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machen — und das will ich nit!“ Zum erstenmal hatte sie Storkow voll angesehen, und unter dem Blick dieser grossen, schönen Augen hatte dieser ein Entzücken empfunden, das ihn verwirrte.

      Aber auch ihr erging es seltsam — zum erstenmal sahen sie sich ja beide im strahlenden Morgenlicht, und sie war betroffen von dem leuchtenden Blau seiner Augen, der rassigen, feingeformten Nase in dem frischbraunen Gesicht.

      „Berlin ist meine Vaterstadt — Wien kenne ich leider nicht“, sagte Storkow. „Es heisst immer, wir hätten keine Kultur, und doch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Wiener, die sich hier erst einmal richtig eingelebt, nicht wieder mit der Donaustadt tauschen würden. Ich glaube, es kommt auf die Kreise an, in denen man hier leben muss, um Berlin liebzugewinnen!“

      „Ja — gewiss! Aber die Luft ist hier zu scharf — sie entstellt, verstehn’s mich recht, Herr Graf!“

      Aber er verstand sie nicht gleich, doch Schweighofer kam ihm zu Hilfe. „Die Luft fürs Herz — meint die Jenny, nicht für die Lunge. Und nun werden Sie denken, ich red’ a schön’ Ballawatsch zusammen; denn ein Herz braucht ka Luft! O doch — es hat Kämmerlein, sehen’S, lieber Graf, und die müssen auch mal ausgelüft’t werden. Kennen’S nicht das schöne Lied:

      ’s Herz ist ein spassig Ding ...“

      Wehmütig summte er die Melodie vor sich hin.

      „Trotzdem“, sagte Storkow, „hier schlagen Ihnen alle Herzen entgegen — das müsste Ihnen doch wohltun — —“

      Schweighofer sah ihn kritisch an. „Ja — — die Berliner sind herzige Leut’! Für alles, was nit in ihrer Stadt gewachsen ist, haben’s eine sehr grosse Schwäche. Aber, wie ist’s, Jenny, die Schokolad’ ist nix wert, — soll ich was anderes bestellen?“

      „Danke — nein, ich muss ja gehen — die Blanka kann’s nicht vertragen, wenn ich mich verspäte. Ich geh’ jetzt also — dank’ dir schön, Felix, hoffentlich führt uns der Zufall wieder einmal so zusammen!“ Sie griff nach ihrem Gebetbuch und den Handschuhen und erhob sich.

      „Aber, nein, Jenny, — hast ja noch lange Zeit!“

      „Lassen sich die Herren nicht stören — ich muss heim. Ist ja viel später geworden, als ich gedacht hab’! Vor der Türe nehm’ ich gleich einen Fiaker!“

      „Oh, du mei! In Berlin einen Fiaker“, lachte Schweighofer.

      „Dürfte ich Ihnen nicht behilflich sein, Gnädigste?“

      „Danke, das macht der Herr Portier mit seiner Trillerpfeife — also adieu — adieu —!“

      Sie hatte beiden die Hand gereicht und war rasch der Treppe zugeschritten.

      Die Herren hatten wieder Platz genommen, und Storkow fragte jetzt so nebenbei: „Fräulein Erdösy war in der Kirche — sie ist Katholikin?“

      „Ja — die Messe hat sie nie versäumt, auch in Wien nicht.“

      „Ich bewundere sie aufrichtig — nicht nur als Künstlerin!“

      „Ich bin gerad’ nicht stockblind“, sagte Schweighofer. „Aber, wenn ich mir einen guten Rat erlauben darf — die Jenny schlagen’s Ihnen aus dem Kopf, — reissen Sie alle Hoffnungen aus Ihrem Herzen. Die Jenny ist anders — die hat ein Ziel — und wird’s erreichen. Selbst für eine Grafenkrone gibt sie das nicht auf! In Wien nannten wir sie die Lilie!“

      „Diese Dame, von der sie vorhin sprach, ist eine Verwandte?“

      „Ah — nein! Die Blanka Mertini, wissen’S das nicht, Herr Graf? — ist bekannt als eine vorzügliche Lehrerin. Die hat halt a Narren an der Jenny gefressen — so ist das!“ Er hatte sein Zigarettenetui geöffnet und bot an; aber Storkow lehnte lächelnd ab.

      „Nein — ich rauche nur Zigarren — wenn ich mir erlauben dürfte —“, er hielt ihm die geöffnete Ledertasche hin.

      „Bauchgrimmen krieg’ ich, wenn ich die schwarzen Dinger sehe — wundere mich, dass man so etwas rauchen kann. Ja, wenn’s eine Virginia wär’!“

      Storkow lachte laut auf. „Ich wundere mich wieder, wie man an so einem Strohhalm nuckeln kann, und alle Augenblicke geht die Giftnudel aus!“

      „Muss alles verstanden sein — man muss erst dahinter kommen!“

      Und dann glitt das Gespräch auf anderes — auf Pferde, auf die Morgenritte im Tiergarten, auf die Reitbahn in der Luisenstrasse.

      Aber plötzlich blickte Schweighofer nach der Uhr und sagte ganz betroffen: „So spät schon — kann das stimmen? Ja, dann muss ich auch fort, hab’ ja eine Verabredung! Also, lieber Graf, war mir eine besondere Ehr’ — meine Hochachtung — —“

      „Ich gehe ja auch, — Kellner, zahlen!“

      Vor dem Café nochmaliges Händeschütteln — dann schlenderte Storkow nach der Behrenstrasse, um bei Siechen Mittag zu essen. Die jungen Offiziere seines Regiments hatten dort ihren Sonntags-Stammtisch, vielleicht, dass er v. Plesser antraf.

      Das Lokal war gefüllt — alle Tische besetzt, auch der kleine in der Ecke, der sonst für die Dragonerleutnants reserviert war. Freilich nur ein Herr sass dort — ein Zivilist, der wohl sehr bald gehen würde.

      „Gestatten?“

      „Bitte sehr!“

      Storkow nahm Platz — bestellte sein Essen. „Niemand hier gewesen, Franz?“

      „Nein, Herr Graf!“ Und der Kellner flüsterte ihm bedauernd zu, dass er bei dem unerwarteten Andrangs heute den Tisch nicht habe freihalten können.

      Während Storkow die Speisekarte las, fühlte er den forschenden Blick des fremden Herrn auf seinem Gesicht. Indigniert und hochmütig sah er ihn deshalb an; aber der Herr lächelte verbindlich und fragte: „Ich irre mich wohl nicht — die Familienähnlichkeit ist ja unverkennbar — habe ich die Ehre mit Graf Storkow?“

      „Und mit wem habe ich das — Vergnügen?“

      „v. Hilken — Justizrat! Ich bin der Rechtsbeistand der Gräfin Cäcilie Storkow.“

      „Meiner Tante — aber das ist doch eine alte Dame — ich wundere mich, dass Sie da eine — wie sagten Sie? — eine Familienähnlichkeit mit mir erkennen wollen.“

      „Und doch ist sie vorhanden — als Notar bin ich in die Familienverhältnisse des Hauses Storkow eingeweiht, kenne nach Photographien den Herrn Bruder Ihrer Tante — also Ihren Herrn Vater, und habe bei allen den gleichen Familienzug gefunden. Übrigens stehe ich auch mit dem Herrn Oberst in Briefwechsel.“

      „Sie werden keine grosse Freude daran haben“, sagte Storkow spöttisch. „Aber — es ist mir interessant, Sie nun auch persönlich kennenzulernen, Herr Justizrat!“

      „Und mir, dass ich Ihre Bekanntschaft gemacht habe; denn neulich abend wurde von Ihnen gesprochen — ein wundervoller Rosenstrauss war die Veranlassung!“

      Storkow, der gerade bei der Suppe war, liess erstaunt den Löffel sinken — starrte den Justizrat an.

      „Und wo war das, wenn ich fragen darf?“

      „In meinem Bekanntenkreis — bei der Musikpädagogin Blanka Mertini. Fräulein Eugenie Erdösy hatte die Blumen mitgebracht!“

      „Ich bin ein grosser Verehrer der jungen Künstlerin —“, suchte Starkow verlegen zu erklären.

      Der Justizrat nickte und sagte: „Aber, Herr Premierleutnant, lassen Sie das Essen nicht kalt werden.“ Denn der Kellner hatte eben den Hasenrücken mit Rotkohl serviert. „Ich habe schon gegessen — Sie sind hungrig!“

      „Das tut nichts — die Unterhaltung ist mir lieber als das ganze Essen —“

      „Nein — das könnte ich wirklich nicht verantworten, zumal ... Also, ich lese den ‚Kladderadatsch‘ und rauche meine Zigarre inzwischen.“

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