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zwischen Grün und Blau, »im Bad ist die Hygiene ganz besonders wichtig. Ich halte es so: Dunkelgrün: Toilette, und zwar ausschließlich die Toilette – von außen, versteht sich. Hellgrün: Waschbecken und Wanne. Hellblau: Spiegel und Armaturen. Dunkelblau: Fliesen.«

      »Warum ausgerechnet diese Farben?«, fragte ich.

      »Irgendwelche musste ich ja nehmen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Irgendwie gehören die farblich ja auch zusammen. Und wenn du über Jahrzehnte mit diesem System arbeitest, denkst du überhaupt nicht mehr darüber nach. Stell dir vor, du hättest kein System dafür. Dann stehst du da und weißt nicht mehr, mit welchem Lappen du die Pipispritzer weggewischt hast, und putzt damit das Waschbecken. Schon hast du die Keime verbreitet. Und der Nächste, der das Bad benutzt, stützt sich am Waschbeckenrand ab und wischt sich dann mit den verkeimten Händen über den Mund …«

      »Hör auf!«, kreischte ich angeekelt. »Das ist ja widerlich! Gerade noch dachte ich, du übertreibst mit deiner merkwürdigen Regenbogenkollektion aus Putzlappen, aber so …«

      Sie nickte. »Siehste. Natürlich koche ich die Lappen zusätzlich regelmäßig aus. Und ich putze grundsätzlich mit Handschuhen. Wenn du keine Gummihandschuhe magst: Diese Einwegdinger eignen sich hervorragend, und zwar aus zwei Gründen. Erstens bleiben deine Hände sauber und ebenfalls keimfrei. Denn vergiss nicht: Wenn du einen verkeimten Schwamm in der Hand hattest und dann in dein Gesicht … «

      »Schon gut! Ich habe verstanden!«, keifte ich und stöhnte. »Und zweitens?«

      »Deine Haut quillt nicht so auf. Außerdem sind manche Putzmittel ziemlich aggressiv, und falls du empfindlich bist, empfehlen sich Handschuhe ohnehin als Schutz. Dein Herr Dengelmann macht mir den Eindruck, als müsstest du dort schwere Geschütze auffahren. Also Mittel benutzen, die schön ätzend nach Säure stinken. Die riechen, als könnte man damit auch Wälder entlauben.«

      »Großer Gott, das klingt ja gruselig. Sind die gefährlich?«, wisperte ich eingeschüchtert.

      »Na ja, du solltest sie vielleicht nicht unbedingt trinken, manche enthalten tatsächlich Salzsäure. Oder zu viel davon in einem kleinen, ungelüfteten Raum benutzen. Dann kann dir von den aufsteigenden Dämpfen durchaus schwummerig werden.«

      Himmel – worauf hatte ich mich da eingelassen? Dengelmann machte mir keine Angst, aber ich begann, die Putzmittel zu fürchten, die man offensichtlich auch als Chemiewaffen einsetzen konnte.

      Wir verließen das Bad und begaben uns zu meinem ersten Praxistest. Ich bekam von Doris die Aufgabe, das Küchenfenster zu putzen. Tapfer machte ich mich ans Werk und sah schon an ihrem kritischen Blick, dass ich mich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckerte. Ich mühte mich redlich ab, aber als wir das Fenster schlossen, präsentierte die unbarmherzige, tiefstehende Novembersonne ein hübsches Muster aus Putzstreifen.

      Damit würde ich bei Dengelmann niemals durchkommen, und auch Doris runzelte die Stirn.

      »Guck mir zu«, sagte sie, öffnete das Fenster wieder und griff zu einem Schwamm. Rasch wischte sie über die Scheibe, während sie dozierte: »Ein streifenfreies Fenster ist eigentlich keine Zauberei. Wichtig ist, dass du in der richtigen Reihenfolge und vor allem zügig arbeitest. Du nimmst zunächst einen Schwamm und seifst erst die Scheibe, dann den Rahmen ein. Am besten dafür geeignet ist ein leicht fettlösliches Mittel; ein Spritzer Spülmittel im Wasser tut es auch.«

      »Und was ist mit Glasreinigungsspray?«, fragte ich.

      Sie schüttelte den Kopf, warf den Schwamm zurück in den Eimer mit Putzwasser und griff zu einem lederartigen Lappen. »Um mal eben einen Spiegel zu reinigen – okay. Aber nicht für verschmutzte Fenster. Diese Sprays verursachen Streifen eher, als dass sie welche verhindern würden.« Wieder machte sie sich über die Scheibe her. »Okay, weiter. Nach dem ersten Schritt trocknest du das Glas und die Innenseiten des Rahmens mit einem Kunstlederlappen wie diesem hier; die Scheibe muss aber leicht feucht bleiben.« Sie legte den Lappen beiseite und nahm ein weiches Tuch zur Hand. »Dann geht es mit einem Mikrofasertuch oder einem Abzieher weiter. Für Ungeübte ist die Arbeit mit einem Abzieher nicht ganz einfach, aber das können wir trainieren, wenn du willst.«

      Wollte ich das? Ich war mir nicht sicher.

      Aber ich musste wohl.

      »Auf jeden Fall muss ich mir gleich noch alles aufschreiben, was du hier erzählst«, sagte ich. »Das lese ich mir dann heute Abend noch einmal durch.«

      Kichernd trocknete sie die Scheibe mit energischen Schwüngen des Lappens. »Die Streifen entstehen, wenn du zu langsam bist, verstehst du? Zur Sicherheit kannst du mit einem zweiten, trockenen Tuch noch einmal hinterhergehen. Wichtig ist aber, dass das Tuch noch nie gewaschen wurde, denn danach kann es auf dem Fenster Fusseln hinterlassen.«

      »Na toll. Und wie viele von diesen Lappen gehen dabei drauf, bis du alle Fenster durchhast? Jedes Mal ein fabrikneuer, trockener Lappen? Scheint mir vom Wareneinsatz her reichlich übertrieben.«

      »Und genau deshalb kannst du dafür auch das gute, alte Zeitungspapier nehmen. Wie gesagt: Wichtig ist, dass du die Schritte vor dem Polieren in der richtigen Reihenfolge und zügig erledigst. Noch ein Tipp: Wenn dir beim Blumengießen Wassertropfen auf die Scheibe geraten, mach sie sofort weg. Das kann üble Kalkflecken geben. Apropos Kalkflecken …«

      Sie ging zurück ins Band, und ich trottete brav hinterher.

      »Ich habe extra gestern nicht die Armaturen geputzt«, sagte sie und öffnete erneut den Lappenschrank, in dem auch die diversen Putzmittel aufbewahrt wurden. »Das wirst du jetzt erledigen. Nur zu.«

      Zögernd griff ich nach dem hellgrünen Lappen, aber sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. Aha – falsch. Huch, das war doch wohl nicht der Pipilappen? Was hatte sie noch gesagt, welche Farbe für die Armaturen reserviert war? Ich grübelte, dann fiel es mir ein: Hellblau. Ich holte den Lappen heraus und sah sie abwartend an.

      Doris nickte. »Sehr gut. Hellblau ist richtig. Jetzt weiter: Welches Mittel benutzt du?«

      Die Flaschenbatterie war beeindruckend, die Etiketten schwungvoll und grellfarben beschriftet. Ich deutete auf eine Sprühflasche, und Doris hob die Hand.

      »Falsch. Zu aggressiv. Dieses Mittel enthält Chlorbleichlauge. Wenn du ein Spray benutzt, dann darfst du es nicht direkt auf die Armatur sprühen.«

      »Warum nicht? Wie soll ich es denn sonst machen?«

      »Du sprühst es auf den Lappen, den du benutzt, ganz einfach. Der Grund dafür ist, dass der feine Sprühnebel in die Ritzen und Öffnungen der Armatur gelangen und dort großen Schaden anrichten könnte.«

      Darauf wäre ich nun wirklich in tausend kalten Wintern nicht gekommen. Meine Billig-Armatur zu Hause schien da nicht so empfindlich zu sein: Ich benutzte so ein Sprühzeugs, das ich gerne stundenlang einwirken ließ – beziehungsweise nach dem Aufsprühen vergaß und mich dann später wunderte, was zum Henker da an meinem Wasserhahn klebte.

      Sie reichte mir eine Flasche, auf deren Etikett was von ›Power‹ und von ›multi-aktiv‹ stand. »Das Allerbeste ist sowieso, die Armaturen nach jedem Benutzen kurz mit einem weichen Lappen zu trocknen, dann können die Wassertropfen erst gar keine Kalkablagerungen bilden.«

      »Man kann auch übertreiben«, murmelte ich und sprühte ein wenig von dem antiseptisch riechenden Zeug auf meinen Lappen. »Ich sehe hier keine Ablagerungen, aber das nur nebenbei.«

      Doris grinste. »Natürlich nicht. Ich mache das schließlich regelmäßig. Und bei Herrn Dengelmann wird es ähnlich sein, wenn seine Frau jahrelang dafür gesorgt hat. Aber es geht auch nicht darum, dass du schmutztechnisch herausgefordert sein wirst. Du sollst ja nicht ein Haus wieder bewohnbar machen, in dem jahrelang Messies gehaust haben und in dem überall zentimeterdicker Siff klebt. Du willst den hohen Standard in einer gepflegten Wohnung erhalten, Loretta. Und zwar unter den Augen eines überaus kritischen Auftraggebers, aber das dürfte locker zu schaffen sein. Und jetzt ab an die Armaturen, Frollein.«

      Tatsächlich erledigte ich die Aufgabe zu ihrer vollsten Zufriedenheit, und ich freute mich wie eine Grundschülerin, die zum allerersten

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