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so stur wie ein al­ter Och­se. Es macht mich wü­tend und glü­cklich zu­gleich. Ich möch­te nicht von ihm ge­trennt sein, will je­doch, dass er sich ret­tet. Nur er allein hät­te ei­ne rea­le Chan­ce zu über­le­ben. Aber nein, nun sit­zen wir bei­de hier fest, denn mei­ne Ver­let­zung hin­dert mich da­ran, durch das auf­ge­wühl­te Meer an Land zu kom­men. Er wird kei­nes­wegs pa­cken, mich bis da­hin mit­zu­neh­men, völ­lig gleich, was er be­haup­tet. Ich er­zit­te­re. Sein Körper schafft es nicht, mich zu wär­men, der kal­te Wind und das Meer sind ei­ne un­er­bitt­li­che Kom­bi­na­tion, die ge­gen ihn ar­bei­tet. Vor al­lem da ihm nicht mal ein Hemd ge­blie­ben ist, weil ich es tra­ge. Nicht, dass es et­was nützt, im Ge­gen­teil, es ist so­gar trie­fend nass.

      Gna­den­los sorgt die raue See da­für, dass wir nicht wirk­lich trock­nen. Das Salz fühlt sich un­an­ge­nehm auf mei­ner Haut an. Der Kampf mit der Chi­mä­re, oben im Schloss, hat uns bis an un­se­re Gren­zen ge­bracht. Auch ihm mer­ke ich die Stra­pa­zen deut­lich an. Er ist nicht we­ni­ger zer­schun­den als ich. Sein Bein, bis auf die Mus­keln auf­ge­trennt, heilt eben­so dürf­tig wie mein Rü­cken, doch er be­schwert sich un­ter kei­nen Um­stän­den. Nie. Seit Stun­den ver­har­ren wir hier. Je­den­falls ge­he ich von Stun­den aus, ei­ne Uhr gibt es nicht. Zeit hat hier ei­ne an­de­re Be­deu­tung. Die Son­ne steht hoch am Himmel, die Nacht ist längst vor­bei, doch die Ge­fahr nicht, sie ist greif­bar. Ei­ne Uhr … In ganz Fe­go­ria kennt man sie nicht, aber ich er­in­ne­re mich wie­der an ei­ne Welt, in der es Uhren gibt, de­ren Zei­ger uns un­er­bitt­lich ja­gen, un­se­re Ta­ge pla­nen und für ei­nen geord­ne­ten Ab­lauf sor­gen. Das fehlt mir. Doch hier, in die­ser frem­den Welt, läuft es an­ders. Ich er­in­ne­re mich nicht an alles aus die­ser Welt, doch es wird immer mehr. Cri­spin sagt, es lä­ge an ei­nem Trank, den sie mir ver­ab­reicht ha­ben. Die Wir­kung wird gänz­lich ver­schwin­den, so­bald mein Körper sich re­ge­ne­riert hat. Bald – ei­ni­ge Stun­den, viel­leicht Ta­ge, dann wer­de ich wie­der alles wis­sen. Sein Wort in Got­tes Ohr.

      Wenn ich die letz­ten Stun­de Re­vue pas­sie­ren las­se, ist es ein Wun­der, dass wir bei­de über­haupt noch le­ben. Da­raus kann ich nur schlie­ßen, dass er recht be­hält und die Göt­ter Plä­ne mit uns ha­ben. Ob sie so gut sind, wa­ge ich nicht, zu ur­tei­len. Aber wie heißt es so schön, die Hoff­nung stirbt zu­letzt, oder? Mei­ne Ge­dan­ken schwei­fen um­her. Tief zie­he ich die sal­zi­ge Luft in mei­ne Lun­gen. Mein Le­ben hat sich so sehr ver­än­dert. Es ist wie ein fer­ner, un­wirk­li­cher Traum und manch­mal ha­be ich Angst, dass ich ein­fach er­wa­che. Ich lie­ge in den Ar­men ei­nes El­ben, ei­nem ech­ten We­sen mit spit­zen Oh­ren und ei­nem un­ster­bli­chen Le­ben. Ich bin ei­ne Al­bin. Herr Gott, da­zu der Feind der El­ben und doch lie­ben wir uns. Ich bin kein Mensch mehr. Ver­fluch­te Schei­ße. Ich bin ei­ne Al­bin, wie­der­ho­le ich für mich selbst noch­mal. Mei­ne Oh­ren sind eben­falls spitz. Spit­ze Oh­ren!!! Das ist … nicht ver­rück­ter als alles an­de­re, was ich hier er­le­be. Nie wie­der wer­de ich in ei­nem Café sit­zen, ei­nen Muf­fin mit Scho­kog­la­sur be­stel­len oder ei­nen Ki­no­film se­hen. Da­für das Schwert schwin­gen und hof­fen, dass sie ei­nes Tages ei­ne Du­sche er­fin­den. Oh, noch bes­ser ei­ne Toi­let­te. Was für ei­ne Traum­vor­stel­lung. Cri­spins Na­se reibt über mei­nen Na­cken, lenkt mich ab. Ich spü­re sei­ne war­men Lip­pen, die ei­nen leich­ten Kuss auf mei­ne küh­le Haut hau­chen. Tausend Schmet­ter­lin­ge fan­gen in mei­nem Bauch an, zu tan­zen. Das wil­de hei­ße Feu­er in mir, ist in sei­ner Ge­gen­wart ei­ne war­me fried­li­che Flam­me, wie ein Dra­che, der sich zur Ru­he ge­legt hat. Es fühlt sich rich­tig an, als soll­te ich ge­nau hier sein, bei ihm. Der Ring an mei­ner Hand, den As­ta mir ge­ge­ben hat, weil er an­ge­blich den Zau­ber der El­ben un­ter­bin­det, ist fort. Mit ihm die Lü­gen. Er ist in den Höh­len ge­blie­ben oder ins Meer ge­spült wor­den, ich weiß es nicht. Tat­säch­lich hat die­ses klei­ne Me­tall­teil mei­ne Er­in­ne­run­gen zu­sam­men mit dem ver­fluch­ten Trank blo­ckiert. Sie ha­ben mich und alles, was mich aus­macht, zers­tö­ren wol­len. Das macht mir schre­ckli­che Angst, denn sie hät­ten si­cher­lich Er­folg ge­habt. Sie ha­ben mich rein­ge­legt. Mit Ge­walt, wie ich jetzt weiß, aber den­noch ist mir be­wusst ge­wor­den, dass auch ei­ne dunk­le Sei­te in mir wohnt. Ei­ne, wä­re mein Weg ein an­de­rer ge­we­sen, mein Ich hät­te sein kön­nen. Mir wird schlecht bei dem Ge­dan­ken, was Grimm heu­te Nacht mit mir vor­ge­habt hat. Hart schlucke ich und ver­bie­te mir, die­sen Ge­dan­ken weiter­zu­füh­ren. Cri­spin ist recht­zei­tig bei mir ge­we­sen, das ist alles, was zählt. Er hat es ver­hin­dert. Sei­ne Küs­se wer­den all das fort­spü­len, was Grimm hin­ter­las­sen hat. Die Käl­te, die Ver­zweif­lung … Ich weiß aus ei­ge­ner Er­fah­rung, wie hart und bru­tal er und sein Vater sein kön­nen. Zahl­rei­che blaue Fle­cke auf mei­nem Körper spre­chen Bän­de. Ich er­in­ne­re mich wie­der, wie ich ge­gen sie ge­kämpft ha­be, doch ich bin zu schwach ge­we­sen. Ein­zig mit ei­nem Stab aus Holz ha­be ich mich ih­nen ge­gen­über­ge­stellt. Glü­hend und lo­dernd bro­delt der Hass in mir, wenn ich an As­ta den­ke. Hass ist ein star­kes Ge­fühl. Mäch­tig. Er ver­dient schlim­me­res als den Tod.

      Mein Blick wan­dert hin­auf. Ich blinz­le ei­ni­ge Ma­le. Nach dem Sprung von den Fel­sen, auf der Flucht vor der Chi­mä­re ins auf­ge­wühl­te Meer, har­ren wir al­so weiter aus, bis Cri­spin Ver­nunft an­nimmt oder ein Wun­der ge­schieht. Bei­des soll mir recht sein, ob­wohl ich das Wun­der be­vor­zu­ge. Wir ha­ben so viel ge­schafft, es wä­re un­fair, wenn es jetzt en­det. Nicht so. Aber uns läuft die Zeit da­von. »Cri­spin?« Mei­ne Stim­me klingt hei­ser. Ich un­ter­drü­cke ein wei­te­res schmerz­vol­les Stöh­nen.

      »Ja, klei­ner Schmet­ter­ling?« So­fort rich­tet er sich auf, win­kelt sei­ne Ar­me an, wirkt sehr be­sorgt, wäh­rend ich mich ihm zu­dre­he. Er ist so stark. Ich has­se es, Angst in sei­ner Stim­me zu er­ken­nen. Durch mich hat er die­ses Ge­fühl erst ken­nen­ge­lernt. Je­mand wie er hat kei­ne Angst. Nicht so, wie er sie aus­ste­hen hat müs­sen. Er hat nie ei­ne Ge­fähr­tin ge­wollt, weil es sei­ne Schwach­stel­le wä­re, und selbst da­mit be­hält er recht. Hier bin ich und all das zeigt, dass sei­ne Be­fürch­tung wahr ge­wor­den ist. Ich schwäche ihn, und ge­nau das wer­den sich sei­ne Geg­ner zu­nut­ze ma­chen. Ei­ne feuch­te Sträh­ne fällt ihm in sein mar­kan­tes Ge­sicht, auf des­sen Wan­gen sich ein dunk­ler Bart­schat­ten ge­bil­det hat und von Krat­zern über­sät ist. Es ver­leiht ihm et­was Ge­fähr­li­ches und Har­tes, was mein Herz noch ein we­nig mehr klop­fen lässt. Trotz mei­ner Schmer­zen kann ich nicht um­her, fest­zu­stel­len, wie at­trak­tiv er ist. Er hat sei­ne Tu­ni­ka, so gut es geht, um mei­nen Rumpf ge­bun­den, um die Blu­tung zu stop­pen. Wenn ich ihm Glau­ben schen­ken darf, hat die Hei­lung be­reits be­gon­nen. Es fühlt sich nicht so an, aber mein Ver­trauen hat er. Al­be und El­ben hei­len schnel­ler, dem Himmel sei Dank. Ein dün­nes, ro­tes Rinn­sal treibt trotz­dem noch vom Fel­sen ins Meer. Bei mei­nem Glück wim­melt es gleich vor Hai­en. Mör­de­ri­sche Fe­go­ria-Mons­ter­haie. Ich bin si­cher, so et­was gibt es hier. Die Kral­len der Chi­mä­re ha­ben mich schwer er­wischt, doch immer­hin ha­ben wir eben­falls ei­nes die­ser Bies­ter in die ewi­gen Jagd­grün­de schi­cken kön­nen. Ich bin zwar ein ech­ter Tier­freund, doch bei die­sem Vieh hört es wirk­lich auf.

      »Du musst ge­hen und mich zurück­las­sen, das muss dir be­wusst sein, Cri­spin. Wenn wir bei­de blei­ben, ster­ben wir. Noch schlim­mer: Grimm oder die Chi­mä­re ent­de­cken uns«, flüs­te­re ich, schaue ihm direkt ins Ge­sicht … Wo­bei mir ein schnel­ler Tod durch die Chi­mä­re lie­ber wä­re als ei­ne Ewig­keit mit Grimm. Cri­spin presst mür­risch die Lip­pen auf­ein­an­der, sei­ne Mie­ne nimmt ei­nen stör­ri­schen Aus­druck an. Er wird nicht

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