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wie dir zumute ist. Bloss, wie willst du jemals aus der Patsche herauskommen?“

      „Ich sehe keinen Ausweg — die Bluthunde haben mir ja schon mit Anzeige beim Oberst gedroht.“

      „Und dann?“

      „Dann werde ich eben geschasst.“

      „Und dann?“

      „Wird vielleicht noch alles gut. Zum Offizier muss man geboren sein — ich bin es nicht. Ich hätte Musik studieren sollen, aber ich musste mich fügen. Vielleicht hol’ ich noch nach, was ich verloren habe.“

      „Und — entschuldige — wovon willst du leben?“

      „Klavieruntericht! Ich heirate die Fanny — dann wird das Kind ehelich — und da sie ebensogut unterrichten kann wie ich, machen wir ein Musikinstitut auf! Je eher der Kladderadatsch kommt, desto besser für mich!“

      Sie waren vor Storkows Wohnung am Belle-Alliance-Platz angelangt.

      „Also — morgen früh wechsle ich und gebe dir den Rest zurück!“

      „Ja doch — gute Nacht, Eschendorff! Vielleicht gibt’s doch noch einen andern Ausweg!“

      „Ich will gar keinen — ich liebe das Mädel und das Kind viel zu sehr, und als Offizier hätte ich die Fanny niemals heiraten dürfen!“

      „Adieu!“

      Storkows Wohnung lag hochparterre. Im Dunkeln tastete er sich hinauf, entflammte dann oben vor der Tür ein Wachsstreichhölzchen, schloss auf. Die Petroleumlampe war schon zum Anzünden bereitgestellt, Glocke und Zylinder lagen daneben auf dem Tischchen im Korridor.

      Als sie brannte, trug er sie nach dem grossen Vorderzimmer, das er sich ebenso eingerichtet hatte wie die Stube daheim auf dem väterlichen Gute. Bis zur halben Höhe dunkel getäfelt — auf der hellen Tapete darüber ein paar Jagdgewehre, Geweihe und gerahmte Lithographien von englischen Rennpferden. In der Mitte stand ein schwerer, eichener Tisch. Nebenan war das kleine Schlafzimmer mit dem eisernen Feldbett; an den Wänden hingen Photographien in ovalen schwarzen Rahmen.

      Storkow schloss den Schrank auf. Ja — da hing der Dienstanzug für morgen früh, gebürstet und griffbereit — aber wo waren die Stiefel?“

      „Na — erst einmal das Räuberzivil herunter und ein bisschen bequem gemacht!“ In Hausschuhen ging er dann durch den Korridor nach der Küche.

      Da brannte wirklich noch Licht — ein kleines Lämpchen mit einem gelben Blender. Der Diener sass da, mit dem Kopf an die Wand gelehnt und schlief, den Mund weit offen.

      „Friedrich!“

      Aber der schlief viel zu fest und ermunterte sich nicht eher, als bis er ihn an der Schulter rüttelte. Da fuhr er jäh in die Höhe, suchte Haltung anzunehmen. „Z’Befehl, Herr Premierleutnant!“

      „Scher’ dich in die Falle — wie oft hab’ ich dir schon gesagt, du sollst nicht warten!“

      Beinahe wäre Storkow über die Schuhe und Stiefel gestolpert, die in langer Reihe neben dem Stuhl standen.

      „Alle gewichst! Etwa die Lackschuhe auch wieder? Ach nee, die hab’ ich ja eingeschlossen, damit das Malheur nicht noch einmal vorkommt. Stell’ genau die Weckeruhr und dann in die Federn — Lampe auspusten!“

      Er selber aber war viel zu munter, um ebenfalls zu Bett zu gehen. Eine Zigarre rauchend, sass er am Tisch und blickte auf die beiden Briefe, die dort lagen — sie zu öffnen, hatte er keine Lust. An der Handschrift und den Umschlägen sah er ja, von wem sie kamen — der eine von seinem jüngeren Bruder Fritz, der ihn mit seiner unglücklichen Liebe zu der Gutsnachbarin doch nur langweilte, der andere von Fifi, die ihm sicherlich Vorwürfe machte, dass er sie nicht mehr ausführte.

      Eine Klette —, dachte er, dass das Mädel nicht begreifen will, wie lange die Geschichte schon aus ist. Ein Wort seines Bruders fiel ihm ein: „Du gehst aus allen Affären heil heraus — dich macht keine unglücklich, nur du machst alle unglücklich — wehe dem armen Mädel, das sich mit dir einlässt!“

      Weil er nie geliebt hatte wie der Bruder Fritz, der stets an einen „Bund fürs Leben“ dachte. So spöttisch er eine solche völlige Hingabe beurteilte — heute, zum erstenmal in seinem Leben, hatte er empfunden, dass auch er dazu fähig sei. Vorhin, im Theater, als ihm „die Jenny“ die Hand gereicht.

      Ja — solch ein Mädchen — eine wirkliche Künstlerin, nicht eine Ballettratte wie die Fifi.

      Unwillkürlich hatte er nun doch nach dem Briefe gegrissen — aber plötzlich richtete er sich hoch auf, las noch einmal die Stelle:

      „— — — so lebe wohl für immer — Du hast keine Schuld und brauchst Dir keine Vorwürfe zu machen, wenn Du es hörst. Ich konnte es nicht länger ertragen, es ist das Beste für mich.

      Deine bis in den Tod getreue Fifi.“

      Was war da geschehen — sollte das Mädel wirklich eine Dummheit gemacht haben? Ach, sicherlich nur eine Weiberlist, um ihn wieder anzulocken. Aber wenn da doch etwas passiert wäre? Nun, jetzt in der Nacht war nichts zu erfahren. Und — zu ändern wäre ja auch nichts gewesen. Was hatte denn aber dieses Mädchen eigentlich gedacht? Nie hatte er ihm etwas versprochen, ihm nie Zweifel darüber gelassen, dass es sich nur um ein Techtelmechtel gehandelt, wie Fifi schon vor ihm so viele gehabt.

      Nein — er wurde nicht ruhiger. Und plötzlich nahm er die Schreibmappe vor, beschrieb einen Umschlag mit der Adresse: „Fräulein Elfriede Barnick, Berlin N, Kesselstrasse Z.“ Und auf eine Visitenkarte: „Ich bitte Dich um eine Aussprache, gib Nachricht, wann und wo wir uns treffen können. Gruss Achim.“

      Er kuvertierte, klebte die Marke auf und ging dann so, wie er war, auf die Strasse und warf den Brief in den Kasten.

      Wieder in seinem Zimmer angelangt, spürte er jetzt die Erschlaffung — also ins Bett.

      *

      Premierleutnant Graf Achim Storkow hatte das Glück gehabt, dass er vor einem halben Jahr zur Kriegsakademie berufen worden war. Jeden Morgen in der neunten Stunde strebte er daher nach dem grossen Bau in der Dorotheenstrasse — aber dann, wenn nach vier Stunden die Vorlesungen zu Ende, gehörten Nachmittag und Abend ihm.

      Als er heute — zwei Tage nach dem Besuch im Walhall — heimkam, fand er auf dem Tisch seinen Brief „An Fräulein Elfriede Barnick“; auf der Rückseite der Vermerk der Post: „Zurück an den Absender. Adressatin verstorben.“

      „Friedrich!“

      Und als der Diener kam: „Sofort eine Droschke — nein, für mich kein Essen — ich muss weg!“

      Wenige Minuten später fuhr die Droschke vor, Friedrich sprang vom Bock, kam herauf.

      „Wer auch kommt, wird abgewiesen — verstanden! Kerl, du heulst wohl gar?“

      „Das arme Fräulein — war immer so lustig — und so jung und schön!“

      „Raus!“

      Fehlte noch gerade, dass er mit dem Diener einen Trauerchor bildete. Mit Unabänderlichem musste man sich abzufinden wissen. Als er dann in der offenen Droschke — es war ein schöner, sonniger Tag — am buntgefärbten Tiergarten vorüberfuhr und die Erinnerung kam, wie oft er hier mit Fifi entlanggegangen war, wenn er sie heimgebracht, legte sich doch etwas Schweres auf sein Herz. Und wieder kamen ihm die Worte seines Bruders in den Sinn, dass er die Mädchen unglücklich mache.

      Ehe der Kutscher in die Kesselstrasse einbog, liess Storkow halten, zahlte und ging den Rest zu Fuss. Er blickte hinauf nach den Fenstern von Fifis Stube — sie waren weit geöffnet. Und dann stieg er die drei Treppen hinauf. Fifis Visitenkarte war nicht mehr an der Tür über dem ovalen Porzellanschild der Vermieterin: „Wwe. Anna Speer.“

      Die Klingel war immer noch nicht repariert, er konnte den Draht an dem Messinggriff ein ganzes Stück herausziehen. Auf sein Klopfen wurde dann geöffnet.

      „Jott, Sie!“

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