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ans Fenster — wo sie immer gesessen hat, wenn sie mir von Ihnen erzählte.“

      „Ich wollte wissen, wann die Beerdigung ist?“

      „Ach Jott, schon vorbei! Wenn ich nich jleich nach’s Schauhaus jejangen wäre, hätten sie ihr vielleicht nach die Anatomie jebracht. Sie haben ihr doch bei die Zelten aus det Wasser jezogen, und ’n Schutzmann kam mir Bescheid sagen. Aber ich möchte das alles ja nich mehr erzählen, ich darf nich dran denken, denn ich seh’ ihr ja immer noch in dem Ilaskasten liegen — wie Schneewittchen sah sie aus — so blass und so schön.“

      „Wo ist das Grab?“

      „Auf dem Charitéfriedhof in der Müllerstrasse an die Ecke Seestrasse. Kränze braucht sie nicht mehr, die von’s Ballett haben so ville jebracht, dass man von die eklige Erde nischt mehr sieht.“

      „Liegt die Stelle sehr abseits?“

      „Nee, nee, wat denken Sie, Herr Jraf! An die Mauer hab’ ich ihr nicht einscharren lassen. Wenn man reinkommt von die Müllerstrasse den langen Jang und dann links ab und da denn jrade an die Ecke!“

      Storkow stand auf — trotz der Artigkeit der Alten fühlte er doch den Widerwillen gegen seine Person. „Sie haben viele Auslagen gehabt, darf ich Ihnen —“

      „I bewahre! Fifi hatte ja ihr Jeld janz genau für alles einjeteilt, auch den Haus- und den Entreeschlüssel hierjelassen — nich einen Pfennig hab’ ich zulegen brauchen!“

      „Soviel ich weiss, hatte sie keine Anverwandte in Berlin?“

      „Nee — keine Menschenseele! Und damit Sie sich wejen Ihre Photographie und die Briefe keine Jedanken machen — das Bild hat sie aus dem Rahmen jenommen und mit das übrige im Ofen verbrannt!“

      „Seien Sie doch nicht so feindlich gegen mich, Frau Speer. Ich war doch schon über ein Vierteljahr mit ihr auseinander und glaubte, dass sie mich längst vergessen hätte!“

      „Das hat sie eben nich! Jeden Tag hat sie auf einen Brief von dem Herrn Jrafen gelauert, an ihre freie Abende hat sie hier jesessen und jedacht, es würde kloppen, aber Sie sind nich jekommen. Und wie sehr hat sie Ihnen jebettelt, ich hab’ doch mal so’n anjefangenen Brief jelesen! Sehen Sie, Herr Jraf, so spielt man nich mit Mädchenherzen —“

      „Na, ich danke Ihnen für die Auskunft, und nun will ich mal sehen, wie ich nach dem Friedhof komme. Das ist doch hinterm Wedding?“

      „Noch ein langes Ende — nehmen Sie sich man ’ne Droschke, die Pferdebahn nach Tegel kommt nur alle halbe Stunde!“ — — —

      Im Dämmerlicht des Abends stand er dann an dem Grabe, legte den unterwegs gekauften Rosenstrauss zu den Kränzen — und ging nachher zu Fuss heim, denn er wollte müde werden, um nicht mehr denken zu müssen.

      III.

      Die Kameraden vom Regiment wunderten sich über das stille, verschlossene Wesen Storkows. Da er auf Fragen nur abweisende Antworten gab, drangen sie nicht weiter in ihn. Geldsorgen wie sie hatte er jedenfalls nicht — also konnte es nur eine Mädelgeschichte sein.

      „Die Jenny hat ihn abblitzen lassen“, das war wohl die einzige Erklärung. „Und dass er an dem Theaterabend Feuer gefangen, war ja nicht zu verheimlichen gewesen.

      Die nächsten Tage brachten dann ein Ereignis, das alle mit grösster Teilnahme erfüllte. Eines Vormittags war Leutnant v. Eschendorff zum Obersten befohlen worden, und als er zurückkam, sahen sie an seinem blassen Gesicht und dem verzerrten Lächeln, dass die Katastrophe eingetreten war: Geschasst — wegen Schulden — Wechselschulden.

      Es war das zweitemal, dass er es wegen eines nicht eingelösten Wechsels hatte zur Klage kommen lassen — und da gab’s keine Schonung. In einer Ansprache an die jungen Offiziere hatte der Oberst erst kürzlich in der eindringlichsten Weise diese ermahnt, keine Schulden zu machen, äusserste Sparsamkeit zu üben, ein Ausgabenbuch zu führen, sich nach der Decke zu strecken. „Dazu gehört nur Charakterfestigkeit — und wer die nicht besitzt, ist unwürdig, des Königs Rock zu tragen!“

      Leutnant v. Eschendorff hatte diese Charakterfestigkeit nicht bewiesen und war daher nicht zum Offizier geeignet.

      „Ich hätte ihm ja gerne auch diesmal aus der Klemme geholfen“, sagte Storkow, „wenn er mir eine Andeutung gemacht hätte. Treu und brav hat er mir den Rest von einem Blauen gleich am nächsten Tage zurückgegeben — hätte ich ihm doch die fünfzig Mark gelassen!“

      „Es handelte sich um viel mehr — und wenn wir alle zusammengelegt hätten, hätte es ihm wahrscheinlich auch nichts genützt“, meinte v. Plesser.

      „Was wird er nun machen? Weinreisender, denn als Lotteriekollekteur kommt er nicht mehr in Frage.“

      Premierleutnant v. Strehlen, der am bekümmertsten dagesessen, sagte: „Was wird aus uns allen mal, wenn wir nicht Karriere machen und kein Geld wie Storkow haben. Die Aussichten auf einen Zivilberuf für einen verabschiedeten Offizier sind ja minimal. Nach zehnbis zwölfjähriger Dienstzeit müssten wir die Möglichkeit haben, in für uns reservierte Zivilstellungen überzugehen, in Stellen, für die wir durch die lange Militärzeit als besonders geeignet gelten können. Glaubt mir, dann wäre vieles besser!“

      Die andern schwiegen — Strehlen hatte ja immer besondere Ansichten. „Für mich“, sagte er jetzt, „ist die Geschichte mit Eschendorff ein Menetekel. Ich versage mir jetzt alles — aber auch alles — schaffe mir nichts Neues an, bis mir der Bursche sagt, dass eine Reparatur nicht mehr möglich ist.“

      „Eschendorff war der Sparsamste von uns allen“, sagte Plesser, „er ist nur durch seine Fanny in Schwulitäten geraten. Er wollte an dem Mädel gutmachen, was er ihm angetan, und hat sich dabei übernommen!“

      Der Mittagstisch war beendet; sie standen auf und verabschiedeten sich.

      Storkow überlegte: Sollte er an diesem klaren, sonnigen Tage noch einen Ritt durch den Tiergarten machen? Aber — es war ja auch so herrlich zu gehen, sich die Ladenschaufenster anzusehen. Vielleicht, dass er für Bruder Fritz ein hübsches Geburtstagsgeschenk fand.

      So ging er vom Belle-Alliance-Platz durch die Friedrichstrasse, immer weiter und weiter, bis grössere Geschäfte kamen. An der Kreuzung mit der Leipziger Strasse zögerte er. Sollte er noch zum Waffengeschäft von Hypolit Mehles? — der Kerl machte ja solch eine wahnsinnige Reklame für seine Waren, dass es eigentlich genierlich war, dort zu kaufen. Aber — man konnte ja einmal sehen, was er für Auslagen hatte.

      Plötzlich kniff er die Augen zusammen — die eine von den beiden Damen, die ihm da entgegenkamen — ja, war das nicht die Erdösy — die schöne Jenny?

      Sie war es. Er salutierte mit leichter Verbeugung. Auch sie musste ihn erkannt haben, sonst hätte sie nicht so freundlich gelächelt. Rasch trat er an das nächste Schaufenster, blickte ihr noch so lange nach, wie er sie sehen konnte.

      Eins stand für ihn fest: Heute abend würde er im Theater sein. An der nächsten Litfasssäule suchte er den Anschlagzettel. „Walhalla-Operetten-Theater“, Direktor Grosskopf. „Nanon“, Operette in drei Akten. Frei nach einem Lustspiel der Herren Théauson und d’Artoil von F. Zell und Richard Genée. Nanon Patin, Wirtin vom ‚Goldenen Lamm‘ ... Fräulein Eugenie Erdösy.“

      *

      „Wer war denn das nun wieder?“ hatte die Begleiterin gefragt, und Jenny hatte lächelnd gesagt: „Einer von den vielen, die mich jetzt grüssen!“

      „Aber — du schienst ihn doch zu kennen?“

      „Der Direktor hat ihn mir neulich in der Pause vorgestellt — ich glaube, ein Graf Storkow.“

      „Kein Adonis!“

      „Nein — dabei sah er heute besser aus als neulich in Zivil!“

      „Wie alle Männer in Uniform!“

      Die Friedrichstrasse war um diese Nachmittagsstunde zu belebt, um eine Unterhaltung führen zu können, und so

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