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und packender Fülle. Aber auch als Ganzes sind die Sonaten selbst den Quartetten überlegen; jede einzelne hat ihre besondere Grundstimmung, die, mehr oder minder abschattiert, in jedem der drei Sätze zum Ausdruck gelangt.

      Auffallend ist endlich auch der Fortschritt im Klaviersatz, der auf Mozarts unausgesetzte pianistische Studien ein glänzendes Licht wirft, sowie im Verhältnis zwischen Klavier und Geige. Die Grundlage des Klaviersatzes bildet nach wie vor der von D. Scarlatti begründete Stil, aber mit der Erweiterung, die ihm namentlich Schobert hatte angedeihen lassen. Oktavenverdopplungen und Überschlagen beider Hände sowie Albertische Bässe sind nichts Seltenes, die Figuration ist individueller geworden, besonders durch einen starken Zusatz chromatischer Züge. Auch die freie Kontrapunktik spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Was aber besonders auffällt, ist die wirksame Ausnützung aller Lagen des Instruments. Mozart erzielt dadurch mitunter ganz modern klingende koloristische Wirkungen, wie z.B. mit den rollenden tiefen Bässen des Allegros und dem in tiefer Lage eingeführten, seelenvollen E-Dur-Gesang des Schlußsatzes von K.-V. 60. Endlich sei auch noch auf die beiden erstmals von Mozart voll ausgeschriebenen Kadenzen im ersten Satze dieser Sonate hingewiesen.

      Die Violine hat zwar nur in Ausnahmefällen die vollständige thematische Gleichberechtigung neben dem Klavier erreicht, aber wo dies der Fall ist, geschieht es mit ganz besonderer Wirkung, wie in dem zweiten Thema des Largos von K.-V. 57 oder in der f-Moll-Episode des Schlußrondos derselben Sonate. Sonst sind ihr nur teils Begleitfiguren, teils geistvolle Imitationen, teils harmoniefüllende, aber doch klanglich oft sehr wirksame Haltetöne (vgl. das c' zu Beginn des Schlußsatzes von K.-V. 57) übertragen.

      So sind diese Violinsonaten beileibe keine Jugendarbeiten, über die man einfach zur Tagesordnung übergehen könnte, sie tragen vielmehr in jedem Satze den untrüglichen Stempel des Genies, das sich gerade damals in heißer Leidenschaft seiner selbst bewußt wurde, und sind damit wichtiger als so manches formell vielleicht reifere, spätere Werk. 1773 erschien Goethes Götz, 1774 sein Werther. Wie hier das dichterische, so nahm in jenen Sonaten das musikalische Genie den ringenden Talenten des Sturms und Drangs das Wort vom Munde.

      Von sonstiger Instrumentalmusik stammen nachweislich aus dieser Zeit das Concerto ossia Divertimento für Streichquartett, 2 Klarinetten und 2 Hörner in Es-Dur, im November 1771 zu Mailand komponiert (K.-V. 113, S. IX. 15), das Divertimento in D-Dur für Streichquartett, Flöte, Oboe, Fagott und 4 Hörner, im Juni 1772 in Salzburg entstanden (K.-V. 131, S. IX. 16), und das vom 24. März 1773 zu Salzburg datierte Divertimento für 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 englische Hörner, 2 Hörner und 2 Fagotte in Es-Dur (K.-V. 166, S. IX. 17). Außerdem gehört das genau ebenso besetzte Divertimento in B-Dur (K.-V. 186, S. IX. 18) sicher in dieselbe Zeit. Die hier erstmals bei Mozart auftauchenden Klarinetten deuten darauf hin, daß die Stücke für die Hausmusik irgendeines Mailänder Gönners bestimmt waren, denn im Salzburger Orchester war das Instrument nicht vertreten. Dagegen ist K.-V. 131 mit seinen vier virtuosen Hörnern ein glänzender Beleg für die Leistungsfähigkeit der Salzburger Hornisten160. Alle aber sind der Form und dem Geiste nach richtige Divertimenti. Die Zahl der Sätze schwankt zwischen vier und sieben. Am reichsten ist K.-V. 131 bedacht, es hat nicht nur zwei Finales, eines in Sonaten- und eines in Rondoform, sondern schickt dem ersten außerdem noch nach Haydns Vorbild, der erste Fall dieser Art bei Mozart, eine Adagioeinleitung voraus. Von den beiden Menuetten hat das zweite zwei, das erste sogar drei Trios; im ersten führen die Hörner, im zweiten die Holzbläser das Wort, im dritten konzertieren beide zusammen. Beiden Menuetten ist zum Überfluß noch eine Coda angehängt, die beim ersten den ganzen Hauptteil, beim zweiten nur seine erste Hälfte durch das ganze Ensemble wiederholt. Staunenswert ist der Klangsinn und die Freiheit, mit der bereits hier die Praxis des Konzertierens geübt wird; auch die beliebten instrumentalen Witze fehlen nicht. Der Charakter geistvoller und anregender Unterhaltungsmusik ist durchaus gewahrt, von dem leidenschaftlichen Charakter der gleichzeitigen Instrumentalmusik findet sich kaum eine Spur. Nur in den seelenvollen Adagios von K.-V. 131, 166 und 186 taucht jene holde, gesangsfreudige Schwärmerei auf, die jenen Werken eigentümlich ist.

      Anhangsweise mögen noch einige kleinere Gesangsstücke aus dieser Zeit erwähnt werden: die bisher nicht veröffentlichte Arie "Non curo l'affetto" aus Metastasios "Demofoonte", 1771 für das Theater in Pavia geschrieben161 und ganz im Stil der Arien des "Mitridate" gehalten, und zwei deutsche Lieder auf Texte von J.C. Günther: "Ich hab es längst gesagt" und "Was ich in Gedanken küsse" (K.-V. 149, 150, S. VII. 5, 6). Es sind recht anspruchslose Kompositionen im Stile der Norddeutschen, an die namentlich auch die deutsche Überschrift des zweiten "Im Tempo eines gewissen geheimen Vergnügens" erinnert, der Beginn ist sogar mit dem eines Sperontesschen Liedes identisch162. Die straffe Gliederung des Tanzliedes herrscht noch vor. Im Ausdruck ist das erste besser gelungen; in dem Melisma auf "längst", der unwirschen Wendung bei "plagt" und dem polternden Basse bei "billt" treibt sogar ein gutgelaunter Schalk sein Wesen.

      Fußnoten

      1 S.o.S. 4. Eine "Chronik des Gesanges und der Musik in Salzburg" gibt seit 1874 Hammerle heraus.

      2 Koch-Sternfeld, Die letzten 30 Jahre des Erzbistums Salzburg S. 255. Burney, Reise III 260 f. Schubart, Ästhetik S. 157.

      3 Vgl. den oben S. 3 angeführten, vermutlich von L. Mozart herrührenden Bericht bei Marpurg, Krit. Beitr. III 183 ff. Manche Notiz bietet der Mozartsche Briefwechsel. B. Pillwein, Lexikon salzburgischer Künstler (Salzburg 1821) ist für die Musiker oberflächlich, ebenso die Biographien salzburgischer Tonkünstler (Salzburg 1845).

      4 Einzelne besonders hervorragende, wie der Tenorist Fel. Winter und der Baritonist Jos. Nik. Meißner, wurden sogar nach Italien geschickt und nachher als Solosänger angestellt. Über Meißner, der auch als dramatischer Komponist tätig war, vgl. L. Mozart bei Marpurg, S. 190 f., Schubart, Teutsche Chron. 1775, 408. Dreßler, Theaterschule S. 42. Hammerle S. 53.

      5 J.E. Altenburg, Anleitg. z. heroisch-mus. Trompeter- und Paukerkunst (Halle 1795) I 26 f.

      6 a.a.O. 195. Eine ähnliche Einrichtung verlangt Mattheson, Neu eröffn. Orchester I 158 f.

      7 Über ihn vgl. P. Sigism. Keller MfM 5, 41 f. und Hammerle S. 31.

      8 Über ihre Obliegenheiten vgl. L. Mozart S. 187 f.

      9 S. unten.

      10 Hiller, Wöch. Nachr. I 53.

      11 Fürstenau, Beitr. S. 161 und 164. Vgl. noch O. Teuber, Gesch. des Prager Theaters I 268. Er war mit Bustelli zuerst in Prag, dann in Dresden. Seine Opern "Vologeso" (1774) und "Nitteti" (1775) wurden in Prag aufgeführt.

      12 [Schinn und Otter], Biographische Skizze von M. Haydn, Salzburg 1808. J. Ev. Engl, Zum Gedächtnis J.M. Haydns 1906. O. Schmid, J.M. Haydn 1906. Eine Auswahl seiner Messen DTÖ XXII, Band 45, seiner Instrumentalwerke DTÖ XIV 2 (L.H. Perger).

      13 B III 313.

      14 B IV 42 ff. Ähnlich K. R(isbeck), Briefe e. reis. Franz. I 357. Später war Haydn bekanntlich sehr fleißig.

      15 B I 244.

      16 B III 288 f. Wolfgang sagt von A. Schweitzer B I 133: "trocken und glatt wie unser Haydn, nur daß die Sprache feiner ist."

      17 B III 200 f., 207.

      18 B IV 105.

      19 B II 208. Dies Buch (erwähnt Cäcilia IV, S. 290 f.) enthielt nach einer Notiz von Al. Fuchs von Mozarts Hand in Partitur geschrieben:

       M. Haydn, In te domine speravi, fuga a 4 voci 2 Viol. Org.

       Eberlin, Missa canonica a 4 voci Organo (drei verschiedene).

       Eberlin, Hymnus Recessit pater noster a 4 voci.

       Eberlin, Hymnus Tenebrae factae sunt

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