Скачать книгу

Welt, wer­de ich dir fol­gen. Dann soll es so sein. Ich bin all das leid. Die­se Sor­ge, die Äng­ste und die Schmer­zen, die du er­dul­den musst. Es ist mir gleich, was mit mir ge­schieht, Ali­ce, aber ich kann es nicht er­tra­gen, dich ge­pei­nigt zu se­hen. Sie fü­gen mir kei­ne körper­li­chen Schmer­zen zu, doch wenn ich weiß, dass du lei­dest, ver­letzt es mich an an­de­rer Stel­le.« Er zeigt auf sein Herz. Mein Mund ist nur noch ei­ne har­te Li­nie. Ich sa­ge ja, er wird nicht nach­ge­ben.

      »Ge­nau, wir wer­den auch ster­ben, wenn du nicht zur Ver­nunft kommst. Wir bei­de, Cri­spin. Du kannst es schaf­fen, ich nicht. Sei doch mal ei­ne Se­kun­de rea­lis­tisch. Dein Volk braucht dich. Mein Rü­cken … Ich glau­be, das Vieh hat et­was Wich­ti­ges ka­putt­ge­macht. Mei­ne Mus­keln …«

      »Das wird hei­len, Ali­ce. Du bist ei­ne Al­bin. Das bringt dich nicht um. Es re­ge­ne­riert be­reits, das ha­be ich dir längst mit­ge­teilt. Gib dir noch et­was mehr Zeit. Wir ha­ben es so weit ge­bracht. Reiß dich zu­sam­men, ver­flucht. Du bist ei­ne Krie­ge­rin, du bist stark. Ja, mein Volk zählt auf mich, aber was brau­che ich? Ich ken­ne die Ant­wort und des­we­gen bin ich hier, nicht bei mei­nem Volk, al­so be­las­se es da­bei. Du bist ro­bust, das wis­sen wir bei­de. Dein Über­le­ben ist re­le­vant für mich und un­se­re Zu­kunft. Für die Zu­kunft Fe­go­ri­as. Auf­ge­ben kommt für je­man­den wie dich nicht in­fra­ge. Ent­täu­sche mich nicht.«

      Ich la­che auf. »Und so lan­ge willst du hier aus­har­ren? Ta­ge? Wir ha­ben die­se Zeit nicht, du Stur­kopf. Ach was, ein Esel bist du. Du kannst noch so sehr drauf be­har­ren, dies­mal bist du im Un­recht, was du eigent­lich weißt, du willst es nur kei­nes­falls zu­ge­ben. Die­sen Kampf wirst du nicht ge­win­nen. Die­ses Mal nicht. Lass mich zurück und ret­te dich. Meinst du nicht, sie wer­den uns frü­her oder spä­ter auch hier su­chen? So viel Zeit kann Elil uns kaum ver­schaf­fen.« Cri­spins Augen schei­nen Blit­ze zu ver­sprü­hen. Er beißt die Zäh­ne fest auf­ein­an­der, mahlt sie ge­ra­de­zu. Mu­tig stre­cke ich mei­ne Hand aus und strei­che dem Mann, den ich vor Stun­den noch für mei­nen Wi­der­sa­cher ge­hal­ten ha­be, die wi­der­spens­ti­ge Sträh­ne aus dem Ge­sicht. Alles in mir schreit da­nach, ihn zu küs­sen, ihm die­sen stör­ri­schen Aus­druck vom Ge­sicht zu wi­schen. Mein Körper ver­zerrt sich nach ihm.

      »Es ist nicht an der Zeit, uns vo­nei­nan­der zu ver­ab­schie­den, Ali­ce. Egal, was du sagst, es wird mei­ne Mei­nung nicht än­dern. Dann ster­ben wir hier, ge­mein­sam.«

      Es fühlt sich ver­traut an, ihn zu be­rüh­ren. Ich möch­te nichts lie­ber, als für immer in sei­nen Ar­men lie­gen. Sei­ne Brust hebt und senkt sich schnell. Er ist ver­är­gert. Sau­er auf mich, er­bost auf die Welt und ver­mut­lich da­rauf, dass ich recht ha­be. Ver­steht er denn nicht, dass ich nicht auf­ge­ben, son­dern ihn ret­ten will, so wie er mich stets ret­tet? Wa­rum räumt er sich die­ses Recht ein und ver­wehrt es mir? An ihm se­he ich eben­so Spu­ren des Kamp­fes: sei­ne zer­ris­se­ne Ho­se, die mit rost­ro­ten Fle­cken über­sät ist, sei­ne auf­ge­platz­te Lip­pe, das blau un­ter­lau­fe­ne Au­ge, wel­ches je­dem Preis­boxer Eh­re ma­chen wür­de. All die Bles­su­ren und Krat­zer, ver­teilt auf sei­nem mus­ku­lö­sen Körper, den ein Bild­hau­er nicht bes­ser hät­te er­schaf­fen kön­nen, und doch wirkt er stark und un­er­schüt­ter­lich. Lei­der auch wild ent­schlos­sen. Grimm, die­ser ver­fluch­te … Was wä­re pas­siert, wä­re ich län­ger dort­ge­blie­ben? Wä­re aus mir eben­so ein Mons­ter ge­wor­den, wie er ei­nes ist? Wä­re ich ver­lo­ren ge­we­sen? Mit mir all das, wo­für wir kämp­fen wol­len? Ich emp­fin­de Scham, wie ich mit den zwei Al­ben ge­spro­chen ha­be, die zu mei­ner Fa­mi­lie ge­hö­ren. Fa­mi­lie. Ich ha­be hier An­ge­hö­ri­ge mei­nes Blu­tes. Ich bin nicht allein. Was re­de ich, je­nes bin ich so­wie­so nicht. Cri­spin, Ci­an, No­am. Sie sind eben­so mei­ne Fa­mi­lie wie All­ia­ria und Elil. Die Er­in­ne­run­gen schmer­zen. Je­de, die wie­der­kehrt, ist ein Dolch­stoß in mein Herz.

      Ich schaue dem Mann in die Augen, zu dem ich mich so hin­ge­zo­gen füh­le und der mich mo­men­tan schre­cklich wü­tend macht, weil er nicht hö­ren will. Ge­ra­de, als er et­was er­wi­dern will, lässt uns ei­ne Stim­me zu­sam­men­zu­cken. »Stö­re ich?« Ei­ne weib­li­che Stim­me, die verg­nügt klingt, er­tönt. Ich fah­re er­schro­cken he­rum. Vio­let­te Augen fun­keln mich an, ge­hö­ren zu ei­ner bild­schö­nen grün­haa­ri­gen Frau, die sich mit den El­len­bogen auf dem Fel­sen ab­stützt. Ob­wohl die Wel­len un­ge­bän­digt peit­schen, wirkt es bei ihr, als hät­te sie nicht an­satz­wei­se Schwie­rig­kei­ten, sich dort zu hal­ten. Ele­gant streckt sie ih­re lan­gen Ar­me von sich, ehe sie ih­ren Kopf in die Hand­flä­chen legt und uns da­bei lie­blich zu­blin­zelt.

      Ih­re ro­ten Lip­pen öff­nen sich zu ei­nem Lä­cheln, ent­blö­ßen spit­ze Zäh­ne, die mich er­schau­dern las­sen. Ich rücke von ihr ab. Ei­ne Ni­xe oder täu­sche ich mich? Mei­ne Mutter ist wie sie ge­we­sen und doch frös­telt es mich bei ih­rem An­blick. Un­will­kür­lich glei­te ich mit mei­ner Zun­ge an mei­nen Zäh­nen ent­lang. Gott sei Dank er­tas­te ich nichts Spit­zes. Wo kommt sie plötz­lich her? Wer ist sie? Ei­ne Flos­se lugt hin­ter ihr aus dem Was­ser. Mei­ne Augen wei­ten sich über­rascht. Ja, ich ha­be recht, ei­ne Ni­xe. Dun­kel er­in­ne­re ich mich an die Schlacht in Escher und an Hän­de, die Orks ins Was­ser ge­zo­gen ha­ben. Es schüt­telt mich aber­mals. Ni­xen sind ge­fähr­lich. Das sind Ke­la­lans Wor­te ge­we­sen, als er mir die We­sen Fe­go­ri­as er­klärt hat. Mei­ne Mutter ist nicht ge­fähr­lich ge­we­sen, oder? Wo­bei, hier in Fe­go­ria ist je­der ein po­ten­ziel­ler Feind.

      »Ich ge­ste­he, euch zu­zu­se­hen, ist ir­gend­wie er­otisch und be­schä­mend zu­gleich. Ihr wirkt so ver­zwei­felt, wollt euch für den an­de­ren auf­opfern und den­noch sind die Bli­cke zwi­schen euch glü­hend. Was ge­schieht nun? Paart ihr euch? Ich ha­be nicht so recht ge­wusst, wann ich in eu­ren Kampf ge­gen das Er­trin­ken ein­grei­fen soll. Das Be­ob­ach­ten hat mich amü­siert, wenn ich ehr­lich bin. Ich lie­be es, da­bei zu­zu­se­hen, wie ei­nem We­sen die Luft aus­geht, das Herz all­mäh­lich auf­hört zu schla­gen, und sie lang­sam un­ter­ge­hen, um den Meeres­tie­ren Nah­rung zu bie­ten. Ein wun­der­ba­res Schau­spiel. Es er­quickt mich je­des Mal. Eu­re dün­nen schwa­chen Bein­chen, wie sie ge­zap­pelt ha­ben … Ihr seid so hil­flos im Was­ser.« Sie blickt mich aus ova­len Augen an. »Von dir ha­be ich mehr er­war­te, Tochter des Meeres. Immer­hin tei­len wir uns glei­ches Blut. Wie auch immer, ihr habt es ja ge­meis­tert, ob­wohl ich mir et­was mehr Zeit als nö­tig ge­las­sen ha­be.« Lan­ge schlan­ke Fin­ger mit kral­le­nar­ti­gen Nä­geln krat­zen vor mir klei­ne Stei­ne vom Fel­sen und ver­ur­sa­chen da­bei ein Ge­räusch, wel­ches mich noch nä­her an Cri­spin he­ran rut­schen lässt.

      Crispin

      Mei­ne Ar­me schlie­ßen sich fes­ter um Ali­ce‘ zier­li­chen Körper. Es fühlt sich be­frie­di­gend an, wie sie sich nä­her an mich drückt, wäh­rend ich Triel nicht aus den Augen las­se. Die­se mus­tert Ali­ce ein­dring­lich, ehe sie sich mir zu­wen­det. Sie leckt sich über die spit­zen Zäh­ne, mus­tert mei­nen Körper un­ge­niert von Kopf bis Fuß. Mich lässt dies zwar kalt, aber Ali­ce ver­spannt sich merk­lich. »Oh, was für ein schö­ner Mann du bist. Nackt noch schö­ner als in Rüs­tung ver­hüllt. All die­se har­ten Mus­kel­strän­ge … Äu­ßerst ap­pe­tit­lich und viel­ver­spre­chend. Da hat sich das War­ten ge­lohnt, du Le­cker­bis­sen. Dein Glück, dass dei­ne Ge­fähr­tin da­bei ist, denn wir Ni­xen kön­nen im Lie­bes­spiel sehr über­zeu­gend sein. Das ver­gisst kein Mann so schnell. Was müss­te ich tun, da­mit ich den Rest von dir se­hen darf?

Скачать книгу