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finden sich neben manchem Gelungenen in den Werken von Ant. Filtz (etwa 1730–1760), Karl (1746–1801) und Ant. Stamitz (1753–1827), Franz Beck (1730–1809), E. Eichner (1740–1777) und auch bei Chr. Cannabich (1731–1798), dessen Person wir bei Mozarts Mannheimer Aufenthalt wieder begegnen werden122. In einem Punkt haben alle diese Meister die Entwicklung folgerichtig fortgesetzt, und zwar über Haydn und Mozart hinweg bis zu Beethoven hin, dessen geistige Verwandtschaft mit den Mannheimern neuerdings mit Recht stark betont wird: in der Orchesterbehandlung. Da man in Mannheim nicht mehr wie früher abwechselnd mit geteiltem und vollem, sondern durchweg mit vollem Orchester musizierte, so fiel auch das alte Verhältnis zwischen Streichern und Bläsern dahin. Die Bläser dienen nicht mehr bloß als Verstärkungstruppe der Streicher, sie bekommen auch keine Soli nach älterer Art mehr, sondern steigen zu voller Gleichberechtigung mit jenen auf und suchen in dieser Eigenschaft eine neue Verschmelzung mit ihnen einzugehen, die ihren koloristischen und thematischen Anteil gegen früher ungeahnt erweitert123.

      Einen erheblich anderen Verlauf als bei den Süddeutschen nahmen die Dinge in Norddeutschland124. Hier ging man im wesentlichen von der Hassischen Form der Opernsinfonie aus, wurden doch Hasses Theatersinfonien sehr häufig auch in Konzerten gespielt. Das Hauptmerkmal der norddeutschen Sinfonie bis weit über die Zeit der Klassiker hinaus ist eine besonders sorgfältige Arbeit, und so spiegelt sich der Unterschied des norddeutschen und süddeutschen Wesens wie in der Klaviersonate125, so auch in der Sinfonie wider. Von den beiden Brüdern Karl Heinrich (1701–1759) und Joh. Gottlob Graun (1698–1771), die hier zeitlich zuerst zu nennen sind, ist jener entschieden der altmodischere, während sich Joh. Gottlob durch eine charaktervolle Erfindung, wie durch sorgfältige Behandlung seiner Themen auszeichnet126. Von dem neuen Geist ist er insofern berührt, als er mit fühlbaren Stimmungsgegensätzen arbeitet, allerdings nur innerhalb größerer Abschnitte; im Rahmen desselben Themas kennt er einen solchen Umschlag nicht. Dagegen finden sich bei ihm und zum Teil auch bei seinem Bruder Heinrich schon die hauptsächlichsten Merkmale der späteren norddeutschen Sinfonie, wie die Beschränkung auf die Dreisätzigkeit und die Neigung sowohl zu imitatorischer als zu thematischer Arbeit; auch seine Vorliebe für ungewöhnlich reiche Besetzung des Orchesters und für das Konzertieren der verschiedensten Instrumente gehört hierher. Im allgemeinen befindet sich freilich die Bewegung bei den beiden Grauns noch im Fluß, Altes steht noch häufig unvermittelt neben Neuem, Italienisches neben Norddeutschem im späteren Sinne. Ihren Höhepunkt und damit auch ihre volle Bedeutung für die klassische Sinfonie erreichte die norddeutsche Schule erst mit Ph. Em. Bach. Bachs eigentliche geschichtliche Bedeutung beruht zwar weit mehr auf seinen Klaviersonaten, aber die hier gewonnenen Stilgrundsätze sind auch der Sinfonie zugute gekommen. Was die Bachsche thematische Arbeit im Gegensatz zu den süddeutschen Grundsätzen für die Instrumentalmusik zu bedeuten hatte, ist bereits dargestellt worden127, es genügt daher, auf diese Schilderung zu verweisen. Mit ihrem Drang nach Logik und Ordnung bildete sie eine geradezu ideale Ergänzung zu dem mehr der Phantasie zugewandten Wesen der Süddeutschen.

      Während nun J. Haydn in den wichtigsten Seiten seiner Kunst sich den Wienern und Norddeutschen, Beethoven aber den Norddeutschen und Mannheimern zuneigt, liegen bei dem besonders aufnahmefähigen und bedürftigen Mozart die Dinge weit verwickelter. Ein bewußtes Vorgehen ist auch in der Sinfonie bei ihm lange nicht zu erkennen: er nascht bald hier bald dort, zeitweise sogar wieder bei den Italienern, und läßt daneben auch lokale Einflüsse auf sich wirken. Am nächsten stand er wohl den Wienern und Mannheimern, jenen durch seine Abstammung und die Hauptorte seiner Tätigkeit, diesen durch die mehrfach geschilderte Art seiner seelischen Anlage; zu Ph. E. Bach ist er am allerspätesten gelangt. Es ist bei den beständig sich kreuzenden Einflüssen deshalb nicht leicht, seine Stellung zu den verschiedenen Schulen im einzelnen klarzulegen, denn zum mindesten ebenso wichtig wie das, was er von ihnen übernommen hat, ist das, was er an ihnen, sei es bewußt oder unbewußt, beiseite ließ; gerade von hier aus eröffnen sich besonders wichtige Ausblicke in seine künstlerische Eigenart.

      Die nächste Folge der italienischen Reisen war, daß die fortschreitende Annäherung an den Wiener Typus, die sich in seinen letzten Salzburger Werken kundgab128, unterbrochen wurde und einem erneuten Vorstoße des Italienertums Platz machte. Sicher datiert ist aus der Zeit der ersten Reise und des darauffolgenden kurzen Salzburger Aufenthalts nur eine einzige Sinfonie (K.-V. 114, S. VIII. 14 vom 30. Dezember 1771), während von da an bis zum Ende unseres Zeitabschnittes für die große Mehrzahl der Sinfonien genaue Zeitangaben vorliegen. Nun liegt aber eine ganze Reihe undatierter Werke vor (K.-V. 74, 76, 84, 95, 97, 216 Anh. IV, S. XXIV. 2, 3, 5, 7, VIII. 11 und Breitkopf Härtels Partitur-Bibl. Nr. 54), die zwar künstlerisch nicht auf der Höhe der andern Werke aus dem zweiten Salzburger Zwischenaufenthalt stehen, sich aber doch durch ihre ausgesprochen italienische Haltung von den Werken von 1769 scharf unterscheiden. Dieser Umstand und die Angabe Mozarts vom 4. August 1770129, er habe schon "vier italienische Sinfonien gemacht", läßt mit ziemlicher Sicherheit vermuten, daß jene Erzeugnisse in das Jahr 1770 und in den Anfang des folgenden fallen. Versuche, sie innerhalb dieses Zeitraums näher zu bestimmen, können wohl zu mehr oder minder wahrscheinlichen, aber nicht zu sicheren Ergebnissen führen, hat doch an der Gestalt derartiger Schöpfungen der äußere Anlaß, für den sie geschrieben sind, häufig genug einen ebenso großen Anteil wie die rein künstlerischen Motive130.

      So verläuft die Entwicklung des Sinfonikers Mozart in einem ähnlichen Zickzack wie die des Messenkomponisten: nachdem er 1769 in Salzburg schon den Anschluß an die deutsche Kunst erreicht hat, wird er sofort nach dem Betreten des italienischen Bodens wieder zum Italiener, sucht aber während der beiden Salzburger Zwischenaufenthalte doch immer wieder den Rückweg zur deutschen Sinfonik. Und selbst als diese in seinem Schaffen den Sieg davongetragen hat, fehlt es nicht an einzelnen Rückfällen ins Italienertum. Der stets auf den äußeren Erfolg bedachte Vater mag an diesem Gang der Dinge seinen guten Anteil haben, im allgemeinen aber war er das folgerichtige Ergebnis von Mozarts eigener Künstlernatur, die nun einmal für die Eindrücke der jeweiligen Umgebung besonders empfänglich war. Auch ist dieses Sichanpassen keineswegs im Sinne kritiklosen Nachahmens aufzufassen, im Gegenteil, gerade in dieser Zeit, da der Knabe zum Manne wurde, beginnt er sich auf seine eigene Art zu besinnen und bewußt über deren ganzen Reichtum zu verfügen; am Schlusse dieses Abschnitts steht er trotz aller Anlehnung an fremde Muster als ein Eigener vor aller Welt da.

      Am stärksten ist das italienische Wesen den drei D-Dur-Sinfonien (K.-V. 84, 95, 97)131 und der G-Dur-Sinfonie (K.-V. 74) aufgeprägt. Zwei davon sind ohne Menuett (K.-V. 74, 84), zwei verbinden den ersten Satz unmittelbar mit dem zweiten (K.-V. 74, 95), alle vier ersten Sätze lassen die Themengruppe unwiederholt. Aber auch der Stil ist unverfälscht italienisch: die Hauptthemen, die sich übrigens auffallend ähneln und schon dadurch auf eine gemeinsame Entstehungszeit hinweisen, gemahnen mit ihrer leichtgeschürzten, etwas dürftigen Art ebenso an Sammartini und Genossen wie die kurzatmigen, auf die alte Triobesetzung hindeutenden Seitenthemen. Vor allem aber herrscht in diesen Sätzen die echt italienische, in unaufhörlichen Wiederholungen der Gedanken schwelgende Redseligkeit, die mehr auf eindrucksvollen Glanz und Eleganz sieht als auf Tiefe. Am flüchtigsten sind, wie bei den Italienern, die Durchführungen bedacht: sie führen zwar regelmäßig nach welschem Muster neue Gedanken ein, kommen aber über ganz kurze, von jeder thematischen Arbeit freie Überleitungen nicht hinaus132. Die vollständigen oder verkürzten Reprisen sehen von jeder Veränderung ab, wie denn überhaupt alle Auslegungskünste thematischer, kontrapunktischer oder variierender Natur verbannt sind.

      Und doch hat Mozart auch hier weder seine deutsche Schule noch seine eigene Art zu verleugnen vermocht. Jene zeigt sich in einzelnen Liedanklängen, wie z.B. dem Thema des Andantes von K.-V. 95133, in den häufigen Oktavverdoppelungen der Melodie und in der Beibehaltung des Menuetts (K.-V. 95, 97), diese in einzelnen unvermittelten Ausbrüchen eines den Italienern fremden Pathos (wie dem Beginn der Durchführung von K.-V. 97 und der g-Moll-Episode des Rondos von K.-V. 74) und in einigen auffallend gefühlswarmen Nebengedanken (vgl. das Seitenthema von K.-V. 74). Dagegen steht die Orchesterbehandlung noch ganz unter italienischem Einfluß; der Schwerpunkt beruht auf den Streichern, die Bläser dienen nur zur Verstärkung134.

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