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VERSUNKEN. Cheryl Kaye Tardif
Читать онлайн.Название VERSUNKEN
Год выпуска 0
isbn 9783958351479
Автор произведения Cheryl Kaye Tardif
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Nachmittag war im Schneckentempo vergangen. Marcus hatte mit der Kindle App für sein iPhone ein E-Book über Schlafstörungen heruntergeladen und die Zeit zwischen den Notrufen damit verbracht, über Somniphobie zu lesen. Die Angst vor dem Schlafen – Leo war sich sicher, dass Marcus darunter litt.
Er gähnte und streckte unter dem kleinen Schreibtisch die Beine aus. Während der ersten drei Stunden seiner Schicht hatte das Telefon ganze drei Mal geklingelt, und keiner der Anrufer hatte einen Rettungswagen oder die Feuerwehr benötigt.
»Pussy Willow ist wieder da«, sagte Mrs. Mortimer, als sie zum zweiten Mal anrief. »Einer meiner Nachbarn war so nett, sie aus dem Ahornbaum zu locken. Sie haben sie bestochen, und zwar …«
»Vielen Dank, dass Sie zurückrufen«, unterbrach sie Marcus sofort, »aber die 911 ist nur für dringende Notfälle da, Mrs. Mortimer.«
»Es ist ja ein Notfall. Denn ich wollte nicht, dass Sie extra die Feuerwehr losschicken müssen.«
Marcus biss die Zähne zusammen. »Danke, Mrs. Mortimer.«
»Ach, gern geschehen. Machen Sie sich noch einen schönen Tag, ja?«
Er musste grinsen.
Der dritte Anruf war ein Fehlalarm gewesen. Irgendein Kind hatte in der Grundschule den Feuermelder ausgelöst. Die Lehrer und Angestellten hatten die Schule daraufhin gewissenhaft abgesucht und nichts gefunden – weder Rauch noch Feuer. Das war einer der erfreulichen Notrufe.
»Zeit fürs Abendessen«, sagte Leo hinter ihm.
»Du kannst anscheinend Gedanken lesen.«
Leo und Marcus machten am liebsten um siebzehn Uhr Pause, wohingegen die freien Mitarbeiter Carol und Ruby immer um achtzehn Uhr essen gingen. Die beiden fünfzehnminütigen Kaffeepausen arrangierten sie auf die gleiche Art. Falls es in der Pausenzeit einmal ein größeres Unglück gab, liefen Leo und Marcus sofort wieder zu den Telefonen.
Marcus folgte Leo in den kleinen Pausenraum, der sich durch kahle Wände und wild zusammengewürfelte Stühle auszeichnete. Er schnappte sich eine Plastikschachtel aus dem Kühlschrank und stellte sie in die Mikrowelle.
»Hast du dir was Gutes mitgebracht?«, fragte Leo mit hungriger Stimme.
»Einen Rest Lasagne.«
»Das ist jetzt schon das dritte Mal in drei Tagen, Marcus.«
»Na, Italiener sollen doch angeblich Pasta lieben.«
Leo schaute ihn finster an. »Aber keine drei Tage alte Lasagne. Außerdem hatte ich gehofft, dass du eins von deinen tollen Essen gemacht hast.«
Es war kein Geheimnis, dass Marcus gerne kochte. Stundenlang klickte er sich durch das Kabelfernsehen, um ein neues gutes Rezept aufzuspüren. Er sah sich Gordon Ramsey, Jamie Oliver und noch ein paar andere Köche an und tüftelte dann seine eigenen Rezepte aus, in denen frische Kräuter und viel Gemüse eine große Rolle spielten. Je nach Schicht kochte er morgens oder abends. Es lag fast schon Magie darin, in den frühen Morgenstunden, bevor die Sonne aufging und während die Nachbarn noch alle schliefen, etwas äußerst Schmackhaftes zu kochen.
Mit der heißen Lasagne in der Hand setzte er sich an den einzigen Tisch im Pausenraum: Ein verzogenes Stück Hartplastik mit krummen Metallbeinen, von denen einer sogar auf einem Stück Pappe stand. Als Leo sich ihm gegenübersetzte, rutschte Marcus mit seinem Stuhl hin und her, bis die Stuhlbeine in die Rillen des alten Linoleums glitten.
Er aß einen Bissen Lasagne und fragte dann: »Und was gibt's bei dir, Leo?«
»KFC.« Leo hielt eine knusprig gebratene Hähnchenkeule hoch.
Marcus lachte. »Schon wieder? Ist das nicht, was du schon die letzten drei Tage gegessen hast?«
»Kentucky Fried Chicken.«
Leo hatte eine Schwäche für Brathähnchen. Marcus machte sich Sorgen, dass Leo und seine Arterien durch all das Fett eines Tages Probleme bekommen würden. Der Mann war bereits übergewichtig. Das Wort Sport gab es in Leos Wortschatz nicht, sofern das ans Ohr halten eines Handys auf dem Nachhauseweg, um sich eine Pizza zu bestellen, nicht dazuzählte.
Aber Leo begeisterte sich für Marcus' Kochkunst.
Immerhin einer, dachte Marcus.
»Du und Val solltet Montagabend zu mir zum Essen kommen. Vor der Arbeit.«
»Vielleicht klappt's. Eventuell haben wir an dem Abend schon was vor.«
»Wie, ihr beiden habt ein heißes Date?«
»Quatsch, Mann.«
»Und warum wirst du dann rot? Was ist los?«
»Val will es wieder versuchen.«
»Was versuchen?«
Leo lehnte sich zu ihm über den Tisch. »Sie will ein Kind.«
»Aha, und Montag ist da vielversprechend?«
»Ja. Die Nacht der Liebe.«
Marcus grinste. »Und wieso klingst du alles andere als begeistert?«
»Ach, das ist alles so … ich weiß nicht … so geplant. Verstehst du? Es fühlt sich an, als ob der Gynäkologe hinter uns steht und uns Anweisungen gibt, was wir wie lange wohin stecken sollen.«
»Wie, das hast du noch nicht selbst rausgefunden?«
Verärgert biss Leo in seine Hähnchenkeule. »Hey, hör auf zu lachen. Das ist nicht lustig. Ein Kind zu zeugen macht einem ganz schön Druck.«
»Na, immerhin kannst du poppen.«
Tief in Leos mächtiger Brust grummelte ein Lachen. »Ja, das schon.«
Marcus kratzte den letzten Rest Lasagne aus seinem Frischhaltebehälter. »Du hast es gut, Leo.«
»Das weiß ich doch.«
Marcus betrachtete seinen Freund. Leo würde garantiert einen prima Vater abgeben. Einen von der Sorte, der immer da ist und sein Kind stets unterstützt.
Und verhüte Gott, dass irgendwer so blöd ist, sein Kind zu schikanieren.
»Was starrst du mich so an?«
»Ich stelle mir dich gerade mit einem Sohn im Teenageralter vor.«
Leo strahlte. »Mit einem Sohn? Meinst du, ich werde einen haben?«
»Klar, das wird ein großer starker Junge wie du. Redet dann auch so wie du. Wir werden ihn Klugscheißer Junior nennen. Oder was denkst du?«
»Redest du etwa mit mir?«, sagte Leo mit seiner besten De Niro-Stimme.
Marcus lachte. »Ja, ich rede mit dir.« Er streckte kurz seine langen Beine aus und ging dann zur Spüle, um den leeren Essensbehälter auszuwaschen.
»Kommst du heute Abend zum Treffen?«, fragte Leo, der sich die fettigen Finger leckte.
»Weiß ich noch nicht.«
»Marcus …«
Am Boden des Lasagnebehälters klebte noch ein Stück Zwiebel, und Marcus verbrachte eine Minute damit, es mit dem Fingernagel loszukratzen. So musste er wenigstens nicht die Missbilligung sehen, die er im Blick seines Freundes erahnte.
Leo grunzte. »Das ist dann schon die zweite Woche, in der du nicht kommst. Das ist nicht gut.«
»Na, wer zählt denn schon mit – außer dir?«
»Du solltest es.«
Marcus legte den Behälter zum Trocknen auf ein Geschirrtuch und wandte sich dann zu Leo. »Mann, guck nicht so sauer, alles ist in Ordnung.«
»Ist es das? Wie ich schon sagte, du siehst ziemlich fertig aus.«
Marcus seufzte übertrieben. »Also gut, ich komme. Bist du nun zufrieden?«
»Ja, so zufrieden wie eine Ratte im