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Und er sprach ums Verrecken nicht ihren Namen aus.

      Ich rührte mich nicht vom Fleck und blickte mich betont ratlos in der Küche um. »Ich fürchte, Sie wissen besser als ich, wo hier ein Salzstreuer zu finden ist.«

      »Oh, natürlich. Natürlich.«

      Er stakste los und öffnete einen der Hängeschränke, dem er eine elektrische Gewürzmühle entnahm.

      Gerade wollte er die Schranktür wieder schließen, aber ich sagte: »Nehmen Sie doch sicherheitshalber auch gleich Pfeffer mit. Dann müssen Sie nicht noch einmal laufen, falls sie danach fragt.«

      … dann stören Sie mich verdammt noch mal nicht ein weiteres Mal bei meinem Telefonat und jagen mir einen Todesschreck ein, meinte ich natürlich damit.

      Er holte also auch eine Pfeffermühle aus dem Schrank, schloss die Tür, grinste verlegen und verzischte sich wieder aus der Küche. Er hatte es zwar nicht gerade eilig, zurück zu seinem Gast zu kommen, wie mir schien – aber was blieb ihm übrig? Er konnte schließlich nicht einfach hier bei mir bleiben und die Berger alleine im Esszimmer hocken lassen. Mit meinem Essen, das ihr offenbar zu lasch gewürzt war.

      »Okay, er ist wieder weg«, wisperte ich in den Hörer, nachdem Dengelmann die Küchentür hinter sich geschlossen hatte. Trotzdem traute ich mich nicht, in normaler Lautstärke mit Erwin zu sprechen. Vielleicht presste Dengelmann ja gerade sein Ohr an die Tür und …

      Herrje – allmählich wurde ich paranoid. Warum sollte der Mann mich belauschen? Ich hatte ihn glauben lassen, dass ich mit meinem Freund telefonierte.

      »Die Berger hat dir also nichts davon gesagt, dass sie heute Abend ein Date mit Dengelmann hat?«, fuhr ich fort.

      »Natürlich nicht! Denkst du, das hätte ich dir verschwiegen? Vielleicht, um dir den Überraschungseffekt nicht zu verderben?«

      »Aber was bedeutet das?«

      »Was?«

      »Na, beides! Erstens, dass sie uns nichts davon gesagt hat. Und zweitens, dass sie hier überhaupt sitzt. Was soll das?«

      »Ich habe keine Ahnung«, murmelte er.

      »Was soll ich denn jetzt machen? Wie soll ich mich verhalten?«

      »Du machst überhaupt nichts. Hat sie dich gesehen?«

      »Nein, sie weiß nicht, dass ich hier bin. Es sei denn, er hätte ihr gegenüber meinen Namen erwähnt. Ich wüsste aber nicht, weshalb er das tun sollte. Ich hatte im Vorfeld nicht den Eindruck, dass es hier um einen lockeren Abend geht, ganz im Gegenteil. Er war eher …«

      Boing – Tür auf, Auftritt Dengelmann samt Servierwagen mit abgegrasten Tellern.

      »Schatz«, zwitscherte ich in den Hörer, »ich hab zu tun, der Nachtisch ist fällig. Bis später, Schatz!«

      Ich legte auf und wusste, ab jetzt würde Erwin darauf warten, dass ich mich noch einmal meldete.

      »Sie können das Dessert gleich mitnehmen, wenn Sie wollen«, sagte ich.

      Er schüttelte den Kopf. »Ich muss kurz ins Bad, dann komme ich wieder.«

      Vor mir aus auch das.

      Als er zurückkam, hatte ich auf den Tellern bereits kleine Kunstwerke aus Schokocremenocken, Zimtsahne und Himbeersoße angerichtet, die ich im Finish noch mit ein wenig Zimtzucker bestreuselte und mit ein paar Himbeeren ausgarnierte. Wirklich, es sah ausgesprochen hübsch aus – das hätte mir jetzt auch geschmeckt. Ich schielte zu der noch halb vollen Schüssel mit der Schokocreme … Zimtsahne und Himbeersoße gab es ebenfalls noch.

      »Reiß dich zusammen«, murmelte ich mit zusammengebissenen Zähnen, »erst wird klar Schiff gemacht.«

      Ich packte die Reste auf einen Dessertteller, dann machte ich mich ans Aufräumen. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, nach dem Kochen so schnell wie möglich die Biege zu machen, aber nun ließ ich mir Zeit.

      Ich war von Frau Bergers Anwesenheit noch immer zutiefst verunsichert. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich mich verhalten sollte.

      Was, wenn Dengelmann tatsächlich ein ruchloser Mörder und sie gerade in höchster Gefahr war, weil sie ihn mit ihrem Verdacht unter Druck setzte? Falls ja – was würde sie damit erreichen wollen? Einfach herausfinden, was mit ihrer Freundin Jutta geschehen war? Oder ging es um mehr? Wollte sie ihn dazu bringen, dass er sich stellte?

      Soll ich versuchen, in dieser Wohnung zu bleiben, bis ich sie außer Gefahr weiß?, grübelte ich, während ich die Spülmaschine im Schneckentempo einräumte, um Zeit zu schinden. Auf der anderen Seite konnte es ihr schon allein das Leben retten, dass ich von ihrer Anwesenheit wusste – immerhin war ich dadurch eine Zeugin. Nein, sie war nicht in Gefahr.

      Verdammt. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte.

      Viel Zeit würden sie für das Dessert nicht brauchen. Ein wenig Creme, ein paar Himbeeren, Sahne – wie lange konnte es schon dauern, diesen Hauch von Dessert zu verspeisen?

      Als ich mit der Küche so weit fertig war, setzte ich mich an den Tisch und begann, die Nachspeise zu löffeln. Töpfe und Pfannen hatte ich mit der Hand gespült und bereits weggeräumt. Ich musste nur noch das Geschirr vom Nachtisch in die Spülmaschine stellen, dann war ich hier fertig.

      Ich musste nicht lange warten.

      Dengelmann brachte die Teller herein und blickte sich um. »Sie haben ja schon aufgeräumt! Den Rest stelle ich selbst in die Spülmaschine. Sie sind bestimmt froh, dass Sie endlich Feierabend haben.«

      Ja und nein, dachte ich. Woher sollte ich einen Grund nehmen, weiterhin in seiner Wohnung herumzulungern?

      Da mir keiner einfiel, streckte ich die Waffen und nickte. »War denn alles zu Ihrer Zufriedenheit?«, fragte ich.

      »Es hat großartig geschmeckt«, antwortete er und lächelte. »Wir sehen uns dann am Montag?«

      Wieder nickte ich. Dann schlüpfte ich in meine Jacke, und er ließ mich hinaus. Zack – schon stand ich im Hausflur, und Frau Berger war nach wie vor in seiner Wohnung. Hatte er gerade beim Abschied nicht irgendwie irre gegrinst? So wie ein verrückter Mörder, der endlich mit seinem nächsten Opfer allein war?

      Ich konnte hier nicht ewig stehen bleiben, verdammt. Zumindest musste ich jetzt bald mal die Haustür ins Schloss fallen lassen. Widerwillig verließ ich das Haus und ging zu meinem Auto, das einige Meter vom Hauseingang entfernt geparkt war. Dennoch hatte ich einen exzellenten Blick auf beide Wohnungen. Ich sah sein erleuchtetes Esszimmerfenster, in Frau Bergers Wohnung war alles dunkel.

      Ich setzte mich ins Auto und rief Erwin an.

      »Wo bist du?«, fragte er.

      »Ich sitze vor dem Haus im Auto. Die Berger ist noch oben bei Dengelmann.«

      »Worauf wartest du denn noch? Ist noch irgendwas passiert?«

      »Nein, nichts. Ich habe nur das Gefühl, als müsste ich auf sie aufpassen.«

      »Vom Auto aus? Wie soll das gehen?«

      Ich zuckte mit den Schultern; dann fiel mir ein, dass er das nicht sehen konnte. »Keine Ahnung. Ich warte einfach, bis sie unten in ihrer Wohnung ist.«

      Erwin schnaubte leise. »Bei dieser Kälte? Viel Vergnügen. Und wenn sie die Nacht bei ihm verbringt?«

      Zuerst verstand ich nicht, was er meinte – dann fing ich an zu lachen. »Wie bitte? Die beiden?«, prustete ich. »Niemals.«

      »Wer weiß, vielleicht spenden sie einander Trost.«

      »Pfff. Ganz sicher nicht. Wenn sich jemand nicht auf diesen Abend gefreut hat, dann Dengelmann. Jetzt ist mir auch klar, warum er die ganze Zeit so wirkte, als wäre dieses Essen für ihn nur eine lästige Pflicht. Er hatte keinen Bock darauf. Als hätte er eine Wette verloren und müsste jetzt mit dem hässlichsten Mädchen der Schule auf den Abschlussball gehen. Ich frage mich, wie sie ihn dazu gebracht hat, sie in seine Wohnung zu lassen. Und warum sie uns gegenüber

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