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dir an den Kragen will. Oh nein – mit Risiko meine ich, dass du nicht auffliegen darfst. Wenn er dich dabei erwischt, wie du in seinen Sachen herumschnüffelst, kann er die Polizei holen. Diesen Ärger will ich mir erst gar nicht ausmalen. Denn wer kriegt eins vor den Bug – außer dir, meine ich? Ich. Weil ich der Privatdetektiv bin. Damit, dass du dich über den Job bei ihm einschleichst, bewegen wir uns ohnehin auf ganz, ganz dünnem Eis. Aus Büschen heraus einen Fremdgeher zu fotografieren, ist eine Sache – unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in seine Privatsphäre einzudringen, eine ganz andere. Wenn du mir das kaputt machst, weil du übereifrig agierst, werde ich sauer. Richtig sauer. So sauer, wie du mich noch nie erlebt hast.«

      Hatte ich ihn überhaupt jemals sauer erlebt? Nicht, dass ich mich erinnern könnte.

      Da ich nicht davon ausging, das Gewünschte beim Discounter umme Ecke zu finden, begab ich mich direkt in einen dieser gigantischen Supermarkt-Konsumtempel. Jetzt, im November, war natürlich bereits alles festlich geflaggt und mit überwältigenden Mengen an glitzerndem Tand dekoriert, was mich – in Kombination mit den säuselnden Weihnachtsweisen – kolossal nervte.

      Mein Glück war, dass die Abteilung für Putzequipment davon weitgehend verschont geblieben war. Zwar entging ich auch hier nicht der allgegenwärtigen Hintergrundbeschallung, aber der gänzliche Verzicht auf Lichterketten und schillernde Sterne stimmte mich versöhnlich. Vermutlich galten Putzlappen und ausgefuchste Wischmopp-Systeme nicht gerade als glamouröse Geschenke. Oh Liebling – ein Kunstlederlappen! Damit werden die Fenster noch glänzender! Den habe ich mir schon immer gewünscht! Du bist der Beste! – kaum vorstellbar, oder?

      In meinen riesigen Einkaufswagen wanderte nach und nach immer mehr farbenfrohe Lappenware, aus der ich problemlos eine schmucke Girlande für einen Kindergeburtstag hätte basteln können. Dazu kamen die passenden Schwämme, außerdem eine Klinikpackung Einweghandschuhe in meiner Größe. Kurz dachte ich noch über einen Kittel nach, aber das war mir dann doch zu sehr Uschi.

      Erst zu Hause fiel mir auf, dass ich in meinem Lappenwahn vergessen hatte, Lebensmittel einzukaufen. Während Baghira zufrieden schmatzend über seinem Fressnapf kauerte, zeigte mir mein beinahe leerer Kühlschrank erbarmungslos, dass meine abendliche Mahlzeit wohl aus einem hart gekochten Ei und Knäckebrot mit Marmelade bestehen würde.

      Aber dann rief Frank an.

      »Hömma, Loretta, ich bin inne Nähe und dachte, ich komm ganz spontan rum. Wat meinze: Hasse auch Bock auf PommesCurrywurstdoppeltMajo?«

      Ich schwöre – er machte daraus ein einziges Wort.

      »Hört sich super an! Du bist mein Lebensretter, ich hab nämlich seit dem Frühstück nichts gegessen. Mach für mich doppelt Pommes draus. Majo extra. Und bring Bier mit, ich hab keins im Haus.«

      »Wird erledicht!«, trompetete er fröhlich und legte auf.

      Ich nahm eine Turbodusche und zog mir bequeme Klamotten an, die eine Männerportion wegstecken konnten, ohne dass der Hosenbund kniff. Irgendwann hatte ein schlauer Mensch den Gummibund erfunden, und ich dankte ihm regelmäßig dafür.

      Als Frank eintraf, reagierte mein Magen auf den Imbissbudenduft aus der Tüte mit einem Röhren, das einen brunftigen Hirsch locker in die Flucht geschlagen hätte.

      »Mein lieber Scholli«, sagte Frank beeindruckt, »du has ja richtich Hunger.«

      »Sag ich doch.«

      Ich nahm ihm die Tüte ab und ging voraus in die Küche. Während er das Bier bis auf zwei Flaschen für uns in den Kühlschrank räumte, verteilte ich unser Essen auf die bereitstehenden Teller. Am liebsten hätte ich mir die goldenen, knusprigen Kartoffelstäbchen mit zwei Händen gleichzeitig in den Mund gestopft.

      »Wat is dat denn?«, fragte er, als er sich zu mir an den Tisch setzte. »Pozzellan? Für PommesCurrywurst? Seit wann biste denn so etepetete?«

      »Wenn ich zu Hause bin, immer. Unterwegs habe ich mit einer Pappschale kein Problem, aber zum Ende hin klebt da alles zusammen und so. Und diese Plastikpieker find ich auch blöd. Die sind viel zu klein für mich. Irgendwann sind meine Finger immer mit Majo beschmiert. Ich bin halt eine Motorik-Legasthenikerin.«

      Er zuckte mit den Schultern. »Wennde meinz, bitte. Womit ich meine Pommes spachtel, is mir einklich egal, solange ich dabei nicht mein klein Finger so affich wegspreizen muss. Hauptsache Schmackofatz.«

      Ich zog den Deckel von meinem Mayonnaisebehälter und leckte die Innenseite sorgfältig ab, bevor ich ihn beiseitelegte.

      Frank nickte anerkennend. »Nix vergeuden, so is dat richtich. Ich mag Frauen, die orntlich zulangen.«

      »Dann müsstest du von mir ja vollkommen betört sein«, nuschelte ich, während ich gleichzeitig eine Pommes nach der anderen in die Majo stippte und mir in den Mund steckte.

      In Wirklichkeit klang es also ungefähr so: »Damüscheschujavommivöllchbörtschein.«

      »Wat?«, fragte er folgerichtig. »Wat has du gesacht?«

      Ich winkte ab und schickte damit ein Stück Currywurst auf die Reise, das ich gerade aufgespießt hatte. In einem eleganten Bogen überquerte es den Tisch und landete mit einem zarten Platschen auf Franks Teller – interessiert verfolgt von Baghira, der uns von seinem Krähennest aus beobachtete. Als ich mit meiner Gabel nach meinem Stück Wurst zielte, schob Frank meine Hand rigoros weg.

      »Nix da. Wat auf meim Teller landet, gehört dir nich mehr. Dat gehört jetz mir. Pech gehabt. Musste eben besser auf dein Essen aufpassen. So sind die Regeln.«

      »Welche Regeln denn bitte?«

      »Die internationalen Pommesbudenregeln, natürlich«, erwiderte er ernst. »Pommes dürfen nich kalt werden, Bier darf nich zu schale Plörre werden. Nicht labern – essen, und zwar zügich. Dat hat so leckeret Schmackofatz nich verdient, dat et nich mit Respekt behandelt wird.«

      Ach, er hatte ja recht. Nichts wurde so schnell kalt und damit beinahe ungenießbar wie die Speise der Götter aus der Imbissbude.

      In Windeseile beendete Frank sein Mahl, leerte mit einem beherzten Schluck seine Bierflasche, lehnte sich zurück und rülpste. »Sorry, aber dat musste jetz sein.«

      Ich kicherte. »Schon gut. Ist bei mir erlaubt, weißt du ja.«

      Er musterte mich wohlwollend, dann sagte er: »Hömma, wat habbich gehört? Du has ma widda so ’n Andakawwa-Ding am Laufen? Erzähl ma.«

      Ich stellte mir – oder ihm – erst gar nicht die Frage, woher er das wusste. Und es erklärte gleichzeitig, warum er hier aufgekreuzt war: Neugier. Logisch – immerhin hatten wir vor einigen Monaten gemeinsam so ein ›Undercover-Ding‹ bestritten.

      »Diesmal ist es anders«, erwiderte ich. »Lange nicht so gefährlich.«

      »Die Doris sacht, der Typ hat seine Olle gekillt, und du sollz dat beweisen.«

      »Das hat Doris ganz sicher nicht so gesagt!«

      Er grinste verlegen.

      »Siehste«, fuhr ich fort. »Alles nicht mal halb so spektakulär. Seine Nachbarin denkt, da ist was faul, weil seine Frau nicht mehr da ist. Wir wissen noch nicht einmal, ob die sich nicht bloß was einbildet. Kann sehr gut sein, dass überhaupt kein Verbrechen dahintersteckt. Ich gucke mich bei ihm nur mal ein wenig um.«

      »Hehehe«, machte er. »Als Putze, sacht die Doris.«

      Ich nickte. »Das stimmt. Deshalb habe ich bei Doris ja auch Nachhilfestunden genommen.«

      »Hihihi. Find ich lustich.«

      »Wie nett, dass ich etwas zu deiner Unterhaltung beitragen konnte. Immer gern.«

      Er wurde ernst. »Ich bin hier, weil ich dir sagen will, dat du vorsichtich sein sollz, Loretta. Schön aufpassen und bloß keine Dummheiten machen, hörsse?«

      Ich versprach es ihm hoch und heilig.

      Nach einer eher unruhigen Nacht, in deren Träumen ich gigantische Fensterflächen

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