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und zeigte dann auf unseren kleinen Sozialraum – also würde sie gleich Pause machen.

      Ich schlenderte weiter zu Erwins Büro.

      »Ach, mit dir hätte ich so früh gar nicht gerechnet«, sagte er überrascht. »Aber umso besser: Dann kannst du gleich dabei sein.«

      »Wobei?«

      »Frau Berger kommt in einer halben Stunde.«

      Na, die Dame zeigte aber Präsenz.

      »Was will sie denn schon wieder?«, fragte ich. »Es gibt doch nichts, was wir zu berichten hätten.«

      Erwin zuckte mit den Achseln. »Offenkundig sieht sie das anders.«

      »Na gut. Aber jetzt habe ich erst einmal ein Date mit deinem Täubchen. Bis gleich.«

      Doris blickte mir bereits erwartungsvoll entgegen, als ich in die kleine Teeküche des Callcenters kam.

      Ich breitete die Arme aus und rief: »An meine Brust, du Göttliche! Der Mann liegt mir zu Füßen!«

      Wir umarmten uns, dann befreite sie sich und sagte: »Erzähl! Und nichts auslassen, verstanden?«

      Während sie ihren Pausenkaffee trank, lauschte sie mit leuchtenden Augen meiner lebhaften Schilderung, wie ich Gerhard Dengelmann durch meine profunde Sachkenntnis in sämtlichen Belangen des Wohnungsreinigungswesens um den Finger gewickelt hatte. »Diese kleinen Schmankerl über Parkettböden habe ich mir gestern noch im Internet zusammengesucht«, verkündete ich mit stolzgeschwellter Brust. »Und rate mal: Gleich gehe ich Regenbogenlappen kaufen, weil ich sie für mein Putzsystem dringend benötige!«

      »Dein Putzsystem, hihihi«, kicherte sie entzückt. »Wer hätte gedacht, dass meine bunten Feudel noch einmal Karriere machen würden.«

      »Auf jeden Fall bin ich jetzt längst nicht mehr so nervös wie heute Morgen«, sagte ich, »und das verdanke ich deinem wunderbaren Unterricht. Wenn ich jetzt etwas nicht so mache, wie er es gewöhnt ist, wird er denken, dass meine Technik die professionelle ist. Ich wette, er traut mir jetzt Superkräfte zu. Ab sofort bin ich Putzlappen-Girl, bewaffnet mit magischem Schrubber und tödlicher Möbelpolitur! Und kein Dreck des bekannten Universums hat gegen mich auch nur die geringste Chance!«

      Wir lagen uns lachend in den Armen, als Dennis hereinkam und verblüfft fragte: »Was ist mit euch denn los?«

      »Nichts!«, prustete Doris und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Wir haben nur festgestellt, dass Loretta magische Fähigkeiten hat.«

      Dennis grinste. »Als wenn das eine Neuigkeit wäre.«

      Frau Berger war hocherfreut, mich anzutreffen. Erwin war noch bei Dennis im Büro, also bat ich sie in die Besprechungsecke und schenkte ihr einen Kaffee ein.

      Wie gewohnt hockte sie kerzengerade auf der Sesselkante. »Frau Luchs! Was haben Sie mir zu berichten? Sie waren doch heute bei Dengelmann.«

      »Nun, wir sind uns ja im Flur begegnet«, erwiderte ich.

      »Hat er das bemerkt?«, fragte sie.

      Ich nickte. »Natürlich. Wir zwei haben uns ja einen guten Morgen gewünscht. Das hat er gehört, weil er in der Wohnungstür auf mich wartete.«

      »Und? Hat er etwas über mich gesagt?« Vor Aufregung krallten ihre Hände sich in die Armlehnen; vermutlich wäre sie auch sonst vom Sessel gerutscht.

      Leider konnte ich wohl kaum weitertratschen, was er über sie gesagt hatte.

      »Nein, nicht wirklich. Aber ich habe nach Ihrem Namen gefragt.«

      »Wie haben Sie das begründet?«

      »Ich habe behauptet, ich fände es höflicher, Sie in Zukunft mit Namen zu grüßen, sollten wir uns noch mal begegnen. In Wahrheit hoffte ich natürlich, ihm irgendwas über Sie entlocken zu können, das ihn entlarvt. Aber er hat mir nur Ihren Namen genannt. Das war alles.«

      Sie war sichtlich enttäuscht. Aber war sie es, weil er nichts über sich selbst preisgegeben hatte? Oder weil er nichts über sie gesagt hatte?

      Erwin kam herein und setzte sich zu uns, nachdem er Frau Berger begrüßt hatte.

      »Was mich interessieren würde, Loretta«, sagte er, »hat Dengelmann seine Frau erwähnt?«

      Ich schüttelte den Kopf, hielt aber dann inne. »Ja und nein. Nicht namentlich oder so. Aber es gab eine oder zwei Situationen, wo er sich beinahe verplappert hätte. Als ich ihn zum Beispiel danach fragte, wer bisher für ihn geputzt hat. Da hätte er beinahe meine Frau gesagt, kriegte aber gerade noch die Kurve und sagte stattdessen meine Putzhilfe.«

      Frau Berger stieß ein höhnisches Schnauben aus. »Da hat er ja nicht einmal gelogen. Das war Jutta schließlich für ihn: eine billige Putzhilfe.«

      »Hast du denn diesmal irgendwelche Spuren von Frau Dengelmann entdeckt?«, fragte Erwin.

      Ich schüttelte den Kopf. »Nee. Ich hatte aber auch noch keine Gelegenheit, mich richtig umzusehen. Ich habe heute auch nicht geputzt, wir haben uns eigentlich nur über das Wie unterhalten. Am Freitag geht es los.«

      »Nutzen Sie jede Gelegenheit, nach Juttas Spuren Ausschau zu halten!« Frau Berger blickte mich flehend an. »Wir müssen unbedingt Beweise dafür finden, dass er sie verschwinden lassen hat.«

      »Ich werde mein Bestes geben«, erwiderte ich. »Aber ich kann ihn ja schließlich nicht betäuben, damit ich in Ruhe die Wohnung durchschnüffeln kann.«

      »Hast du ihr Gesicht gesehen, als ich das mit dem Betäuben gesagt habe?«, fragte ich Erwin, nachdem Frau Berger sich verabschiedet hatte.

      Er nickte grinsend. »Allerdings. Sie würde nicht eine Sekunde lang zögern, zu Chloroform zu greifen, um den Weg zu einer professionellen Hausdurchsuchung zu ebnen.«

      »Ganz unter uns: Ich traue Dengelmann nicht zu, dass er seine Frau umgebracht und irgendwo verscharrt hat. Oder wo auch immer entsorgt. Wie sollte er das auch gemacht haben? Hat er sie in der Wohnung erwürgt und dann weggeschafft? Mal abgesehen von der Tötungsart – wo hat er sie hingebracht? Und: wie und wann?«

      »Keine Ahnung. Finden wir es heraus.«

      »Falls es überhaupt etwas herauszufinden gibt. Er selbst scheint vom Putzen überhaupt nichts zu verstehen. Und jetzt stell dir vor, er hätte sie zum Beispiel erschlagen. Er wäre meiner Meinung nach außerstande, Blutflecke zu beseitigen. Er kommt mir vor wie ein lebensuntüchtiger Bubi, dem jetzt seine Mami fehlt.«

      »Loretta, Loretta.« Erwin schüttelte den Kopf und ließ seine Minipli-Löckchen lustig tanzen. »Du wirst es nie lernen, oder? Die schlimmsten Mörder sind oft gleichzeitig die besten Schauspieler; das dürfte dir doch nun wirklich nicht mehr neu sein. Ich behaupte nicht, dass er seine Frau umgebracht hat. Aber die Tatsache, dass er ohne sie hilflos wirkt, ist wahrlich kein Beweis dafür, dass er es nicht getan hat.«

      Kapitel 8

      Wenn sich zwei Varianten der eigenen Realität miteinander vermischen, kann es schon mal zu Verwechslungen kommen

      Nachdem wir mein weiteres Vorgehen besprochen hatten, machte ich mich daran, das kunterbunte Equipment einzukaufen.

      Das Ergebnis der Besprechung ließ sich erwartungsgemäß in ganze drei Worte fassen: kein Risiko eingehen. Dafür hätten wir wirklich nicht zwei Stunden lang palavern müssen, denn das betete Erwin schließlich immer wieder gebetsmühlenartig herunter. Zwischenzeitlich kam ich mir vor wie ein renitenter Teenager, der die Gardinenpredigt seiner Eltern längst auswendig kann und schon lange nicht mehr hinhört.

      »Jaja«, sagte ich, als Erwin endlich mit seinem Vortrag fertig war.

      »Du weißt, was das heißt«, erwiderte Erwin.

      »Jaja heißt leck mich am Arsch«, murmelte ich.

      Zwischen seinen Brauen erschien eine tiefe Falte. »Jetzt hörst

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