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die sinngemäße Wiedergabe der Worte "miserere nobis" und "sancta Trinitas" (im forte) auf. Im "Sancta Maria" nehmen sich die vier Solostimmen unaufhörlich das Wort vom Munde, dazwischen mischt sich auch der Chor ein; es ist ein Stück von echt neapolitanischer Weichheit, doch ohne Auswüchse, ein beständiges holdes Schwelgen in der Hingabe an die Mutter Gottes. Weit herber wird der Ton dagegen in dem "Salus infirmorum", einem Chorstück, das ganz auf dem Gegensatz zwischen der Bekümmernis der Christenheit und ihrer kraftvollen Zuversicht auf die Helferin aufgebaut ist. Am leichtesten wiegt das "Regina angelorum", von den vier Solisten ausgeführt; weit bedeutender ist das "Agnus Dei", das zunächst mit rührendem Flehen beginnt, aber schon mit dem Eintritt des Chores leidenschaftlichere Töne anschlägt und schließlich ganz überraschend mit verhaltenem Schluchzen im dunklen b-Moll verhallt, ein schönes Beispiel für das unerwartete Hervorbrechen düsterer Seelenregungen, das wir als Mozart eigentümlich schon mehrfach beobachtet haben. Sätze dieser Art beweisen, daß die "romantische Krise" von 1773 bereits ihre Vorläufer hatte, und zwar weniger in der Oper als in der Kirchenmusik Mozarts.

      Die Litanei vom hochwürdigen Gut (Litaniae de venerabili altaris sacramento), der Mozarts zweiter Beitrag aus dem März 1772 angehört (K.-V. 125, S. II. 2 mit Nottebohms R.-B.), hat einen ernsteren Charakter als die Marienlitanei. Sie besteht aus Anrufungen des hl. Sakramentes, die, fast alle dogmatisch und transzendental, an den Komponisten ähnliche Anforderungen stellen wie etwa das Credo der Messe, und deshalb aus denselben Gründen in der älteren Zeit weit besser und kirchlicher wiedergegeben wurden als bei den Neapolitanern.

      Dem Stile nach verhält sich Mozarts Litanei zu ihrer Vorgängerin wie die c-Moll-Messe zur Bologneser: sie wendet sich der modernsten neapolitanischen Schreibart zu, am sinnfälligsten gleich im Kyrie, das formell einem vom Orchester ganz folgerichtig durchgeführten, zeitgenössischen Sinfoniesatz mit hinzugefügtem Chore gleicht, und in den beiden Soloarien "Panis vivus" und "Panis omnipotentia", die dem Opernvorbild bis in die Koloraturenketten und die typische Schlußkadenz hinein folgen. Daß aber außerdem die Litanei in Salzburg in Bau und Charakter eine bestimmte örtliche Färbung aufwies, zeigt ein Vergleich mit den Litaneien M. Haydns in g-Moll45 und noch mehr L. Mozarts in C-Dur46. Wie getreu der Sohn den Spuren des Vaters folgte, lehrt die Übereinstimmung nicht allein in Tempo-und Taktart (mit Ausnahme des Agnus Dei), sondern besonders auch in der Wahl der Tonarten, nur daß bei Wolfgang alles um einen Ton tiefer steht als bei Leopold. Beide decken sich aber auch in der Auffassung der einzelnen Sätze. Es handelt sich dabei weniger um die von der Tradition vorgeschriebene Fugenform des "Pignus", die bei Wolfgang trotz ihres charaktervollen Themas zu lang geraten47 und entschieden mehr gearbeitet als inspiriert ist. Weit reizvoller ist der Vergleich der drei langsamen Einleitungssätze "Verbum caro factum", "Tremendum" und "Viaticum", in den beiden Kompositionen. Hier verhält sich bei gleicher Grundauffassung das Werk des Vaters zu dem des Sohnes wie Vorbereitung und Erfüllung, denn Wolfgang überrascht den Hörer mit einer Musik, die zu seinen bedeutendsten Eingebungen in damaliger Zeit gehört. Im "Verbum caro factum" entlockt ihm das Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes eines jener mit dem Auge des Genius geschauten, düsteren Gemälde in Moll, die uns schon mehrmals in diesen Kirchenwerken begegnet sind: in beständigem Sequenzenfluß gleiten die kühnen, dunklen Harmonien schließlich bis in das schattenhafte b-Moll hinab, umschwirrt von erregten Dreiklangsfiguren der Violinen. Ähnliche Schauer wühlt das "Tremendum" auf, worin Wolfgang von seinem Vater das tonmalerische Tremolo der Streicher übernommen hat; das anschließende Allegro ist freilich bei dem einen so farblos wie bei dem andern. Auch im "Viaticum" geht die Anlehnung an Leopold bis in die Dynamik (vgl. das f und p bei den Worten "in Domino morientium") und den Schluß auf der Dominante von b-Moll hinein48; trotzdem überragt der Sohn den Vater turmhoch in der tiefsinnigen, fast dramatisch zugespitzten Art, wie er den Tod der im Herrn Sterbenden und die zerknirschte Bitte der Zurückgebliebenen wiedergibt. Auch das "Agnus Dei" beginnt bei beiden mit einem Solo49 und schließt mit einem Chorsatz, wobei der Sohn einzelne Motive des Solos verwendet. Dieses Solo ist mit seinen großen Melodiesprüngen, Koloraturen und Kadenzen wieder gut neapolitanisch, und auch im Chor sind die Instrumente fast wichtiger als die Singstimmen; nur das "miserere" lenkt mit seiner schmerzlichen Chromatik und mit seinem sanft verklingenden, plagalen Schluß wieder einigermaßen in die kirchliche Sphäre zurück.

      Von sonstigen, sicher datierten Kirchenwerken aus dieser Zeit sind zwei Motetten "Regina coeli" aus dem Mai 1771 und 1772 zu nennen (K.-V. 108, S. III. 10 und K.-V. 127, S. III. 11). Genau gleich angelegt und behandelt beweisen sie nur, daß der neapolitanische Geist mit seinem leichten, nur sparsam imitierenden Chorsatz, seinen arienhaften Sologesängen und seinem reich entwickelten Orchesterstil auch die Motette ergriffen hatte. An Padre Martini erinnert fast gar nichts mehr, dagegen gleichen die Ecksätze aufs Haar den entsprechenden Sinfoniesätzen mit Themengruppe, ganz kleiner Durchführung und vollständiger Reprise; die Instrumente führen darum auch das Hauptwort. Auch die langsamen Mittelsätze, die ganz im Gesangsstil der Oper gehalten sind, nähern sich in Bau und Charakter den Sinfonieandantes50, nur der zweite, "ora pro nobis Deum", enthält in beiden Werken neben der landläufigen weichen Melodik individuellere, Mozartsche Züge51. Hier ist zugleich der einzige Platz für dunklere und ernstere Empfindungen, alles übrige verläuft teils opernhaft gefühlvoll, teils lebhaft und heiter, womit für neapolitanische Begriffe stets ein guter Zusatz prunkvollen Lärms verbunden ist. Die Verteilung von Solo52 und Chor ist ähnlich wie bei der zweiten Litanei.

      In eine frühere Zeit gehört der Handschrift und dem Stil nach das Offertorium o Motetto in C-Dur (K.-V. 117, S. III. 20). Es stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Zeit des ersten Mailänder Aufenthalts (Februar 1770)53, und das Mittelstück, die Sopranarie, war für einen der beiden Kastraten bestimmt, die Mozart damals kennengelernt hatte54. Die beiden Chöre folgen noch vorwiegend dem älteren Salzburger Stil, und nur die Benutzung des achten Psalmtons55 im zweiten Thema des "Jubilate":

      deutet auf die neuen Eindrücke in den Mailänder Kirchen hin; die Chorstimmen tragen die Weise nacheinander zu einer figurierten Orchesterbegleitung vor, der Chor antwortet jedesmal mit einem kräftigen "Jubilate".

      Dagegen gehört das Offertorium Inter natos mulierum auf das Fest des heil. Johannes (K.-V. 72, S. III. 18), das nach einer Tradition56 gleich nach der Pariser Reise im Juni 1769 entstanden sein soll, sicher in eine spätere Zeit. Mozart soll einem Herrn von Haasy, Pater Johannes genannt, vom Kloster Seeon, sehr zugetan gewesen sein. Sobald er ins Kloster kam, sprang er auf ihn zu, streichelte ihm die Wangen und sang dazu:

      Es ist die Melodie, mit der das Offertorium beginnt; Mozart soll seinem Freunde das Stück zu seinem Namenstage 1769 als Angebinde übersandt haben. Dem widerspricht aber der fortgeschrittene Stil des Werkes ganz entschieden; schon das breite Orchestervorspiel weist es in eine spätere Zeit. Aber auch die freie kontrapunktische Arbeit und die geistvolle, refrainartige Wiederholung des oben angeführten Themas nach verschiedenen Episoden teils jubelnden, teils nachdenklichen Charakters ("ecce agnus Dei") deuten auf größere Reife hin. Das Stück ist eine der einheitlichsten, gleichmäßigsten und charaktervollsten Kirchenkompositionen Mozarts aus diesem Zeitraum und dürfte sicher weit eher aus seinem Ende als aus seinem Anfang stammen57.

      Bei einem Tantum ergo in B-Dur (K.-V. 142, S. III. 14) erscheint Mozarts Verfasserschaft zweifelhaft, nicht sowohl wegen seines geringen Wertes58, als weil ein derartiges konsequentes Respondieren des Chors und einer Solostimme auf ganz kleinen Phrasen mit Mozarts sonstiger Art nicht übereinstimmt. Dagegen weist ein anderes "Tantum ergo" (K.-V. 197, S. III. 15), eine reine Chorkomposition, alle Stilmerkmale der Motetten aus dieser Zeit auf. Es liegt kein Grund vor, sie mit Jahn59 Mozart abzusprechen, zumal da sie einzelne seiner Lieblingswendungen enthält, wie die Phrase cis'' d'' g'' fis'' bei "veneremur cernui".

      Einen ganz anderen Charakter trägt das De profundis (K.-V. 93, S. III. 19 mit Nottebohms R.-B.) in c-Moll für vierstimmigen Chor und Orgel; wie die Handschrift zeigt,

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