
Автор произведения Annika Kastner
Жанр Языкознание
Серия Fegoria
Издательство Bookwire
Gnadenlos sorgt die raue See dafür, dass wir nicht wirklich trocknen. Das Salz fühlt sich unangenehm auf meiner Haut an. Der Kampf mit der Chimäre, oben im Schloss, hat uns bis an unsere Grenzen gebracht. Auch ihm merke ich die Strapazen deutlich an. Er ist nicht weniger zerschunden als ich. Sein Bein, bis auf die Muskeln aufgetrennt, heilt ebenso dürftig wie mein Rücken, doch er beschwert sich unter keinen Umständen. Nie. Seit Stunden verharren wir hier. Jedenfalls gehe ich von Stunden aus, eine Uhr gibt es nicht. Zeit hat hier eine andere Bedeutung. Die Sonne steht hoch am Himmel, die Nacht ist längst vorbei, doch die Gefahr nicht, sie ist greifbar. Eine Uhr … In ganz Fegoria kennt man sie nicht, aber ich erinnere mich wieder an eine Welt, in der es Uhren gibt, deren Zeiger uns unerbittlich jagen, unsere Tage planen und für einen geordneten Ablauf sorgen. Das fehlt mir. Doch hier, in dieser fremden Welt, läuft es anders. Ich erinnere mich nicht an alles aus dieser Welt, doch es wird immer mehr. Crispin sagt, es läge an einem Trank, den sie mir verabreicht haben. Die Wirkung wird gänzlich verschwinden, sobald mein Körper sich regeneriert hat. Bald – einige Stunden, vielleicht Tage, dann werde ich wieder alles wissen. Sein Wort in Gottes Ohr.
Wenn ich die letzten Stunde Revue passieren lasse, ist es ein Wunder, dass wir beide überhaupt noch leben. Daraus kann ich nur schließen, dass er recht behält und die Götter Pläne mit uns haben. Ob sie so gut sind, wage ich nicht, zu urteilen. Aber wie heißt es so schön, die Hoffnung stirbt zuletzt, oder? Meine Gedanken schweifen umher. Tief ziehe ich die salzige Luft in meine Lungen. Mein Leben hat sich so sehr verändert. Es ist wie ein ferner, unwirklicher Traum und manchmal habe ich Angst, dass ich einfach erwache. Ich liege in den Armen eines Elben, einem echten Wesen mit spitzen Ohren und einem unsterblichen Leben. Ich bin eine Albin. Herr Gott, dazu der Feind der Elben und doch lieben wir uns. Ich bin kein Mensch mehr. Verfluchte Scheiße. Ich bin eine Albin, wiederhole ich für mich selbst nochmal. Meine Ohren sind ebenfalls spitz. Spitze Ohren!!! Das ist … nicht verrückter als alles andere, was ich hier erlebe. Nie wieder werde ich in einem Café sitzen, einen Muffin mit Schokoglasur bestellen oder einen Kinofilm sehen. Dafür das Schwert schwingen und hoffen, dass sie eines Tages eine Dusche erfinden. Oh, noch besser eine Toilette. Was für eine Traumvorstellung. Crispins Nase reibt über meinen Nacken, lenkt mich ab. Ich spüre seine warmen Lippen, die einen leichten Kuss auf meine kühle Haut hauchen. Tausend Schmetterlinge fangen in meinem Bauch an, zu tanzen. Das wilde heiße Feuer in mir, ist in seiner Gegenwart eine warme friedliche Flamme, wie ein Drache, der sich zur Ruhe gelegt hat. Es fühlt sich richtig an, als sollte ich genau hier sein, bei ihm. Der Ring an meiner Hand, den Asta mir gegeben hat, weil er angeblich den Zauber der Elben unterbindet, ist fort. Mit ihm die Lügen. Er ist in den Höhlen geblieben oder ins Meer gespült worden, ich weiß es nicht. Tatsächlich hat dieses kleine Metallteil meine Erinnerungen zusammen mit dem verfluchten Trank blockiert. Sie haben mich und alles, was mich ausmacht, zerstören wollen. Das macht mir schreckliche Angst, denn sie hätten sicherlich Erfolg gehabt. Sie haben mich reingelegt. Mit Gewalt, wie ich jetzt weiß, aber dennoch ist mir bewusst geworden, dass auch eine dunkle Seite in mir wohnt. Eine, wäre mein Weg ein anderer gewesen, mein Ich hätte sein können. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, was Grimm heute Nacht mit mir vorgehabt hat. Hart schlucke ich und verbiete mir, diesen Gedanken weiterzuführen. Crispin ist rechtzeitig bei mir gewesen, das ist alles, was zählt. Er hat es verhindert. Seine Küsse werden all das fortspülen, was Grimm hinterlassen hat. Die Kälte, die Verzweiflung … Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie hart und brutal er und sein Vater sein können. Zahlreiche blaue Flecke auf meinem Körper sprechen Bände. Ich erinnere mich wieder, wie ich gegen sie gekämpft habe, doch ich bin zu schwach gewesen. Einzig mit einem Stab aus Holz habe ich mich ihnen gegenübergestellt. Glühend und lodernd brodelt der Hass in mir, wenn ich an Asta denke. Hass ist ein starkes Gefühl. Mächtig. Er verdient schlimmeres als den Tod.
Mein Blick wandert hinauf. Ich blinzle einige Male. Nach dem Sprung von den Felsen, auf der Flucht vor der Chimäre ins aufgewühlte Meer, harren wir also weiter aus, bis Crispin Vernunft annimmt oder ein Wunder geschieht. Beides soll mir recht sein, obwohl ich das Wunder bevorzuge. Wir haben so viel geschafft, es wäre unfair, wenn es jetzt endet. Nicht so. Aber uns läuft die Zeit davon. »Crispin?« Meine Stimme klingt heiser. Ich unterdrücke ein weiteres schmerzvolles Stöhnen.
»Ja, kleiner Schmetterling?« Sofort richtet er sich auf, winkelt seine Arme an, wirkt sehr besorgt, während ich mich ihm zudrehe. Er ist so stark. Ich hasse es, Angst in seiner Stimme zu erkennen. Durch mich hat er dieses Gefühl erst kennengelernt. Jemand wie er hat keine Angst. Nicht so, wie er sie ausstehen hat müssen. Er hat nie eine Gefährtin gewollt, weil es seine Schwachstelle wäre, und selbst damit behält er recht. Hier bin ich und all das zeigt, dass seine Befürchtung wahr geworden ist. Ich schwäche ihn, und genau das werden sich seine Gegner zunutze machen. Eine feuchte Strähne fällt ihm in sein markantes Gesicht, auf dessen Wangen sich ein dunkler Bartschatten gebildet hat und von Kratzern übersät ist. Es verleiht ihm etwas Gefährliches und Hartes, was mein Herz noch ein wenig mehr klopfen lässt. Trotz meiner Schmerzen kann ich nicht umher, festzustellen, wie attraktiv er ist. Er hat seine Tunika, so gut es geht, um meinen Rumpf gebunden, um die Blutung zu stoppen. Wenn ich ihm Glauben schenken darf, hat die Heilung bereits begonnen. Es fühlt sich nicht so an, aber mein Vertrauen hat er. Albe und Elben heilen schneller, dem Himmel sei Dank. Ein dünnes, rotes Rinnsal treibt trotzdem noch vom Felsen ins Meer. Bei meinem Glück wimmelt es gleich vor Haien. Mörderische Fegoria-Monsterhaie. Ich bin sicher, so etwas gibt es hier. Die Krallen der Chimäre haben mich schwer erwischt, doch immerhin haben wir ebenfalls eines dieser Biester in die ewigen Jagdgründe schicken können. Ich bin zwar ein echter Tierfreund, doch bei diesem Vieh hört es wirklich auf.
»Du musst gehen und mich zurücklassen, das muss dir bewusst sein, Crispin. Wenn wir beide bleiben, sterben wir. Noch schlimmer: Grimm oder die Chimäre entdecken uns«, flüstere ich, schaue ihm direkt ins Gesicht … Wobei mir ein schneller Tod durch die Chimäre lieber wäre als eine Ewigkeit mit Grimm. Crispin presst mürrisch die Lippen aufeinander, seine Miene nimmt einen störrischen Ausdruck an. Er wird nicht