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und Boccherini wie für die Sinfonie, so auch für das Streichquartett von Wichtigkeit geworden. Die zeitliche Führung kommt Sammartini mit seinen "Concertini a quattro istromenti soli" (1766/67) zu147, dreisätzigen Kompositionen mit der Satzfolge Allegro-Andante-Menuett oder Andante-Allegro-Menuett. Sie weisen denselben schwungvollen und gefälligen Stil, aber auch dieselbe lockere und aphoristische Arbeit auf wie die Sinfonien; an dem Zurücktreten der beiden unteren Stimmen gegenüber den beiden selbständig behandelten Violinen merkt man noch deutlich die Einwirkung der alten Triosonate; selbst der Baß entfaltet zwar mehr eigenes Leben, erinnert jedoch noch häufig genug an die Gepflogenheiten des alten Continuo.

      Ganz genau so verhält es sich mit Mozarts erstem Versuch148: vom eigentlichen Quartettstil ist noch keine Spur vorhanden, die Hauptsache besorgen die beiden Violinen, obwohl die Viola Sammartini gegenüber selbständiger ist, der Baß trägt noch vorwiegend Continuocharakter. Der eigentümlichste Satz ist der rasche mit seinem Solmisationsthema in der Durchführung, tiefere Bedeutung kommt allerdings auch ihm nicht zu.

      Die drei folgenden Quartette in D-, B- und F-Dur (K.-V. 136–138, S. XIV. 24–26), nach dem Vorgang der beiden Haydn Divertimenti genannt und offenbar zusammen 1772 in Salzburg entstanden149, sind gleichfalls dreisätzig. Stil und Form neigen ebenfalls noch den Italienern zu, namentlich was die Rolle der beiden Geigen und des Basses anlangt, lassen dagegen in einzelnen kontrapunktischen und thematischen Partien auch schon den deutschen Einfluß der beiden Haydn erkennen. Gemeinsam ist allen drei Stücken ein romantischer Zug, der sich in den leidenschaftlichen Molltrübungen der Durchführungen bemerklich macht und im Andante von K.-V. 137 bereits das erste und dritte Thema beherrscht.

      Auf der Reise nach Mailand, Ende Oktober 1772, komponierte Wolfgang "für die lange Weile" ein Quartett, ein weiteres entstand nach des Vaters Angabe (6. Februar 1773) in Mailand150. Ohne Zweifel gehören diese zu einer Folge von 6 Quartetten in D-, G-, C-, F-, B- und Es-Dur (K.-V. 155 bis 160, S. XIV. 2–7), die der Handschrift und dem Stile nach durchaus in diese Zeit passen. Da sie sich zeitlich um den "Lucio Silla" gruppieren, so kommt ihnen aus den bereits angeführten Gründen für Mozarts Entwicklung eine besondere Bedeutung zu, die denn auch durch ihre künstlerischen Eigenschaften bestätigt wird. Der Fortschritt gegen früher liegt weniger in der Form als im Ausdruck. Die Grundlage ist noch immer italienisch, wenn auch mit einem stärkeren Zusatz deutscher, speziell Haydnscher Züge, zu denen besonders die thematischen, wenn auch immer noch knappen Durchführungen gehören; auch wird die Vorherrschaft der beiden Violinen teils durch die Führerschaft der ersten, teils durch die Gegenüberstellung der beiden Ober- und Unterstimmen abgelöst. Endlich zeigen verschiedene kontrapunktische Partien sowie Sätze wie das Andante von K.-V. 157, wo die Themen nacheinander von den Instrumenten selbständig aufgenommen werden, daß Mozart auf dem Wege zum richtigen Quartettstil einen großen Schritt vorwärts getan hat. Aber der eigentliche Wert dieser Stücke liegt auf dem persönlichen Gebiet151. Schon beim "Lucio Silla" wurde auf die Fülle neuer Gesichte hingewiesen, die sich dem mannbar werdenden Künstler unter dem überwältigenden Eindruck der Ereignisse der letzten Jahre erschloß152. Dort hatten sie sich auf dem Gebiet des Hochtragischen geäußert, in den Quartetten nehmen sie einen weit unmittelbareren, höchst persönlichen Ausdruck an, und es ist sehr bezeichnend, daß es gerade die für den subjektiven Empfindungsausdruck besonders geeigneten neuen Formen der Kammermusik, das Quartett und die Violinsonate, waren, denen der junge Meister diese neue Gefühlswelt anvertraute. Vor allem drängte jetzt eine Seite seines Wesens, die wir in den bisherigen Werken nur sporadisch aufblitzen sahen, mit aller Macht zur Aussprache: die dunkle, oft bis zum Pessimismus gesteigerte Leidenschaftlichkeit. Am deutlichsten offenbart sie sich in den Mittelsätzen, von denen die Tatsache allein genug sagt, daß vier davon in Moll stehen. Wohl treten ihre Seitenthemen zuerst in Dur auf, aber ihren eigentlichen Charakter entfalten sie erst in den Reprisen, wo sie ebenfalls in die Molltonart hineingezogen werden. Kein früherer langsamer Satz Mozarts erreicht z.B. den e-Moll-Klagegesang der ersten Fassung von K.-V. 156153 mit seinem ehernen Schritt oder den verschleierten Schmerz des Andantes von K.-V. 158, durch dessen wallende Nebelschleier immer wieder, halb rezitativisch, ein sehnsüchtiger Klageruf dringt. Auch der düstere, trotzige g-Moll-Satz von K.-V. 159 gehört hierher; das ist schon ganz der wilde, vergeblich nach Befreiung ringende Charakter so mancher späterer g-Moll-Sätze des Meisters. Auch in den Allegros ist der neue Geist am Werke, bei den Sonatensätzen in den Durchführungen154, bei den Schlußrondos in den Mollseitenthemen155, bei den Menuetts in den Trios. Er äußert sich vor allem in dem zum Gesange hindrängenden Gepräge mancher Themen, wie z.B. dem Beginn von K.-V. 157:

      Das liegt vom italienischen Ouvertürenton ebensoweit ab wie von den sprühenden Allegrothemen J. Haydns, es ist der Ausdruck eines übervollen Herzens, das sich im Gesange Luft macht. Jetzt erst nimmt Mozarts Instrumentalstil jene gesangsmäßige Färbung an, die sie von nun an mit manchen Schwankungen beibehält; selbst die figurativen Partien werden davon erfaßt.

      Mit den Quartetten offenkundig verwandt, nur noch persönlicher und leidenschaftlicher im Ausdruck, sind die sechs Sonaten in F-, C-, F- und Es-Dur und in c-und e-Moll (K.-V. 55–60, S. XVIII. 17–22) für Klavier und Violine, die Wyzewa und Saint-Foix mit großer Wahrscheinlichkeit in die Wende der Jahre 1772 und 1773 verweisen156. Sie berufen sich dabei auf die nahe Berührung mit den Quartetten sowie auf die eigentümliche Mischung deutscher und italienischer Züge. Merkwürdig ist das Zurückgreifen auf die damals bereits überwundene Form der Kammersonate (Suite) mit einem langsamen Präludium und den folgenden tanzartigen Sätzen, namentlich Menuetten und den von Mozart auch in den Quartetten bevorzugten Rondos; dazu kommt in K.-V. 57–60 noch die der alten Suite gleichfalls entstammende Einheit der Tonart. Sonatensätze modernen Schlages bilden die Ausnahme. Endlich verraten besonders in den langsamen Sätzen Baßführung Rhythmik und mitunter auch die Melodik das bewußte Streben zu archaisieren; es ist, als fühlte sich Mozart plötzlich zu der alten Kunst Corellis und seiner Nachfolger hingezogen, der auch Sammartini mit einzelnen Werken noch seinen Zoll gezahlt hatte157. Italienisch ist aber auch der große Umfang der Menuette sowie die gesangsmäßige, an den breiten Fluß der Opernarie gemahnende Charakter der Melodik. Daneben steht allerdings ganz unverfälschtes Haydnsches Gut, wie die Hauptthemen der Rondos von K.-V. 57 mit der von echt Haydnschem Witz erfüllten Coda, und von K.-V. 59, dem im zweiten Seitenthema nach Haydns Art ein Gedanke "all' ongarese" zur Seite tritt, endlich die teils kanonische, teils straff thematische Einheit mancher Menuette (K.-V. 57, 58).

      Aber alle diese Einflüsse treten zurück vor den oft mit geradezu vulkanischer Kraft hervorbrechenden Äußerungen echt Mozartscher Schwermut und Leidenschaft. Wie in den Quartetten, so fällt auch hier die große Rolle der Molltonart sowie die beträchtliche Anzahl der Vortragsbezeichnungen auf. Ein besonders leidenschaftlicher Geist herrscht in den Durchführungen, die häufig in großen melodischen und harmonischen Sequenzenketten durch allerhand finstere Gründe des Seelenlebens dahinrollen; das geht vom bloßen Wetterleuchten der Leidenschaft bis zu ihrer vollen dämonischen Entladung. Der alte Schobertsche Geist kehrt hier, ins Mozartsche gesteigert, wieder. Auch in den Themen selbst schäumt die Leidenschaft oft ganz unvermittelt auf: K.-V. 58 z.B. beginnt mit heroischer Kraft, aber schon im vierten Takt beginnt ein verzweifelter Anlauf ins ff, um alsbald auf dem verkleinerten und zerbrochenen Motiv resigniert ins p zurückzusinken. Kein Wunder, daß wir in diesen Sonaten erstmals bei Mozart an Beethoven gemahnt werden: die Ähnlichkeit des "Dolce" -Themas im Allegro von K.-V. 60 mit einem Gedanken des Schlußsatzes der cis-Moll-Sonate ist sicher nicht zufällig158. Bezeichnend ist überhaupt das beständige Hinundherwogen des Ausdrucks, das über Mannheimer Begriffe entschieden hinausgeht; dagegen fehlen die großen Crescendospannungen und Entladungen159. Von sonstigen Einzelheiten sei nur die kleine Coda des Adagios von K.-V. 56 erwähnt, die bereits die späteren knappen und doch so vielsagenden plagalen Epiloge Mozartscher Andantes vorwegnimmt. Die Rondoform aber behandelt Mozart in den Schlußsätzen mit unnachahmlicher Freiheit. Die einen von den Seitensätzen sind als Gegensätze gedacht und führen manchmal wie der in es-Moll von K.-V. 58, ganz unerwartet in dunkle Empfindungsgebiete hinein, die andern aber treiben wie von

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