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die im Wesentlichen mit denen bei Doris übereinstimmten.

      Ich befand mich also auf relativ sicherem Terrain.

      Das Lappen- und Schwämme-Angebot ließ allerdings sehr zu wünschen übrig. Es gab eine Plastikkiste mit angebrochenen Billig-Zehnerpackungen, wie man sie beim Discounter bekam. Nix Regenbogen.

      Aber dazu würde ich ihm später etwas erzählen.

      »Sie haben Parkett im Rest der Wohnung, wenn ich mich recht erinnere«, sagte ich, als ich meine Bestandsaufnahme beendet hatte.

      Er nickte, und wir gingen hinüber ins Wohnzimmer.

      Ich kniete mich hin und fuhr mit der flachen Hand prüfend über den Boden. »Wie viel Millimeter Nutzschicht hat das Parkett?«

      Seine Brauen schossen hoch wie eine Saturnrakete beim Lift-off von der Startrampe. »Nun ... äh ... ursprünglich mal vier, mittlerweile nur noch drei.«

      Ich nickte wissend. »Also haben Sie es bereits zwei Mal abschleifen lassen.«

      Zu den hochgeschossenen Brauen gesellte sich eine heruntergeklappte Kinnlade. Er brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. »Das … das ist richtig. Woher wissen Sie das?«

      Ich sah zu ihm hoch und lächelte. »Ich habe Ihnen doch bereits bei unserem ersten Telefonat gesagt, dass ich die Beste bin, nicht wahr? Alles, was ich mache, nehme ich sehr ernst. Egal, ob ich putze oder einen Text lektoriere. Fundiertes Hintergrundwissen ist von eminenter Wichtigkeit. Wie wurde der Boden bisher gepflegt?«

      »Mit der weichen Teppichbürste des Staubsaugers, soweit ich weiß.«

      Genau, und zwar jeden Tag um Punkt neun von deiner Jutta, die dafür seit einigen Wochen leider nicht mehr zur Verfügung steht, dachte ich.

      »Wissen Sie, ich selbst bin leider kein richtiger Experte«, fügte er hinzu, »das hat immer meine F…, meine bisherige Putzhilfe gemacht.«

      »Lassen Sie mich raten: Ihre langjährige Putzfee ist in Rente gegangen, und bisher haben Sie niemanden gefunden, der ihr ebenbürtig wäre.«

      Hui, ich musste aufpassen – schließlich wusste ich offiziell nichts von den vier gescheiterten Versuchen während der letzten drei Wochen.

      Er seufzte. »Das trifft es ziemlich genau. Meine bisherige Hilfe steht leider nicht mehr zur Verfügung, und jetzt bin ich händeringend auf der Suche. Das ist deutlich komplizierter, als ich erwartet hätte. Die Damen arbeiteten entweder nur oberflächlich oder schreckten vor dem Aufwand zurück. Stellen Sie sich nur vor – eine junge Frau fragte mich doch tatsächlich, was sie hier putzen solle, es sei doch alles sauber!«

      Tja, da hatte wohl jemand aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht.

      »Wie bitte? Sie machen Scherze!«, rief ich angemessen fassungslos aus, gleichzeitig mühsam um Beherrschung meiner Gesichtszüge ringend. Schnell wandte ich mich ab und fuhr noch einmal mit der Hand über den Boden.

      »Hm … ich spüre einige kleine Unebenheit und Kratzer«, konstatierte ich fachmännisch und stand auf. »Die könnte ich selbstverständlich ausbessern, wenn Sie es wünschen. Es gibt da sehr gute Reparatursets, mit denen ich beste Erfahrungen gemacht habe.«

      Er musterte mich nachdenklich. »Halten Sie das für nötig? Ich überlasse Ihnen die Entscheidung.«

      Das wurde ja immer besser!

      Ich hatte es durch mein holterdipolter angelerntes Halbwissen, gepaart mit pseudokompetenter Klugscheißerei, tatsächlich geschafft, die Rollen umzukehren: Plötzlich war ich der Chef im Ring – und nicht länger die kleine Putze, die sich erst mal beweisen musste, während sie auf Knien vor ihm herumrutschte und ihr der Angstschweiß in Strömen von der Stirn perlte.

      »Also, ich finde ja, dass bei einem Echtholzboden nicht jede winzige Unperfektheit ausgemerzt werden muss. Ganz im Gegenteil: Sie wirken wie eine Patina und verleihen dem ganzen Raum Natürlichkeit und Charakter. Heutzutage gelten auffällige Maserungen und sogar Astlöcher als schick – was früher undenkbar gewesen wäre. Wissen Sie, ich vergleiche einen schönen Parkettboden gerne mit der Haut eines Menschen: Auch er wird mit den Jahren reifer und benötigt ständige, liebevolle Pflege.«

      Das mit der Haut hatte ich mitten in der Nacht irgendwo im Internet gelesen und es – ehrlich gesagt – ziemlich albern gefunden. Jetzt und hier war es die finale Bemerkung, um ihn endgültig zu beeindrucken.

      Aber ich war ja noch längst nicht fertig …

      »Darf ich Ihnen mein ganz persönliches Putzsystem erklären, Herr Dengelmann?«, fragte ich, als wir wieder in der blitzsauberen Küche standen. Ohne eine entsprechende Aufforderung abzuwarten, setzte ich mich an den Tisch, und er fragte prompt reflexartig, ob er mir etwas zu trinken anbieten könne.

      »Ein Glas Wasser wäre nett«, sagte ich bescheiden, und er stürzte beflissen zum Kühlschrank, um den Wunsch seiner neuen Putzgöttin zu erfüllen.

      Allmählich keimte in mir Verständnis dafür auf, warum Uschi, die putzende Hausfrau, an der Sexhotline einer der beliebtesten Charaktere war. Abgesehen davon, dass sie halb nackt zu putzen pflegte, schien eine bestimmte Art von Männern schon allein darauf abzufahren, wenn man ihnen das heimische Nest hübsch proper hielt.

      Aber warum war das so? Paarte sich dabei die Erinnerung an die geliebte, fürsorgliche Mutter mit dem Wunsch nach Dominanz, da Putzen ja immerhin eine dienende Tätigkeit war?

      Mein Glas stellte er natürlich auf einen Untersetzer, bevor er sich mit gegenüber an den Tisch setzte. »Sie wollten mir etwas über Ihr Putzsystem erzählen, Frau Luchs«, sagte er, »ich bin sehr gespannt.«

      Das glaubte ich ihm aufs Wort. Meine Kompetenz in Sachen Parkettböden hatte ihn umgehauen.

      Ich trank einen Schluck Wasser und stürzte mich dann in einen Vortrag über den Sinn unterschiedlicher Lappenfarben für verschiedene Hygiene-Krisenherde, gespickt mit Informationen über Putzmittel und deren Vor- und Nachteile. Gewürzt wurde mein kleiner Monolog durch vermeintliches Insiderwissen über Sinn und Unsinn diverser Hausmittel.

      Er unterbrach mich kein einziges Mal, sondern hing sichtlich fasziniert an meinen Lippen. Als ich schließlich geendet hatte und ihn abwartend ansah, schien er aus tiefer Trance zu erwachen.

      »Kaufen Sie alles, was Sie benötigen«, sagte er wie betäubt. »Ich gebe Ihnen gern Geld mit.«

      Ich winkte lässig ab. »Das ist nicht nötig. Ich bringe die Quittungen mit, und Sie geben mir dann das Geld.«

      »Selbstverständlich, selbstverständlich. Ich … wir müssen noch administrative Dinge … ich brauche Ihre persönlichen Daten, um Sie anzumelden. Ich hole rasch etwas zu schreiben aus dem Arbeitszimmer.«

      Er ging aus der Küche, und ich folgte ihm einige Sekunden später auf den leisen Sohlen meiner Turnschuhe bis zu Tür. Ich hatte die Hoffnung, einen Blick in sein geheimnisvolles Arbeitszimmer werfen zu können. Das klappte tatsächlich, war aber unspektakulär: Ich sah lediglich einen Schreibtisch, auf dem ein aufgeklappter Laptop mit dunklem Monitor stand – und Dengelmann von hinten, der etwas aus einer Schreibtischschublade holte.

      Als er zurückkam, saß ich längst wieder brav auf meinem Stühlchen und nippte geziert an meinem Mineralwasser. Er fragte meine Daten ab, die er sorgfältig notierte.

      Dann blickte er auf seine Armbanduhr. »Was halten Sie davon, wenn Sie die Sachen sofort einkaufen und beim nächsten Mal mitbringen? Passt Ihnen Freitag?«

      »Einverstanden. Uhrzeit wie heute?«

      »Gern. Und Sie schreiben sich natürlich die heutige Anwesenheit und den Einkauf als geleistete Stunden auf.«

      Och, das fand ich nun aber ziemlich nett von ihm. Ich hatte nicht nur keinen Finger krumm gemacht, sondern konnte überdies das Regenbogenlappen-Shoppen mit meinen privaten Einkäufen verbinden – und das bezahlt.

      Ich konnte mich nicht erinnern, mein Geld jemals leichter verdient zu haben.

      Direkt

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