Скачать книгу

nickte. »Am allerliebsten würde ich zuerst den Tisch eindecken und dekorieren.«

      Bei ihm konnte ich das unbesorgt so machen. Bei mir wäre das anders gewesen. Ein frühzeitig eingedeckter Tisch, der nicht jede Zehntelsekunde bewacht wurde, verführte Baghira gern dazu, darauf herumzuspazieren und sich zum Beispiel intensiv mit den Blumen zu beschäftigen. Es konnte passieren, dass man dann über den ganzen Raum verteilt abgeknabberte Blüten vorfand – mal ganz abgesehen von Katzenhaaren auf dem einen oder anderen Teller. Ging gar nicht. Und das mit den Haaren war überdies eklig – so sehr ich meinen Kater auch liebte.

      Wir gingen also ins Esszimmer, und ich baute mich sinnend vor dem ovalen Tisch auf.

      »Wie hätten Sie es denn gern?«, fragte ich. »Wollen Sie am schmalen Ende sitzen? Dann sind Sie von Ihrem Gast allerdings relativ weit entfernt. Schöner wäre es, wenn Sie sich an den Längsseiten gegenübersitzen würden.«

      »Denken Sie?«, fragte er zweifelnd.

      »Als Erstes lassen wir mal die überflüssigen Stühle verschwinden, dann können wir es ausprobieren.«

      Wir schleppten also vier Stühle ins Schlafzimmer, dann kehrten wir zum Esstisch zurück, und ich demonstrierte ihm, was ich gemeint hatte. Wir einigten uns auf die zweite Option, und er zeigte mir, wo ich Tischdecken und dergleichen fand. Wie insgeheim erwartet, verfügte der Haushalt über ganze Batterien an Gläsern, die ich für die Blumen benötigte. Da es keine Kerzenständer für die Blockkerzen gab, entschied ich, mit zwei Desserttellern vom Service zu improvisieren: ein kleiner Blumenkranz, Kerze rein, fertig. Und wenn die Teller hinterher mit Wachs bekleckert sein sollten, wusste Doris bestimmt einen Trick, um das Zeug rückstandslos zu entfernen.

      Dengelmann stand linkisch in der Gegend herum und beobachtete mich dabei, wie ich zwischen Küche und Esszimmer hin und her sauste.

      »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte er.

      Ich schüttelte den Kopf. »Wissen Sie was? Warum machen Sie sich nicht einen schönen Tee, setzen sich ins Wohnzimmer und entspannen sich, während ich mich hier um alles kümmere. Wenn ich mit dem Tisch fertig bin, rufe ich Sie. Und wenn Sie alles total bescheuert finden, machen wir es anders.«

      »Sie machen das bestimmt hervorragend.«

      Natürlich. Aber das konnte er ja noch nicht wissen.

      Zwanzig Minuten später stand ich im Esszimmer und betrachtete wohlgefällig mein Werk. Die Blumen hatte ich auf kleine Trinkgläser verteilt, die ich abwechselnd mit den Windlichtern als lockere Reihe zwischen den beiden Gedecken aufgestellt hatte. Den Abschluss bildeten rechts und links die Blockkerzen. Ich löschte das Licht im Raum bis auf eine Stehlampe, entzündete die Kerzen und Teelichte, dann rief ich nach Dengelmann.

      Sofort kam er angaloppiert und blieb in der Tür stehen, als wäre er vor eine Mauer geprallt. »Also … das ist ja …«, stammelte er und wusste nicht weiter.

      »Gefällt es Ihnen nicht? Ist Ihnen der Tisch zu aufgedonnert?«

      »Nein … es gefällt mir, sehr gut sogar. Es sieht wunderbar aus, überhaupt nicht aufgedonnert. Und Sie hatten gar nicht so viel Aufwand damit, oder?«

      Ich grinste. »Ein wenig Fantasie reicht, um es sich nett zu machen, das ist keine Zauberei. Ich finde, ein Essen schmeckt noch einmal so gut, wenn ich dabei an einem hübschen Tisch sitze. Es müssen keine meterhohen Blumenaufbauten und pompösen Kerzenleuchter sein, wie Sie sehen. Ein paar hübsche kleine Elemente reichen völlig aus.«

      Er nickte gedankenverloren. Er schien zu überlegen, warum sein Leben bisher ohne diese schlichte Weisheit und deren Umsetzung hatte auskommen müssen.

      »Wenn Sie dann das Essen servieren …«, begann er.

      »Was?«, fiel ich ihm entgeistert ins Wort. »Das gehört nicht zu unserer Abmachung.«

      »Aber ich kann das nicht, Frau Luchs! Was, wenn ich alles fallen lasse?«

      Herrje – ernsthaft? Buhuhu, ich kann das nicht … Der Mann war eine verfluchte Memme.

      Dennoch: Ich blieb hart. »Sorry, aber darauf bin ich nicht vorbereitet.«

      »Was müssten Sie denn dafür vorbereiten?«, fragte er verständnislos.

      »Sehen Sie mich an.« Ich deutete erst auf mein Ringelshirt, dann auf meine schlabbrige Jeans. »So kann ich unmöglich Essen servieren. Und über meine Klamotten werden sich demnächst zusätzlich die Spuren dessen verteilen, was ich gleich in Ihrer Küche veranstalten werde. Ich habe weder eine saubere Kochjacke dabei noch einen fleckenlosen Vorbinder oder irgendwelche einigermaßen adäquate Kleidung. Und ich rede nicht von einem Kellnerfrack, sondern einfachen, ordentlichen Klamotten. Noch einmal: Das war nicht Teil meines Auftrags. Tut mir sehr leid, Herr Dengelmann, aber wie genau das Essen von der Küche hier auf den Tisch kommt, ist nicht mein Problem.«

      Er war so fassungslos, dass er nicht sprechen konnte. Es war sonnenklar, dass er sich darüber bisher keine Gedanken gemacht hatte. Nein, falsch: Er hatte vorausgesetzt, dass er mit dem Hintern am Tisch sitzen blieb, während ihm und seinem Gast ein Gang nach dem anderen vor die Nase gesetzt wurde. Das war er von seiner Jutta vermutlich so gewöhnt.

      Aber ich war nicht seine Jutta. Je früher er es begriff, desto besser. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich die Gelegenheit nutzen sollte, um eine klare Grenze zu ziehen. Freundlich, aber bestimmt.

      »Herr Dengelmann, ich bin der gute Geist in Ihrer Küche. Der unsichtbare gute Geist. Wir finden eine Lösung. Sie haben doch diesen wunderbaren Servierwagen im Wohnzimmer, den werden wir benutzen. Ich richte in der Küche das Essen an, und Sie bringen es damit an den Tisch. Und wenn Sie mit einem Gang fertig sind, packen Sie das benutzte Geschirr auf das Wägelchen und holen den nächsten bei mir ab. Ganz einfach. Sie lassen gar nichts fallen. Zwei Teller unfallfrei auf den Tisch zu stellen, ist keine Raketenwissenschaft, glauben Sie mir. Das Essen ist auch nicht kompliziert aufgebaut und in affigen Türmchen angerichtet oder so. Da kann nichts umkippen oder dergleichen. Teller hinstellen, fertig. Das ist kinderleicht.«

      Selbst für dich, fügte ich in Gedanken hinzu.

      Großer Gott – brauchte er vielleicht auch jemanden, der ihm die Schnürschuhe zuband oder ihm eine Gutenachtgeschichte vorlas, damit er einschlafen konnte? Dann war es wahrlich höchste Eisenbahn, dass er einen Ersatz für seine Jutta fand.

      Ich ließ ihn verdattert stehen und begab mich blitzschnell in die Küche, um eventuellen weiteren Diskussionen zu diesem Thema direkt einen Riegel vorzuschieben.

      Die Lebensmittel stellte ich gruppenweise zusammen: für die Vorspeise, die Hauptspeise und das Dessert.

      Nach und nach erledigte ich die Vorbereitungen. Nachdem ich Kartoffeln und Sellerie geschält und gewürfelt hatte, stellte ich die Nusskruste für die Medaillons her, rollte sie aus und stellte sie in den Kühlschrank. Danach pürierte ich die Himbeeren zusammen mit etwas Zucker und passierte sie durch ein Haarsieb, das ich Gott sei Dank in der Küche auftrieb. Himbeersoße mit Kernen drin – das hätte mich echt genervt. Nach und nach füllten sich Schüsselchen und Behälter mit Zutaten, die ich später brauchen würde, wenn es ans eigentliche Kochen ging. Kartoffeln und Sellerie wollte ich aufsetzen, sobald der Gast eingetroffen war, damit sie frisch vom Herd kamen, wenn ich das Püree herstellte.

      Als ich meine Vorbereitungen beendet hatte, ging ich ins Wohnzimmer, um den Servierwagen zu holen. Dengelmann, der in der Zwischenzeit ein weißes Hemd und blank polierte Schuhe angezogen hatte, hockte in einem der Sessel und starrte trübe vor sich hin. Da freute sich jemand aber überhaupt gar nicht auf seinen Besuch. Als ich eintrat, schreckte er hoch.

      »Ich räume jetzt das Geschirr vom Esstisch und nehme es mit in die Küche«, erklärte ich ihm. »Das hatte ich nur hingestellt, um Ihnen den Tisch komplett eingedeckt zu demonstrieren.«

      Er nickte geistesabwesend, dann sagte er: »Kochen Sie schon? Ich rieche gar nichts.«

      Ich lächelte ihn aufmunternd an. »Das werden Sie, sobald Ihr Gast eingetroffen ist. Alles ist vorbereitet. Die einzelnen Gänge werden frisch

Скачать книгу