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Instrumentalmusik war, so mußte der Hofflügel hinüber (d.h. ins Theater) gebracht werden, den Haydn spielte." Das scheint doch darauf hinzudeuten, daß damals die Cembalobegleitung bei einem Instrumentalstück zu den Ausnahmen gehörte. Ob dies freilich auch schon für 1770 gilt, ist fraglich. Solange Mozart ganz unter italienischem Einflusse steht, ist wohl die Cembalobegleitung anzunehmen, denn hier sind die Stellen, die eine harmonische Ausfüllung erheischen, besonders häufig, sei es, daß es sich um ein Zusammengehen der Bratschen mit den Bässen oder um große Abstände zwischen Ober-und Unterstimmen oder dergleichen handelt. Erst von 1773 an, wo der deutsche, speziell der Wiener Einfluß zunimmt, wird jene Stütze allmählich entbehrlich. Eine genaue Feststellung des Werkes, in dem das Cembalo erstmals wegfällt, ist natürlich nicht möglich.

      An der Spitze der Instrumentalformen steht nach wie vor die Sinfonie. Da ist zunächst für Mozart im Gegensatz zu Haydn sehr charakteristisch, daß er die eine der beiden Hauptformen, die bei der Entstehung der modernen Sinfonie mitgewirkt haben, nämlich die französische Ouvertüre, erst sehr spät und auch dann noch zögernd übernommen hat. Diese von Hause aus zweisätzige, in ihrer endgültigen Gestalt von Lully festgestellte Form96 besteht aus einem langsamen Satz (Grave) mit einer eigentümlich feierlichen, punktierten Rhythmik und einem weit umfangreicheren, seit Lully fugiert gehaltenen Allegro. Das Grave begleitete den feierlichen Eintritt des Königs und seines Gefolges ins Theater, es wurde mehr und mehr als einleitender Satz empfunden und behandelt, während als das eigentliche Kernstück der rasche Satz galt. Gleichwie die folgende Oper selbst, so spiegelt auch die Ouvertüre den Geist der französischen Hoffeste mit ihrem pathetischen, durch die Etikette streng geregelten Wesen und ihrer stark rhetorisch gefärbten Feierlichkeit getreu wider. Dieser Grundcharakter hat sich auch in den unter dem Pariser Einfluß stehenden deutschen Orchestersuiten lange erhalten; ganz abgeschliffen wurde er erst mit dem Auftreten der Wiener Klassiker, und hier erwies sich gerade diese zweisätzige Form als besonders brauchbar zur Aufnahme des neuen geistigen Gehaltes. Namentlich Haydn, der sie besonders liebte, hat es meisterhaft verstanden, das Sinfonieallegro durch tiefsinnige oder träumerische Einleitungen psychologisch vorzubereiten, und Beethoven benutzt sie gerne dazu, die Hauptgedanken seiner Allegrosätze hier gewissermaßen aus dem Dämmer des Unbewußten bis zur vollen plastischen Gestalt erstehen zu lassen.

      Mozart dagegen hielt sich noch lange an die uns bereits bekannte italienische Sinfonie. Diese von A. Scarlatti endgültig festgestellte Form neigt, wie die manchmal auf wenige Takte beschränkten Andantes zeigen, von Hause aus der Einsätzigkeit zu und ist demgemäß nach der vielgestaltigen, sprunghaften Welt der venezianischen Sinfonie, die zudem ihre Themen gerne der Oper selbst entnahm, der richtige Vertreter des neapolitanischen Geistes, der auch in der Ouvertüre auf Verweilen, Sichausbreiten und Verarbeiten drängt. Sie ist ein glänzender Beleg für den feinen Formensinn der Italiener, klar und übersichtlich in der Anordnung und mit ihrer einfachen Verteilung der Gegensätze zur Aufnahme des mannigfaltigsten Gedankengehaltes geeignet. Scarlattis Nachfolger haben freilich, wie gezeigt wurde, diese Vorteile nicht entfernt auszunützen verstanden. Selbst bei den ernsten Dramatikern ist und bleibt gerade die Sinfonie weitaus der schwächste Teil der Oper.

      Eine Wendung zum Besseren erfolgte erst von den vierziger Jahren ab, als sich die Sinfonie von der Oper loszulösen und auf eigene Füße zu stellen begann. An diese "Akademiesinfonien" wurden von Anfang an höhere geistige Ansprüche gestellt, und diese standen wiederum in engster Verbindung mit der großen Revolution der Geister, die damals das ganze gebildete Europa erfaßte und als deren Hauptwortführer Rousseau erscheint. Das neue Naturideal äußerte sich jetzt auch bei den Tonkünstlern zunächst im grundsätzlichen Verneinen des bisherigen Herkommens. Der geschichtliche Sinn, das moderne heilsame Gegengewicht gegen alle radikalen Strömungen, ging der Aufklärung ab; für sie war das Alte ohne weiteres auch veraltet oder, wie man es jetzt nannte, unnatürlich und unwahr, glaubte man doch damals noch allgemein an den absoluten Fortschritt in der Kunst. Darum vollzog sich der Umschwung auch mit erstaunlicher Raschheit: schon Chr. Bach, einer der begeistertsten Anhänger des Neuen, bezeichnete seinen großen Vater als "alte Perücke".

      Die Sinfonie aber, die jetzt als Hauptform der Orchestermusik an die Stelle der alten Suite trat, wurde der Hauptboden, auf dem sich die große Stilwandlung vollzog. Sie ist weder von einem einzelnen Künstler noch von einer einzelnen Schule geschaffen, sondern in allen Ländern gleichmäßig in Angriff genommen worden. Nur das Ergebnis war verschieden. Wenn Deutschland nunmehr endgültig die Führung in der Instrumentalmusik großen Stils übernimmt, so hatte es diesen Vorzug gewiß seiner vorzüglichen Organisation der Musikpflege zu verdanken, die die breitesten Volksschichten umspannte. Aber auch geistig waren die Deutschen für den neuen Stil besonders gut vorbereitet. Ihr Wesen war ja von Hause aus nichts weniger als rationalistisch, sondern im Gegenteil irrationell, deshalb hatte ihnen auch der Rationalismus erst von außen her aufgedrängt werden müssen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts aber, als im Heimatlande des Rationalismus, in Frankreich selbst, jene Tyrannei des Verstandes gebrochen wurde, besann man sich auch diesseits des Rheins wieder auf sich selbst. Gerade das Hauptmerkmal des neuen Stils, der plötzliche Stimmungswechsel, ist der beste Beweis dafür: hier gelangte der echt deutsche Drang nach naturhaften Gefühlswerten in der Kunst, die jenseits des bloßen Erkennens liegen, zu ganz überraschendem Ausdruck. Für den Deutschen war dieser Stil der natürliche, unbefangene Ausdruck seines Wesens, er mußte darum von selbst zu einem neuen, großen Kunstideal führen, während er bei den Romanen immer wieder in dem ihnen angeborenen logischen Temperament ein Gegengewicht fand.

      Trotzdem dürfen wir den selbständigen Anteil besonders Italiens an dem allgemeinen Umschwung nicht unterschätzen. Das Beispiel Pergolesis zeigt, daß hier seine Spuren zeitlich ziemlich weit zurückreichen. Außerdem hatte Italien in seiner opera buffa eine Kunst, die mit ihrer starken Betonung des Natürlichen und ihrer Opposition gegen alle konventionelle Regelmäßigkeit dem neuen Geiste entschieden verwandt war, und es ist schon mehrfach gezeigt worden, daß sich verschiedene ihrer Stilmerkmale nahe mit denen der neueren Sinfonik berühren97. Das vornehmste Ziel der Neuerer, größere Flüssigkeit und Beweglichkeit des Ausdrucks und Freiheit im Wechsel der Stimmungen, hatten die Buffokomponisten in ihrer Art großenteils verwirklicht. Auch die lockerer als die ernsten, aber auch natürlicher behandelten Buffosinfonien zeigen denselben Zug, und bereits bei der Wiener Schule ließ sich hier ein unmittelbarer Einfluß auf die Akademiesinfonie feststellen98.

      An der Entwicklung der italienischen Sinfonie haben die Akademien großen Anteil, aber auch das private Musizieren der vornehmen Welt stand zu Mozarts Zeit noch in hoher Blüte; beides läßt sich aus seinen Briefen zur Genüge belegen. Dagegen sind wir über den Stand der damaligen Komposition im einzelnen immer noch mangelhaft unterrichtet. Zum Glück ist in letzter Zeit das Schaffen wenigstens eines Meisters etwas schärfer umrissen worden, der nicht nur zu den wichtigsten italienischen Instrumentalkomponisten gehört, sondern auch von Mozart nachweislich fleißig studiert worden ist, G.B. Sammartinis, des Lehrers Glucks99. Dessen Sinfonien stehen ganz offenkundig unter dem Einfluß der Oper, ihre Themen tragen oft einen durchaus gesangsmäßigen Charakter und werden auch mit den bekannten Wiederholungen und Schlußfällen unter Verzicht auf alle Kontrapunktik ganz im Arienstil behandelt. Die alte Opernsinfonie wirkt noch in verschiedenen lärmenden Themen nach, daneben aber erscheinen individuellere Gebilde, die der Buffooper nahestehen. Auch in derartigen fortschrittlichen Sätzen bleibt Sammartinis Sinfonik heitere Gesellschaftsmusik ohne dunklere und tiefere Töne, aber ihre Tonsprache hat entschieden Charakter und mitunter hinreißenden Schwung, sie arbeitet gerne mit knappen, ungenierten, mitunter sogar herausfordernden und frechen Motiven und ist reich an Gegensätzen, zwar nicht innerhalb der einzelnen Themen selbst, sondern ihrer Reihenfolge im ganzen. Man begreift den Eindruck, den dieser lebensvolle, wenn auch häufig aphoristische Wechsel der Gedanken auf das Publikum machte. Sogar in die Durchführungen schleichen sich gerne fremde thematische Zaungäste ein. Die eigentlichen Seitenthemen sind teils kurzatmige Triogedanken im Buffostil, teils aber auch schon wirkliche Gesangsthemen. Auf eine Verarbeitung der Gedanken wird am wenigsten Wert gelegt, was wohl J. Haydn in erster Linie bewog, den Italiener einen "Schmierer" zu nennen; seine Durchführungen weisen kaum Ansätze zu thematischer Arbeit auf und sind häufig nur ganz kurze Überleitungen. Die Reprisen sind meist um die Hauptthemen verkürzt.

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