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S. VIII. 6, 12, 13, XXIV. 56) ist es von Reiz, zu verfolgen, wie Mozart nach der Rückkehr von der ersten Reise sich allmählich wieder aus dem italienischen Gewand herausschält. Zwar treten die unwiederholten Themengruppen, die unveränderten Reprisen und die kurzen, unthematischen Durchführungen auch jetzt noch auf, und der Anklänge an die Italiener enthält die Thematik noch viele, aber daneben machen sich Spuren eines neuen Geistes bemerklich. Ein Thema wie das folgende (K.-V. 73)

      bringt einen ganz unitalienischen, an die Mannheimer Art gemahnenden, aber noch verschärften Stimmungsumschlag, wie ihn seit Mozarts allererster Sinfonie kein Werk mehr aufzuweisen hatte, und auch das Andante von K.-V. 112 weist vernehmlich auf J. Stamitz hin. Noch stärker sind die Wiener Einflüsse. Das Wiederauftreten des Kontrapunkts und die durch den Einfluß des Konzerts hervorgerufene feinere Behandlung des Orchesters, namentlich der Bläser, sind die Belege dafür. Im Menuett von K.-V. 110 verdichtet sich die Kontrapunktik sogar bis zum vollständigen Kanon, und damit tritt ein neuer Meister in Mozarts Gesichtskreis, der ihn nunmehr immer stärker in seinen Bann zieht: Joseph Haydn. In derselben Sinfonie übt im ersten Satz das Hauptthema nicht allein einen melodischen Einfluß auf das Seitenthema aus, sondern kehrt nach dessen Ablauf sogar wieder und gelangt so zu einer Herrscherstellung im Satze, die alles eher als italienisch, aber um so mehr Haydnisch ist. Ja selbst in die Durchführung fällt ein wenn auch vorerst nur schwacher Schimmer des Haydnschen Vorbildes hinein, insofern sich kleine Ansätze zu thematischer Arbeit zeigen. Auch in der strafferen Rhythmik tauchen seine Spuren auf, am sichtbarsten in den Menuetten mit ihren oft bis zum Eigensinn selbständigen Bässen.

      Die Einwirkung des Konzertstils offenbart sich in der Loslösung der Bläser von ihrer Begleiter- und Verstärkerrolle. Schon im Andante von K.-V. 73 konzertieren im zweiten Thema die Flöten ganz selbständig mit den ersten Geigen, und im Allegro von K.-V. 112 wird das von den Oboen und geteilten Bratschen angestimmte Seitenthema immer von zwei Takten eines Streicherkonzertinos unterbrochen. Von der vollen Beweglichkeit des Haydnschen Orchesters ist Mozart freilich hier noch ziemlich entfernt, dagegen hat er ihm seine Solo- und Tuttiwirkungen am Anfang der raschen Sätze schon mit Glück abgelauscht.

      Neu ist ferner auch die Verdrängung des heiteren und flüchtigen italienischen Tones in den Schlußsätzen durch einen anderen, der teils auf deutsche Volkstänze (K.-V. 75), teils auf französische Gavotten (K.-V. 73, 110) hindeutet. Von Bedeutung ist, daß Mozart in den Schlußrondos seine Seitensätze, die sich auch hier wieder meist durch einen besonders charakteristischen Ausdruck auszeichnen, nicht mehr bloß als Gegensätze, sondern bereits auch als Ergänzung der Hauptgedanken auffaßt und so zu einer Annäherung der Rondo- an die Sonatenform gelangt, auch hier offenbar unter Haydns Einfluß.

      Auch der Durchbruch des selbständigen Mozartschen Geistes nimmt in dieser Gruppe seinen Fortgang. Er zeigt sich schon äußerlich in den nunmehr immer häufiger werdenden Anklängen an spätere Meisterwerke, wie in dem Menuett von K.-V. 110137:

      besonders aber in dem breit hinströmenden, seelenvollen Gesang der langsamen Sätze (vgl. K.-V. 110), der die üblichen Einschnitte umgeht und seine Gegensätze von innen heraus, durch Steigern oder plötzliches Umschlagen des Affektes erzielt.

      Diese deutschen Einflüsse haben auch über die zweite italienische Reise vorgehalten, die an sinfonischer Arbeit ja überhaupt nicht ergiebig war. Die F-Dur-Sinfonie (K.-V. 112), die nachweislich in diese Zeit (2. November 1771) gehört, macht zwar in Thematik und Orchestration einige Zugeständnisse an den italienischen Geschmack, verwischt jedoch die deutschen Grundlagen keineswegs138. Bei einer anderen F-Dur-Sinfonie (K.-V. 98) dagegen erscheint die Verfasserschaft Mozarts überhaupt zweifelhaft139.

      In der folgenden Reihe schreitet Mozart auf der hier eingeschlagenen Bahn rüstig fort und erreicht in Werken wie den beiden A-Dur-Sinfonien (K.-V. 114, 134, S. VIII. 14, 21) und der F-Dur-Sinfonie (K.-V. 130, S. VIII. 18) eine Höhe, die er auch in der folgenden Zeit nur ausnahmsweise wieder erklommen hat. Der italienische Ouvertürenton tritt vor individuelleren Themen, oft von echt Mozartscher Kantabilität, zurück; behandelt aber werden sie ganz im Sinne Haydns, d.h. thematisch unter Bevorzugung der Hauptgedanken; auch in der Freizügigkeit der Soli zeigt sich der verstärkte Einfluß Haydns140. Das Wichtigste aber ist, daß Mozart jetzt erstmals den Versuch macht, die vier Sätze zu einer strafferen, ideellen Einheit zusammenzuschließen und damit dem schwierigsten Problem der Sinfonik überhaupt näher zu treten. In K.-V. 130 ist es die strenge thematische und kontrapunktische Arbeit141 und die geistvolle solistische Behandlung142, die die vier Sätze verbindet, in K.-V. 134 der romantische Zug, der sich bald in inniger Schwärmerei, bald in bizarrer Laune, bald in himmelstürmender Leidenschaft äußert. Gerade diese Schöpfung des jungen Feuergeistes, von dem die große Welt außer der Haffner-Serenade nur sehr wenig kennt, wäre der Wiederbelebung besonders wert.

      Bei der engen Zusammenarbeit Mozarts mit Michael Haydn (1737–1806) ist es nur natürlich, daß dieser von ihm hochgeschätzte Künstler ebenfalls Spuren in seinen Werken hinterlassen hat143. Gleich seinem Bruder ist auch er aus der Wiener Schule hervorgegangen und hat mit ihm den optimistischen Grundzug seines Wesens gemein. Mit Mozart aber verbindet ihn sowohl die Empfänglichkeit für italienische Einflüsse als besonders jener subjektive Zug, der das Eingehen auf allerhand Einfälle des Augenblicks liebt. Auch der schöne, gleichmäßige Fluß der Mozartschen Andantes aus dieser Zeit mag auf M. Haydn zurückgehen, obgleich dieser als der weniger empfindungsreiche Künstler dabei nicht selten in den Modegeschmack zurückfällt. Ferner pflegt Haydn seinen Reprisen den Hauptgedanken nochmals als Coda anzuhängen, was sich bei Mozart in dieser Zeit ebenfalls findet. Doch zeigt sich bei diesem im Gegensatz zu den beiden Haydn die Neigung, das neue Satzglied vorerst nicht als thematische Bekräftigung, sondern nur als prunkvolle Steigerung im Stile der italienischen Stretta zu behandeln. Endlich seien auch die Schlußfugen der M. Haydnschen Sinfonien erwähnt, von denen Mozart wahrscheinlich die äußere Anregung zum Schlußsatze seiner letzten großen C-Dur-Sinfonie empfangen hat. Im allgemeinen aber war Haydn in der Kammermusik ungleich bedeutender als in der Sinfonie.

      Von kleineren Orchesterkompositionen Mozarts sei nur der Contretanz (K.-V. 123, S. XI 14) erwähnt, der mit seinen 5 Soli und 5 Tutti ganz den Tanzangaben Mozarts in einem Briefe Leopolds vom 14. April 1770 entspricht144.

      Am 15. März 1770 komponierte Mozart abends 7 Uhr in Lodi sein erstes Streichquartett (K.-V. 80, S. XIV. 1), ein Umstand, den er auch noch später im Gedächtnis behalten hat. Obwohl das Quartett in Deutschland bereits sowohl durch die Mannheimer als die Wiener, namentlich die beiden Haydn, emsige Pflege gefunden hatte, ging also die erste Anregung zu eigenem Schaffen bei Mozart von den Italienern aus. Die Gattung als solche ist wohl die eigentümlichste Frucht der großen Stilwandlung und erst nach 1750 allmählich in Aufnahme gekommen; alle vorher entstandenen "Quartetti" ("Sinfonie a quattro") erweisen sich ihrem orchestralen Stil gemäß als Sinfonien für Streichorchester mit begleitendem Cembalo. Die ältere Kammermusik wiederum rechnete durchaus noch mit dem Basso continuo. Erst als dieser allmählich verschwand, war die Bahn für eine selbständige Behandlung aller vier Stimmen frei. Am frühesten war dies bei der Gattung des Divertimentos (S. 128 f.) der Fall, das ja auch für Haydns Streichquartette den Ausgangspunkt bildete145. Zugleich aber näherte sich die neue Gattung nach Form und Inhalt mehr und mehr dem modernen Sonaten- und Sinfoniestil. Natürlich hat sich die Entwicklung nicht mit einem Schlage vollzogen. Von den vorklassischen Quartettkomponisten146 rechnen die einen entweder noch mit dem Continuo oder rufen wenigstens die Erinnerung an ihn durch eine auffallend steife Baßstimme wach, die andern verraten das Vorbild der Quartettsinfonie durch einen wenig kammermusikmäßigen, orchestralen Stil, wieder andere sind zwar zur solistischen Gleichberechtigung aller vier Stimmen durchgedrungen, bleiben aber dafür noch an der leichteren Form des Divertimentos haften. Auch bei Haydns früheren Werken ist eine reinliche Scheidung von Quartetten und Sinfonien nicht durchführbar; als voll ausgereifte, der Sinfonie nach jeder Richtung ebenbürtige Werke können erst seine

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