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      Aber dazu war mir die Lust vergangen. »Alles wie immer, nichts Besonderes. Das gewohnte, langweilige Loretta-Leben.«

      Pascal lachte leise. »Dein Leben ist alles andere als langweilig, das weißt du selbst am allerbesten. Sollte etwa kein Mord in Sicht sein?«

      »Mal den Teufel nicht an die Wand. Ich kann sehr gut ohne leben. Von der Aufregung habe ich erst einmal die Nase voll.«

      »Und wie geht es Baghira?«

      Unwillkürlich blickte ich hoch zum Krähennest: Lediglich die Ohrenspitzen des Katers waren zu sehen. »Dem geht es prima. Frisst, scheißt, schläft. Was ein verwöhnter Hauskater den lieben Tag lang so zu tun pflegt.«

      Pascal seufzte. »Ich wünschte, ich könnte mich mal eben von Scotty zu euch beamen lassen, aber …«

      Irgendjemand im Hintergrund rief seinen Namen, und er fügte hinzu: »Ich muss los, Süße, ich werde gebraucht. Bis bald, ich liebe dich.«

      »Ich dich auch«, erwiderte ich, aber er hatte bereits aufgelegt.

      Ich warf das Telefon auf den Tisch und starrte es böse an, als wäre es schuld daran, dass mein Gespräch mit Pascal mir die Laune verdorben hatte. Mich nervte, dass er Spaß hatte und mich nicht so vermisste wie ich ihn.

      Ja, du wirst gebraucht, dachte ich, und zwar hier, von deiner Freundin.

      Das war unfair, ich weiß, aber ich wollte jetzt sauer sein. Er hatte gut lachen, der Blödmann. Er erlebte gerade ein Abenteuer, traf täglich neue Menschen, stand täglich vor neuen Herausforderungen, machte coole Sachen … und ich? Musste mir ein verfluchtes Menü für einen Spießer ausdenken, der irgendeine langweilige Else betören wollte.

      Ich wandte mich wieder der Rezeptsuche zu. Dutzende Internet-Communitys ambitionierter Hobbyköche überboten sich gegenseitig mit Vorschlägen für Zwei-Personen-Dinner, die aber alle einen irgendwie schlüpfrigen Subtext zu haben schienen. Ich fand nur Vorschläge wie Valentinstag-Dinner für Liebende oder Anregendes Dinner für zwei oder Candle-Light-Dinner für zwei … also wirklich: Konnten zwei Menschen nicht ganz normal miteinander essen, ohne dass gleich eine Rosenblätter- und Teelichtspur direkt ins Schlafzimmer führte?

      Und überhaupt: Was sprach eigentlich gegen Bockwurst und Kartoffelsalat?

      Was in Tausenden deutschen Haushalten gut genug für Heiligabend war, konnte für Herrn Dengelmann ja wohl nicht schlecht sein, oder? Oder sollte ich einfach das Menü kochen, das ich damals als Kandidatin für Einer gibt den Löffel ab! meinen Gästen serviert hatte? Kartoffelcremesuppe mit gebratenen Garnelen als Vorspeise, Lammbratlinge mit Wirsingspalten an Gorgonzolasoße als Hauptspeise und zu guter Letzt gab es ein Trifle mit Erdbeeren. Immerhin hatte ich dreißig Punkte dafür eingeheimst, genauso viele wie Frank, der ebenfalls an dieser Kochshow teilgenommen hatte.

      Andererseits gehörte Lamm zu den Dingen, die nicht bei jedem Essensgast Jubel auslösten. Waaaas? Ich esse doch kein süßes kleines Lämmchen … wahlweise Kälbchen, Ferkelchen und dergleichen gerade der Kinderkrippe entstiegenes Getier.

      Aber Baby-Ananas essen, das konnten sie, diese Heuchler.

      Vielleicht sollte ich Frank um Rat fragen? Trotz seiner heißen Liebe zu Deftigem aus den Imbissbuden des Ruhrpotts war er ein exzellenter Koch, wie er nicht nur bei der Kochshow eindrucksvoll bewiesen hatte. Ich sah auf die Uhr, es war kurz vor drei. Konnte gut sein, dass er schon Feierabend hatte.

      Zehn Minuten später stand ich am Herd und köchelte eine Tomatensoße, denn Frank war auf dem Weg zu mir. Wie ich es geahnt hatte, war die Formulierung ›ich brauche deinen Rat‹ für ihn unwiderstehlich. Auch bei der Aussicht, bei mir einen – oder zwei – Teller Spaghetti mit leckerer Tomatensoße und großzügiger Parmesanberieselung abzugreifen, konnte er unmöglich Nein sagen.

      Das Nudelwasser kochte bereits, als er klingelte. Ich ließ ihn herein und flitzte zurück in die Küche, um die Spaghetti in den Topf zu geben.

      Frank war mir gefolgt und guckte mir über die Schulter. »Ah, du nimms diese superdünnen Spaghettis. Lecker.«

      »Ja, die brauchen nur vier Minuten. Geht ratzfatz.«

      Ich verkniff mir, ihn zu verbessern. Er sagte grundsätzlich Tortellinis und Zutschinis oder auch Expresso und Krossong, aber ich verschonte ihn mit meiner sonst üblichen Klugscheißerei und unterließ es, ihn zu korrigieren. Frank durfte das.

      »Hände waschen, hinsetzen«, kommandierte ich.

      Wenige Minuten später saßen wir am Tisch. Er mochte einiges falsch aussprechen, beherrschte aber die korrekte Art, Spaghetti zu essen: Nicht mit Gabel in der rechten und Löffel in der linken Hand wie die meisten, sondern nur mit der Gabel in der rechten, wie Italiener es praktizierten.

      Nachdem er mit beinahe heiliger Konzentration zwei Portionen verputzt hatte, schob er den Teller weg und lehnte sich zurück. »Boah, Loretta, dat war gut. Tomatensoße hasse echt drauf, dat muss man dir lassen. Du brauchs meinen Rat, hasse gesacht. Also, worum geht et?«

      »Ich muss ein Dinner für zwei Personen kochen und habe null Ideen.«

      »Wat? Kommt der Pascal schon nach Hause?«, fragte er verblüfft.

      Ich schüttelte den Kopf. »Nicht für Pascal und mich.«

      »Wat? Für wen denn dann? Wer is der Kerl?«

      Ich verdrehte die Augen. »Hör doch zu, du Honk. Nicht für Pascal und mich, habe ich gesagt. Also weder für Pascal noch für mich.«

      »Weißte, Loretta, für solche sprachlichen Nickelichkeiten fehlt mir die Antenne. Also: Für wen is dat Dinner? Und wieso muss du dat kochen?«

      Ich erklärte ihm also, worum es ging, und seine Augen wurden riesig und kugelrund.

      »Has du ’n Ei am Wandern?«, blökte er dann. »Du willz für den Mörder und sein nächstet Opfer kochen?«

      »Ich dachte, das hätten wir geklärt. War es nicht erst gestern? Dass der Mann etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hat, ist vielleicht nur ein Hirngespinst seiner Nachbarin. Ich habe noch keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass Jutta Dengelmann unfreiwillig aus dem Leben ihres Gatten geschieden ist. Dass die Nachbarin nicht weiß, wo diese Jutta sich zurzeit aufhält, ist kein Beweis für ein Verbrechen.«

      »Was sacht dieser Typ denn dazu?«

      »Wozu?«

      »Na, wo seine Olle is.«

      »Danach kann ich ihn ja wohl schlecht fragen.«

      Frank runzelte die Stirn. »Wieso dat denn nich?«

      »Weil ich nur seine Putze bin. Ich weiß doch offiziell gar nichts davon, dass es mal eine Ehefrau gab, also kann ich ihn auch nicht nach ihrem Verbleib fragen, richtig? In der Wohnung gibt es keinen einzigen Hinweis auf sie. Keine Klamotten, gar nichts.«

      Sein Zeigefinger fuhr pfeilschnell auf mich zu. »Ha! Wenn dat nich verdächtich is!«

      »Ist es nicht! Wenn Pascal mich von einem Tag auf den anderen verlassen würde, wäre meine erste Besorgung riesige Müllsäcke, um seinen Krempel zu entsorgen!«, keifte ich erbost. »Alles weg, aber ganz zügig! Ich hätte doch keine Lust, ständig an ihn erinnert zu werden! Vielleicht ging dem Verschwinden der Frau ja eine lange Trennungsphase voraus, von der die Nachbarin nichts weiß! Vielleicht weiß dieser Mann ganz genau, wo sie gerade ist, und telefoniert jeden Tag mit ihr! Herrje, mach es doch nicht so kompliziert, Frank! Vielleicht ist alles vollkommen harmlos!«

      »Und vielleicht hat der Papst ’n lustigen Hut auf«, brummte Frank.

      »Nee, der hat sogar ganz bestimmt einen lustigen Hut auf!«, prustete ich.

      Nachdem wir ausgekichert hatten, konnten wir uns endlich mit dem Wesentlichen beschäftigen: dem Menü für den nächsten Abend.

      Wir besprachen diverse Optionen und verwarfen sie wieder, bis wir uns schließlich geeinigt hatten: Bei Dengelmann würde es als Vorspeise gebackene Feigen mit Ziegenfrischkäse,

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