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      Erdmann Graeser

      Eugenie Erdözy

      Roman

      Saga

      Eugenie Erdözy

      © 1939 Erdmann Graeser

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711592410

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      I.

      „Von wem sprecht ihr denn überhaupt?“ fragte Premierleutnant Graf Storkow, der eben erst gekommen war.

      „Na — von der schönen Jenny!“

      Die Unterhaltung der fünf jungen Offiziere — Premierleutnants vom Ersten Garde-Dragoner-Regiment — ging weiter. Sie sassen in der Habelschen Weinstube, waren in Zivil und jetzt schon bei der letzten der fünf Flaschen Champagner angelangt, die einer von ihnen — Otto von Plesser — für eine verlorene Wette zu zahlen hatte.

      Ja, — dass sie heute hier einmal schlemmen konnten, verdankten sie im Grunde genommen nur der Tugendhaftigkeit der schönen Operettensängerin Eugenie Erdösy, von der Leutnant von Plesser behauptet hatte, dass sie, ebensogern wie die andern Damen vom Walhalla-Operetten-Theater in der Charlottenstrasse, jede Einladung der Offiziere zum Souper annähme — man brauche ihr nur durch den Logenschliesser die Visitenkarte in die Garderobe zu schicken.

      Er hatte die Wette verloren, die „Jenny“ — wie man sie kurz nannte — hatte die Einladung nicht angenommen, obwohl die Visitenkarte an einem wundervollen Rosenstrauss befestigt war.

      „Ich wusste es, lieber Plesser, wir hätten die Wette eigentlich gar nicht eingehen sollen“, sagte Leutnant von Strehlen, „ja, du musstest verlieren, denn alle sind bis jetzt ebenso abgeblitzt!“

      „Ich nicht!“ sagte Graf Storkow, der jüngste von den fünf Offizieren.

      Die andern lachten laut auf: „Willst du etwa behaupten —?“

      „Gar nichts will ich behaupten — gar nichts, als dass es mir nicht so ergangen ist!“

      „Das heisst dann also?“

      „Das heisst nichts anderes, als dass ich’s überhaupt noch nicht probiert habe. Ich kenne ja eure Jenny gar nicht, wundere mich bloss, dass das ganze Regiment in sie verschossen ist — in die Chansonette aus so einem Stullentheater!“

      „Man merkt’s, du warst auf Urlaub“, sagte Leutnant v. Plesser. „Stullentheater — früher mal, gewiss! Seitdem der Sohn vom alten Direktor Grosskopf die Sache in die Hand genommen hat, ist das ‚Walhall‘ kein Stullentheater mehr. Im Gegenteil — die alte Bude ist gründlich umgekrempelt — zum Operettentheater geworden! Piko bello, kann ich dir sagen.“

      Die andern stimmten zu. „Gastspiele erster Kräfte aus dem Auslande! Zum Beispiel die Jenny stammt aus Ungarn, ist über die Wiener Oper zu uns nach Berlin gekommen!“

      „Behauptet sie — und kommt in Wahrheit aus der Ackerstrasse!“

      Die andern schwiegen verstimmt. Storkow sah betroffen von einem zum andern, schüttelte den Kopf. Das alte neumärkische Grafengeschlecht, dem er entstammte, und der reiche Vater — ein Oberst a. D. des Ersten Garde-Dragoner-Regiments — hatten ihm von Anfang an eine Vorzugsstellung unter seinen Kameraden verschafft.

      „Ich möchte eure Gefühle nicht noch mehr verletzen, wenn ich zu fragen wage: Spricht sie denn deutsch — die schöne Jenny?“

      „Ja!“

      „Und tritt sie jeden Abend auf?“

      „Sie singt doch die Nanon in der Genéeschen Operette — ist dadurch zum Liebling von ganz Berlin geworden!“

      „Wann fängt die Vorstellung an?“

      „Na — um acht Uhr!“

      Storkow zog die Uhr. „Jetzt ist es halb — trinken wir aus, fahren wir hin, ich lade euch ein. Habt ihr Lust? — Gut! Kellner — eine Droschke!“

      Die gute Stimmung war sofort wiederhergestellt.

      „Ja — wie setzen wir uns nun, die Arche hat doch nur für vier Platz?“ fragte Storkow, als sie in die vorgefahrene Droschke steigen wollten.

      „Ich setze mich neben den Kutscher — Schwäche aus meiner Jugendzeit“, sagte Hans v. Eschendorff und kletterte schon auf den Bock. Er war den ganzen Abend am stillsten gewesen, stiller noch als sonst, denn ihn drückten „Familiensorgen“, wie Leutnant von Strehlen die Alimentationsverpflichtungen Eschendorffs nannte. Heute hatte er wohl wieder einen Mahnbrief bekommen und wusste, bei dem knappen Wechsel von daheim, nicht, woher er das Geld nehmen sollte, falls ihm der beabsichtigte Pump bei Storkow missglückte.

      „Los, Kutscher — nach dem Walhall!“

      Es war ein schöner Spätsommerabend und die Strasse Unter den Linden stark belebt von Spaziergängern, die aus dem Tiergarten kamen, aus den Zelten oder dem Krollgarten.

      Doch nur einen Augenblick bot sich dieses Bild, denn schon lenkte der Kutscher in die Charlottenstrasse ein, und das Pferd — feuriger als sonst Droschkenpferde zu sein pflegten — setzte sich in Trab und verlor erst seinen Ehrgeiz, als es sich hinter der Zimmerstrasse jenem stillen Teil näherte, der als Encke-Platz durch die Sternwarte die Charlottenstrasse abschloss.

      Kurz davor lag das Walhalla-Operettentheater. Der Eingang war hell erleuchtet, die Leute drängten sich an der Kasse.

      „Alles ausverkauft!“ sagte der Mann hinter dem Schiebefenster.

      Storkow wandte sich um. „Da habt ihr die Bescherung!“

      Aber Leutnant v. Plesser sagte: „Lass mich mal ran. Und im Leutnantston fragte er dann: „Die Fremdenloge ist doch noch frei? — Schön, wir nehmen sie — Storkow, bleche!“

      Durch den schmalen Seitengang führte der Theaterdiener die Herren nach der Fremdenloge.

      Schon stimmte die Kapelle ihre Instrumente, die Ouvertüre konnte jeden Augenblick beginnen. Storkow sah sich verwundert um.

      „Donnerwettstein“, sagte er anerkennend, „das Ding hat sich ja mächtig verändert — auch das Publikum sieht besser aus als früher. Aber — Kinder — Vorsicht! Halten wir uns im Hintergrund, dass uns keiner erkennt. Der Deibel kann sein Spiel haben — einer in Zivil ginge hier noch an — aber gleich fünfe auf einen Schlag —“

      „Ruhe!“

      Die Musik hatte begonnen — es war finster und still im Raum geworden. Als dann aber die Melodie: „Ach, Anna, zu dir ist mein liebster Gang!“ schmeichlerisch erklang, hörte man das Publikum mitsummen — die Bäcker- und Schusterjungen pfiffen ja das Lied in aller Herrgottsfrühe schon auf den Strassen — es gab keinen in Berlin, der es nicht kannte.

      Da rollte der Vorhang in die Höhe, die Szenerie zeigte das Wirtshaus „Zum goldenen Lamm“, und Nanon, die schöne Wirtin — Fräulein Eugenie Erdösy — begann auf die Frage der ländlichen Gäste zu singen:

      „Was ich mir wünsche, fragt ihr?

      Mein freundliches Wirtshaus —

      Umrankt ist’s vom Wein —

      Die Trauben, sie reifen im Sonnenschein,

      Gefüllt ist’s von Gästen im frohen Verein —

      Was kann da der Wirtin zu wünschen wohl sein? “

      Aber nicht lange, da kam Grignan, der „schlichte Bursche aus dem Volk“, in Wahrheit aber

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