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und/oder Kannen stellen, notierte ich auf meinem geistigen Notizblock.

      Egal, was ich über diesen Mann noch herausfinden würde – eines stand schon jetzt fest: Er hatte einen ausgeprägten Tee-Fetisch.

      Kapitel 5

      Wie und wo soll man um Himmels willen putzen, wenn alles blitzeblank ist?, fragt Loretta sich ratlos angesichts ihres neuen Wirkungsbereichs – aber Hilfe ist in Sicht

      Irgendwann war Gerhard Dengelmann endlich fertig mit seinem Vortrag zu Mustern auf gusseisernen Teekannen.

      Sollte es jemanden interessieren: Die klassischen Dekors waren Arare (Hagel), Hada (Haut), Muji (ohne Muster), Itome (Faden) sowie Bildmotive wie eben dieses Sakuramon, was wiederum die Kurzform für Sakura Monyou war.

      Aha.

      Nur die Tatsache, dass er diese für mich nur mäßig interessanten Informationen mit dieser wunderbaren Stimme vortrug, ließ mich zuhören. Außerdem: Konnte ja durchaus sein, dass er im Anschluss sagen würde: »So – Stifte raus, wir schreiben einen Test!«

      Aber nichts dergleichen geschah. Er stellte seinen Becher zurück auf das gusseiserne Blatt, lehnte sich wieder zurück und musterte mich. Dann sagte er: »Und Sie wollen also für mich putzen.«

      Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern und nickte. »Ich brauche einen Job.«

      »Schön, schön. Die Wohnung ist groß, das ist keine einfache Aufgabe. Mit schludriger Arbeit werde ich mich nicht zufriedengeben.«

      Das hatte ich mir beinahe schon gedacht. Was hatte die gute Frau Berger erzählt – vier Haushaltshilfen in drei Wochen? Das war eine amtliche Schlagzahl. Bestimmt war er von seiner Gattin Jutta, seiner ehemaligen Vollzeit-Haushaltshilfe, gewohnt, dass nirgends auch nur das kleinste Stäubchen lag. Und jetzt machte er die verblüffende Erfahrung, dass man den Chrom-Armaturen im Badezimmer die Benutzung tatsächlich ansah, wenn nicht jemand sofort hinter einem her polierte.

      Aber wer konnte das von ihm geforderte Reinheitsniveau schaffen, wenn nicht eine Haussklavin, die ständig um ihn herum war?

      »Woraus genau bestehen meine Aufgaben?«, fragte ich.

      »Grundreinigung«, erwiderte er. »Wie wäre es, wenn ich Sie mal durch die Wohnung führen würde?«

      Die Küche sah aus, als wäre sie noch niemals benutzt worden. Auch hier fand ich – wie schon im Wohnzimmer – Eiche rustikal vor. Auf der meterlangen Arbeitsfläche stand außer einem Toaster lediglich eine Kaffeekapsel-Maschine herum, wie ich sie aus Dennis’ʼ Büro kannte. Es gab einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Darunter stand eine dieser riesigen Plastiktaschen; sie war bis zum Rand mit leeren Pizzaschachteln vollgestopft. Frau Berger hatte also recht damit, dass Dengelmann sich überwiegend mithilfe des Pizzaservices am Leben erhielt. Im Kühlschrank würde ich vermutlich nur ein Toastbrot, etwas Butter und ein Glas Marmelade vorfinden.

      Auch das Esszimmer wirkte unbenutzt. Um einen ovalen Tisch herum, über dem ein altmodischer Kronleuchter hing, gruppierten sich sechs Stühle. Dazu gab es noch eine Anrichte – fertig.

      Welche Vergeudung von Wohnraum, dachte ich, während es weiter ins Schlafzimmer ging.

      Superbreites weißes Schleiflack-Doppelbett, aber Bettzeug nur für eine Person. Über dem Kopfende hing ein Ölgemälde mit einem kitschigen Sonnenuntergang über dem Meer. Frisierkommode, ein Behälter aus Korb für die Schmutzwäsche, Kleiderschrank über eine ganze Wand hinweg, zwei Nachtkonsolen mit schlichten Leuchten, auf einer Konsole stand ein Digitalwecker. Der Boden war bedeckt mit einem flauschigen hellblauen Teppich.

      Auch hier – wie übrigens in allen Räumen, die ich bisher gesehen hatte – hingen wallende Spitzengardinen am Fenster.

      »Haben Sie Haustiere?«, fragte ich.

      Beinahe amüsiert schüttelte er den Kopf. »Du liebe Güte – nein.«

      Du liebe Güte – wie hatte ich das überhaupt fragen können? Natürlich gab es hier keine Haustiere. Schließlich schleppten Hunde Straßenschmutz ins Haus und verteilten überall ihre Haare, Katzen schaukelten an Vorhängen und zerkratzten die Möbel, Vögel verstreuten um ihren Käfig herum krümeliges Zeugs.

      Und bestimmt machten alle zusammen irgendetwas Unsägliches und Inakzeptables mit seinem kostbaren Tee.

      Apropos Tee – nirgends entdeckte ich eine Vitrine oder dergleichen, in dem seine diversen Tee-Service ausgestellt wurden – und ganz bestimmt hatte er mehrere davon. Sicherlich gab es Teesorten, die nicht gerne in bauchigen Kannen waren. Und sollte er das Ostfriesentee-Ritual selbst praktizieren, besaß er todsicher das passende Service dazu. Das echte mit der friesischen Rose drauf. Außerdem benötigte man für das Sahnewölkchen-Ritual zwingend einen stilechten Sahnelöffel aus Ostfriesland, außerdem eine kleine Zange für den Kandis.

      So gesehen musste diese krude Mixtur aus japanischem Gusseisen und Gelsenkirchener Barock für ihn eine mentale Herausforderung sein. Vermutlich pflegte der Japaner an sich zum Tee auch weder Zucker noch Milch oder gar schnöde Plätzchen zu reichen, und er hatte es mir nur angeboten, weil er ein guter Gastgeber sein wollte.

      Nun, noch hatte ich nicht gecheckt, was sich hinter den Türen der Küchenschränke verbarg. Obwohl – irgendwie hätte ich ihn nach der eingangs zelebrierten Nummer mit dem handgerollten Tee und der besonderen Kanne dazu so eingeschätzt, dass er seine Leidenschaft gern zur Schau stellte, um sich als kultivierter Mensch zu präsentieren.

      Doch vielleicht hatte er mich auch nur einschüchtern wollen, um die Fronten von vornherein klarzustellen. Er war der Massa, ich die kleine, dumme Putze, die ganz bestimmt nur Billig-Beuteltee vom Discounter kannte.

      Von mir aus sollte er sich überlegen fühlen, das kam mir und meinem Auftrag nur entgegen. Menschen, die ihr Gegenüber unterschätzen, sind im Allgemeinen leichter zu überführen.

      Wobei noch zu klären war, ob es überhaupt etwas zu überführen gab.

      Vom Schlafzimmer aus ging es ins Bad, das die Ausmaße eines mittleren Tanzsaales hatte. Weiße Keramik vor altrosa Fliesen – nun ja. Doppelwaschtisch, ausladende Spiegel, riesige Dusche mit Glaswänden, Badewanne für mindestens drei Personen, farblich passend zu den Fliesen die Handtücher und die fluffigen Badteppiche, Schrankmöbel in Weiß, hinter deren Türen sich mit Sicherheit noch viel mehr farblich Passendes verbarg.

      Wir gingen weiter und kamen an einer Tür vorbei.

      »Das ist mein Arbeitszimmer«, sagte er. »Das gehört nicht zu Ihren Aufgaben.«

      Ich muss nicht extra erwähnen, dass ich mir umgehend vornahm, bei nächster sich bietender Gelegenheit meine neugierige Nase in die verbotene Zone zu stecken. Nicht mein Aufgabenbereich – tss. Das hatte gewiss nicht Gerhard Dengelmann zu entscheiden, was ich als meinen Aufgabenbereich betrachtete.

      Wir kehrten zurück ins Wohnzimmer, und er ging zu einem der Fenster, um die Gardinen zurückzuschieben. Dahinter kam eine Balkontür zum Vorschein.

      »Hier ist der Balkon«, erklärte er das Offensichtliche. »Zu dieser Jahreszeit nutze ich ihn natürlich nicht.«

      Ich spähte an ihm vorbei und entdeckte eine halb überdachte Loggia von der Größe einer handelsüblichen Zweizimmerwohnung. Tja, damit wäre dann auch erklärt, wofür einige der vielen Quadratmeter dieser Wohnung verplempert worden waren: Bad und Balkon.

      Mit einer Handbewegung bat er mich zurück in den Sessel, dann schenkte er noch einmal Tee ein.

      »Sind Sie eigentlich zeitlich flexibel?«, fragte er.

      Ich nickte. »Absolut.«

      »Ich würde Sie gern noch etwas fragen«, sagte er, als er mir den kleinen Becher anreichte.

      »Nur zu.«

      »Warum müssen Sie putzen gehen?«

      Okay, das war reichlich neugierig. Das ging ihn mal so gar nichts an. Aber ich wollte

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