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Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland. Volker Elis Pilgrim
Читать онлайн.Название Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland
Год выпуска 0
isbn 9783955101473
Автор произведения Volker Elis Pilgrim
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet 120 000 Arbeiten über Hitler. Ist die Hundertzwanzigtausendunderste wirklich nötig? Ist es nicht gleichgültig, ob Hitler blind oder stumm war, »normal«-heterosexuell konturiert oder sexopathisch homodestruktiv serienkillend veranlagt und ob der Massenmörder sich langsam zu seinem Tun entwickelt hat oder durch einen ärztlichen Kunstfehler dazu explodierte? Die Toten werden mit historischen Wahrheiten nicht wieder aufgeweckt, aber die Lebenden und vor allem die Nachgeborenen von einer Volksneurose befreit. Unklarheit über Hitler heißt, in der Krankheit zu verharren, in die dieser Mann Deutschland gestürzt hat. Für das Zusammenwachsen Europas ist es gefährlich, wenn das in der Mitte liegende wirtschaftlich und politisch mächtige Deutschland psychisch schwächelt, weil es an seiner Geschichte krank bleibt.
Ich habe mich schon einmal mit einer Volksneurose beschäftigt, die Frankreich kennzeichnet: nicht zu wissen, wie es zu der Erfindung des »Sonnenkönigs« kam. Die Deutschen wissen wenigstens, dass Hitler scheußlich war. Die Franzosen widmen alle paar Zeiten ihrer regentischen Formel-1-Katastrophe hymnische »Roi-de-Gloire«-Biografien. Da ich in meiner Jugend Französisch sprechen und schreiben konnte, war es mir möglich, für mein Buch Die Königsfälschung in die französische Geschichtskrankheit einzutauchen.
Während der Arbeit an meiner dreibändigen Autobiografie ab 2002 musste ich mich mit meiner Teil-adligen Herkunft befassen. In ihr spielte Henri IV eine Rolle, da sich die Familie über Hugenotten von ihm herleitet. Bereits als Kind begann mein Denken: Louis XIV passt als Enkel weder physiologisch noch spirituell-politisch zu Henri IV. Er bricht die Regel, dass »Enkel ihren Großeltern ähneln«. Antwort des Rätsels: Ludwig der Vierzehnte stammt nicht von Heinrich dem Vierten ab. Er ist 1638 dem 23 Jahre lang unfruchtbaren Königs-Ehepaar aus dem Fundus von süditalienischen Waisenhäusern beschafft und dem französischen Volk als »Dieudonné« angedreht worden.
Schon früh hatte mich Henri IV interessiert, die Glanzgestalt des politischen Humanismus, der Heinrich Mann im Anti-Nazi-Exil seinen zweibändigen Roman widmete. Henris Nicht-Enkel Louis hatte sechzig Jahre später politisch alles wieder zurückgedreht und »KZs des Grand Siècle« (Erlanger) gegen die Protestanten errichtet, ehe er das ganze Land von ihnen säuberte und bei seinem Tod zwei Millionen Ermordete und Verhungerte hinterließ – wegen seiner Kriegssucht und seiner sich selbst überhöhenden Schlösserbau-Manie.
Die beiden französischen Könige waren für mich Prototypen in kontroversem Denken und Tun. Auch in der Pilgrim-Familie der Göring-Höflinge gab es Beispiele für das Gegenteil. Zwei nahe Tanten waren ganz anders. Nettchen von Pilgrim hatte den sozialdemokratischen Bürgermeister Bernhard Hoffmann geheiratet und ihren Sohn Hans zum Kommunisten erzogen, der von SA-Männern umgebracht wurde. Fanny von Kurowsky hatte sich im Widerstandskreis der Elisabeth von Thadden organisiert, war mit ihr verhaftet worden und aus Zufall ihrer Hinrichtung entgangen. Sie erzählte mir, wie in unserer Verwandtschaft die Pilgrims »zutiefst verhasst« waren. Der engste Jugend- und Studienfreund meines Großonkels Rudolf Freiherr von Reibnitz, einziger Bruder meiner Großmutter, war der hingerichtete 20.-Juli-44-Widerstandskämpfer Ulrich von Hassell. Wenn bei Tisch über „Ulli Hassell“ gesprochen wurde, begannen sich in meinem Hinterkopf Fragezeichen zu regen: Wie kam es dazu, dass der im Ersten Weltkrieg gefallene Bruder der naheste Freund eines späteren Widerständlers gewesen war, die Schwester jedoch Nazi-Kooperateurin, die sich mit Göring verband?
1Hitler 1 – WK I
2Hitler 2 – 1927
Abermals löste sich eine Lawine von Folge-Entdeckungen, als ich professionell über das Thema des gefälschten Ludwig 14 zu arbeiten begann – zuerst für meinen Vortrag im Bonner Haus der Geschichte, Februar 2008: Von Louis XIV zu Hitler. Die Weichen in Richtung Nazidiktatur wurden von den Päpsten um 1600 gestellt. Daher kann mein Hitler-Ring ohne meine Ludwig-14-Studie nicht gedacht werden.
Dass man sich dem ultra-ausgefallenen Spezialmann Adolf Hitler nicht nur inhaltlich, sondern auch formell auf besondere Art nähern muss, wird niemandem mehr uneinsichtig sein, nachdem der sprachliche »Ring des Nibelungen« abgeschlossen vorliegen wird. Es handelt sich bei Hitler 1 und Hitler 2 auf transliterarische Weise tatsächlich um etwas musikdramatisch Vergleichbares, um eine »gerockte Recherche« in einem »(Theater)gespielten« Sachbuch-Zyklus.
Als »Pilgrim 1« startete ich 1971 zu Albrecht Dürers fünfhundertstem Geburtstag. Als »Pilgrim 2« melde ich mich zum fünfhundertsten Jahrestag von Martin Luthers Wittenberger Thesen-Verkündigung zurück. Beide Künstler gehören seit langem zu meinen Medien-übergreifenden Identifikationsfiguren – Dürer als schwuler Maler und Aufklärer, Luther als Sprachschöpfer und Anti-Corpiarchaliker.
Auftakt
»Hitlers Gier nach Blut blieb unvermindert, stieg vielleicht sogar mit der Zeit der Niederlagen. Obwohl er physisch Angst hatte, Blut zu sehen, erregte und berauschte ihn der Gedanke daran. Die bloße Zerstörung in allen ihren Formen schien auf den angeborenen Nihilismus seines Geistes zu wirken … Es war für ihn gleichgültig, wessen Blut vergossen wurde. Deshalb war das Ereignis, die nachsinnende Vorstellung über Ströme von menschlichem Blut, was ihn inspirierte, nicht der Gedanke an Sieg und der praktische Nutzen … Während des Krieges stellte Hitler kontinuierlich seine Gier nach Blut unter Beweis – diese physische Lust beim geistigen Nachempfinden der Schlachten zu seiner eigenen Befriedigung. Die Generäle – abgehärtete Automaten –, berüchtigt als entpersönlichte Männer von Blut und Eisen, waren schockiert über solche zum Ausdruck gebrachten Gefühle [Hitlers] und haben darüber zahlreiche Beispiele gebracht. Während der Schlacht gegen Polen bekräftigte [General Franz] Halder immer wieder, dass die Erstürmung Warschaus unnötig wäre; es würde von alleine fallen, seit die polnische Armee nicht mehr existierte. Doch Hitler bestand darauf, dass Warschau zerstört werden müsste.« (Hugh Trevor-Roper: The Last Days of Hitler. 1947, S. 117)
»Er sah aus wie der Knabenmörder von Hannover, dessen Prozess unlängst Sensation gemacht hatte. Ob er, der österreichische Operettenhabitué am Nebentisch, ebenso tüchtig war wie sein norddeutscher Doppelgänger? Dieser homosexuelle Blaubart hatte es fertiggebracht, dreißig bis vierzig junge Buben in seine gastliche Stube zu locken, wo er ihnen im Liebesakt die Kehle durchbiss und aus den Leichen schmackhafte Wurstware machte. Eine stupende Leistung! – Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Tatmenschen frappierte mich. Schnurrbart und Locke, der verhangene Blick, der zugleich wehleidige und rohe Mund, die sture Stirn, ja sogar die anstößige Nase. Es war alles dasselbe! … Schicklgruber, bei dir langt es höchstens zum Lustmord.« (Klaus Mann: Der Wendepunkt. 1930–1932, S. 349)
»Die besetzten Ostgebiete werden judenfrei. Die Durchführung dieses sehr schweren Befehls hat der Führer auf meine Schultern gelegt.« (Heinrich Himmler am 28. Juli 1942 – In: Peter Longerich 08, S. 933, Anm. 87) »Die Vorstellung bleibt hartnäckig, dass Hitler ein tief verborgenes, ihn beunruhigendes sexuelles Geheimnis hatte, das seine ansonsten unerklärliche Pathologie erklärt. Sogar der vorsichtige Alan Bullock erzählte mir, dass er glaube, dass da wahrscheinlich etwas Sexuelles in Hitlers Antisemitismus lag – ein verlorenes Echo auf Wilhelm Reichs Glaube: Der Ursprung des Bösen kann im Versagen einer ›normalen‹ orgastischen Reaktion gefunden werden.« (Ron Rosenbaum Explaining Hitler: The Search for the Origin of his Evil. 98, S. 135, 151)
«Die sexuelle Erregung ist in der Tat zerstörerisch und quälend, wenn die Entspannung nicht zugelassen ist. – Es ist aus Behandlungen kranker Priester bekannt, dass am Höhepunkt religiös extatischer Zustände unwillkürliche Samenentleerungen sehr häufig vorkommen. Die normale orgastische Befriedigung ist ersetzt durch einen allgemeinen körperlichen Erregungszustand, der das Genitale ausschliesst und der gegen den Willen, wie zufällig, Teilentspannung herbeiführt. Man