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seine Wahl war gegen ihren Wunsch erfolgt, und sie ließen ihn bei seinem Regierungsantritt ihre Abneigung auch deutlich genug fühlen6. Aber auch bei ihnen kam dieses Gefühl nicht aus ganz reinem Herzen, denn es zeigte sich sehr bald, daß der neue Fürst mit so manchem, dem leichtlebigen Volke liebgewordenen Schlendrian seines Vorgängers kräftig aufräumte. Er war ein gescheiter, klarer Kopf, der Aufklärung sehr stark zugeneigt, vielseitig gebildet und außerdem zäh und energisch genug, um das von ihm als richtig Erkannte auch durchzusetzen. Dabei besaß er eine ungewöhnliche Menschenkenntnis, die sich weder von Schmeichelei noch von Heuchelei irreführen ließ. Den Salzburgern begegnete er von Anfang an sehr bestimmt, gelegentlich auch kalt und rücksichtslos7, aber wohl kaum um sich für seinen frostigen Empfang zu rächen, sondern in der Überzeugung, auf diese Weise seine Pläne am raschesten und sichersten durchzusetzen. Seine Beamten und Räte, überhaupt alle seine Untergebenen hielt sein kurz angebundenes Wesen, das mit Lob und Anerkennung äußerst sparsam war, beständig in scheuem Respekt; was nicht von höherem Adel war, wurde mit dem üblichen gebieterischen "Er" kurz abgefertigt8. Das alles war freilich für viele eine harte Pille, denen der alte, friedfertige Erzbischof so manches durch die Finger gesehen hatte, aber dem Lande brachte die neue Regierung doch eine ganze Reihe wichtiger Reformen, unter denen die Ordnung des arg zerrütteten Finanzwesens obenan steht. Gewiß teilte auch Hieronymus die Anschauung des damaligen aufgeklärten Despotismus, daß sich das Leben jedes Untergebenen unbedingt nach der Meinung des Fürsten zu richten und daß der Untertan in ihm unter allen Umständen seinen Wohltäter zu erblicken habe. Aber diesem Satze hatten sich damals alle Künstler zu beugen, die in fürstlichen Diensten standen, und die meisten haben sich dabei auch wohl befunden. Wenn es im Falle Mozart anders kam, so lag die Schuld mindestens ebensosehr an den Bediensteten wie an dem Herrn. Zunächst steckte in L. Mozart selbst ein kleiner Despot, der seine Selbständigkeit ungern einem fremden Willen opferte, auch fühlte er bald, daß seine gewohnten, anderen hochmögenden Herrn gegenüber mit Erfolg angewandten diplomatischen Künste bei diesem Fürsten nicht verfingen. Der alte Erzbischof hatte ihn bei der Verfolgung seines Lebenszieles, dem Sohne draußen in der Welt zu Ruhm und Ansehen zu verhelfen, stillschweigend gewähren lassen, der neue dagegen verlangte vor allem strengste Erfüllung seines Dienstes und hatte den von seinem Standpunkt aus gewiß richtigen Grundsatz, daß seine Kapelle in erster Linie für seinen Hof und nicht für fremde Höfe da sei. Ohne Zweifel zählte er Leopold von Anfang an zu denen seiner Beamten, denen er die Zügel straffer anziehen müsse, und versetzte ihn so in einen Zwiespalt der Pflichten, der gerade diese schwerblütige Natur besonders hart treffen mußte. Auch persönlich scheint zwischen beiden eine ziemliche Abneigung geherrscht zu haben; dem Fürsten mit dem strengen Zug um den Mund und dem scharfen Blick der grauen Augen, von denen das linke selten ganz geöffnet war9, flößte sein eigenwilliger Vizekapellmeister, der, wenn es um seinen Sohn ging, zu allem fähig schien, von Anfang an starkes Mißtrauen ein, und dieser wiederum machte, wie wir schon sahen und weiterhin sehen werden, auf allerhand Umwegen unablässige Versuche, den Sohn aus der Salzburger Enge loszulösen.

      Auch Wolfgang gegenüber verhielt sich Hieronymus von Anfang an kritisch, wohl weniger weil Graf Ferdinand von Zeill, später Bischof von Chiemsee, dessen edelmütigem Zurücktreten jener seine Wahl verdankte10, sein besonderer Gönner war, als weil ihm der Übermut und die scharfe Salzburger Zunge des Knaben einer strengen Zucht besonders bedürftig schienen. Trotzdem ist ihm sein ungewöhnliches Talent nicht verborgen geblieben, und er hat Wert darauf gelegt, ihn in seinen Diensten zu behalten. Daß er ihn deshalb besonders geringschätzig behandelt hätte, um ihm keinen höheren Gehalt zahlen zu müssen11, ist trotz seiner Sparsamkeit wenig glaubhaft. Er war es, der dem Sechzehnjährigen 150 Gulden aussetzte, und auch sein späteres Gehalt von 450 Gulden bedeutete den übrigen Musikern gegenüber eher eine Bevorzugung als eine Zurücksetzung12. Die Italiener bekamen allerdings bedeutend mehr, aber das war nicht Salzburger Willkür, sondern damals an allen deutschen Fürstenhöfen der Brauch. Auch kann im Hinblick auf die Liste der Kapellmitglieder13 keineswegs von einer besonderen Bevorzugung der "Welschen" gesprochen werden: der Kapellmeister Fischietti, Lollis Nachfolger, der Violinist Brunetii, der Cellist Ferrari, der Oboist Ferlendi und der Kastrat Ceccarelli – das waren alle Italiener, die sich in Hieronymus' Kapelle befanden. Gewiß hatte auch er, wie die meisten damaligen Fürsten, eine Vorliebe für die Italiener, obwohl er gelegentlich auch sie hart anließ14, und an Ungebührlichkeit dieser Fremden und Reibereien mit den Deutschen hat es in Salzburg so wenig gefehlt wie anderswo15. Wir wissen aber auch von der Stuttgarter Reise her16, daß gerade L. Mozart bei allen wirklichen oder vermeintlichen Kränkungen stets italienische Ränke witterte, auch wo gar kein Grund dazu vorlag; dieses Mißtrauen gegen die Italiener hat er mit Erfolg auch dem Sohne eingeimpft. An offiziellen Aufträgen für Wolfgang ließ es der Erzbischof nicht fehlen, wenn auch von einer besonderen Bezahlung dafür allerdings nicht die Rede ist; verpflichtet war er dazu aber natürlich nicht, wie er denn mit derartigen besonderen Huldbeweisen auch andern gegenüber sehr sparsam war. Sein Verhalten Mozarts Kunst gegenüber war außerdem stark von seinen persönlichen musikalischen Anschauungen beeinflußt. Man wird diese doch höher einschätzen müssen als bisher, mindestens was die Kirchenmusik betrifft. Dafür spricht allein schon sein Verbot der üblichen trockenen Fugenarbeit in den Messen (S. 253) und seine Ersetzung der gespielten Gradualien durch gesungene (S. 264). Auch ist er, wie sein Hirtenbrief von 1782 zeigt, für deutsche Lieder im Gottesdienst warm eingetreten. In der weltlichen Musik scheint sein Geschmack allerdings vorwiegend italienisch gewesen zu sein, und demgemäß hatte er an Wolfgangs Leistungen allerhand auszusetzen17. Dabei ließ er einmal das uns von L. Mozart berichtete18, kränkende Wort fallen, Wolfgang verstehe überhaupt nichts und müsse erst ein Konservatorium in Neapel besuchen, um die Musik zu studieren. Es stammt freilich aus der Zeit unmittelbar nach dem Bruche und beweist nur, welchen Grad die Gereiztheit auf beiden Seiten erreicht hatte. Beim Erzbischof hielt sie indessen nicht lange vor: das reife Künstlertum Mozarts hat er später neidlos und ohne jeden Groll anerkannt. Nicht bloße Tyrannenwillkür des Fürsten war es also, die zum schließlichen Bruch führte, sondern die Verschiedenheit der Charaktere und Anschauungen.

      Für Hieronymus, den überzeugten Anhänger der Aufklärung, hatte die Musik lediglich den Zweck, dem materiellen Nutzen der Menschheit zu dienen; er war auch hier für Reinlichkeit und Korrektheit und haßte alles Irrationelle, das sich der Kontrolle des Verstandes entzog. Nun gingen aber in der Seele des jungen Meisters, wie wir sahen, um 1773 Dinge vor, die mit dieser wohlgeregelten Ordnung unvereinbar waren, es ließ sich eine Persönlichkeit vernehmen, die dem Kirchenfürsten nicht bloß unheimlich, sondern geradezu gefährlich erscheinen mußte. Lange Zeit wurde der Bruch hintangehalten, vor allem dadurch, daß der Künstler seinen Dämon zügelte und sich dem Geschmacke seines Herrn wieder mehr anbequemte. Aber der Gegensatz dauerte im Geheimen fort. Es war der erste folgenschwere Konflikt Mozarts mit der gesamten, vom Adel vertretenen älteren Kunstauffassung, in der auch sein Vater noch durchaus befangen war, und er mußte schließlich bei der unbeugsamen Ehrlichkeit beider Parteien damit enden, daß der Künstler sich entschloß, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, und ohne höheren Schutz, aber als sein eigener Herr seiner Wege zog.

      Als der Erzbischof im Sommer 1773 nach Wien reiste, beschloß Leopold, mit seinem Sohne ein Gleiches zu tun. Zunächst war nur ein kurzer Aufenthalt geplant, da jedoch der Erzbischof noch nicht gleich nach Salzburg zurückkehrte, gestattete er ihnen gleichfalls, länger auszubleiben. Daß der Zweck dieser Reise war, Wolfgang irgendwie in Wien unterzubringen, ist so gut wie sicher; bereits munkelte man in Salzburg, L. Mozart rechne für seinen Sohn auf das Ableben des damals erkrankten Kapellmeisters Gaßmann. Natürlich weist er einen derartigen Verdacht mit Entrüstung zurück19, daneben enthalten seine Briefe jedoch verschiedene geheimnisvolle Anspielungen, die deutlich allerhand Nebenabsichten verraten. Erfüllt hat sich allerdings keiner dieser Wünsche. Die Hofkapellmeisterstelle Gaßmanns, der 1774 wirklich starb, erhielt der bisherige Hofkompositeur Bonno20, und auch sonst fand Wolfgang verschlossene Türen. Selbst bei Hofe hatte er diesmal kein Glück. Zwar war der Empfang bei der Kaiserin sehr huldvoll, der Kaiser aber kam erst im September aus Polen zurück und scheint die Mozarts gar nicht empfangen zu haben.

      Der Verkehr mit den alten Bekannten Laugier, Martinez,

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