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Mann an.

      „Sie haben es doch selbst befohlen, Don Julio“, schaltete sich Pergoza ein. „Wenn der Mann nicht übersetzt, erfahren wir es nicht.“

      „Wie? Ach ja. Weiter, Kerl, was heißt das?“

      „Alter Hurenbock“, murmelte der Mann so leise, daß man ihn kaum verstand.

      Don Julio traf fast der Schlag. Er war nahe daran, den Mann persönlich zu züchtigen, der die undankbare Aufgabe hatte, das beleidigende Geplärre und Gezeter zu übersetzen, denn Don Julio fühlte sich jedesmal persönlich angesprochen, und so gab es etliche Mißverständnisse.

      Der Mann war heilfroh, als Sir John wieder mit spanischen Brocken loslegte und er das Achterdeck verlassen konnte.

      „Rhabarberarsch“ und „triefäugiger Jauchetreter“ gaben Don Julio endgültig den Rest. Er konnte sich kaum noch beherrschen. Seine Lippen zitterten vor Wut, seine Augen schossen Blitze.

      „Hiergeblieben!“ donnerte er den Mann an, der übersetzt hatte und jetzt vor Angst in sich zusammenkroch. Am Niedergang blieb er ängstlich stehen und sah zurück.

      „Veranlassen Sie, daß der Mann aufentert und den Vogel fängt, Señor Pergoza“, befahl Don Julio heiser. „Er soll ihm den Schnabel zubinden und ihn mir unverzüglich bringen.“

      „Zu Befehl, Don Julio.“

      Auf der riesigen Galeone herrschte fast Wuhling, und alle verrenkten sich die Hälse, um zu sehen, was da weiter vor sich ging. Die meisten hatten das fremde Schiff vergessen, nur Don Julio nicht. Der warf abwechselnd einen Blick auf den Schreihals und dann wieder zum Land hin. Mit Genugtuung stellte er fest, daß sich der Abstand beträchtlich verringert hatte und die Galeone noch an derselben Stelle lag, als sei sie dort festgenagelt.

      „Aufentern!“ befahl Pergoza. „Den Vogel fangen, ihm den Schnabel zubinden und aufs Achterdeck bringen, Hopp auf, Mann!“

      Der verstörte Spanier begann damit, den Befehl auszuführen und enterte in den Webeleinen des Besanmastes auf.

      Er erreichte das Rack der Kreuzrah und sah den Schreihals dicht vor sich, der jetzt ein Bein angezogen hatte und auf der Kreuzrah neugierig den Mann anplierte. Der Blick des bunten Vogels schien etwas tückisch zu sein, als er zögernd die Hand ausstreckte.

      „Lieber Vogel, guter Freund“, schmeichelte der Spanier, hielt sich mit einer Hand fest und streckte ganz langsam die andere aus. Nur noch eine Armlänge trennte ihn von Sir John, der jetzt etwas mißtrauischer und gleichzeitig noch tückischer aussah.

      „Gurrgurr, Gluckgluck“, lockte der Spanier.

      „Verwanzter Bilgenhering!“ kreischte Sir John laut und grell, daß es den Mann in den Ohren schmerzte und er einen Schreck kriegte. „Schnarchsack, dreckige Kanalratte“, mußte er sich anhören.

      Sir John fuhr seinen Piratenhaken aus und spazierte ein kleines Stück weiter auf der Rah entlang, bis ihn wieder mehr als eine Armeslänge von dem Mann trennte.

      Dort zog er erneut das rechte Bein ein, das entfernt einem Enterhaken mit drei Zacken glich.

      Der Spanier fluchte unterdrückt.

      „Na warte, du Mistvieh! Wenn du glaubst, mich zum Narren halten zu können, werde ich dir gleich mal was zeigen.“

      Er hockte sich rittlings auf die Kreuzrah und schob sich auf ihr entlang, denn von unten erklang bereits Pergozas ungeduldige Stimme, der seinerseits wieder von Don Julio angemeckert wurde.

      Sir John sorgte für beträchtliche Aufregung.

      Der Spanier griff ganz überraschend mit beiden Händen zu und ließ sich nach vorn fallen. Seine Beine umklammerten dabei die Kreuzrah, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Er grapschte mitten hinein in Sir Johns prächtiges Gefieder und drückte zu.

      „Ich hab ihn!“ schrie er wild.

      Dachte er, denn er hatte Sir John zwar, aber der ließ sich das keineswegs gefallen und reagierte bösartig, wenn ihm jemand ans Gefieder wollte.

      Er biß dem Mann mit seinem Riesenschnabel, mit dem er mühelos große Nüsse knacken konnte, in den Daumen. Er biß kräftig und sehr wütend zu. Der Schmerz drang dem Spanier durch und durch. Er stieß einen wilden Schrei aus und riß seine Hand zurück.

      Bei der heftigen Bewegung verlor er den Halt. Mit einem weiteren irren Aufschrei stürzte der Don von der Kreuzrah, flog an dem wie gelähmten Don Julio vorbei und landete hinter der Besanrüste wie ein dicker Frosch im Wasser. Es klatschte so laut, als sei eine Kanonenkugel vor der Bordwand eingeschlagen.

      In dem quirligen Blasen des Kielwassers tauchte er wieder auf und brüllte verzweifelt um Hilfe.

      „Mann über Bord!“ gellte ein Schrei über alle Decks.

      Don Julio zitterte vor Wut wie Espenlaub und kriegte kaum den Mund auf.

      „Sancta simplicitas“, murmelte er betroffen. „Und das auf einem Kriegsschiff Seiner Allerkatholischsten Majestät!“

      Er stand da und bekreuzigte sich wieder. Fast teilnahmslos sah er zu, wie dem über Stag gegangenen Mann eine Gräting nachgeworfen wurde.

      Und er hörte wie aus weiter Ferne Pergoza eindringlich sagen: „Mann über Bord, Don Julio.“

      In Don Julio kam schlagartig Bewegung. Wütend fuhr er herum.

      „Der Kerl soll zum Land schwimmen. Wir können jetzt keine Rettungsmanöver ansetzen. Er ist zu dämlich gewesen, das Bad wird ihm nicht weiter schaden.“

      Der Mann hatte sich inzwischen im blasenwerfenden Kielwasser freigestrampelt und wußte wohl, daß er keine Hilfe zu erwarten hatte. Diese gewaltige Kriegsmaschine konnte nicht einfach angehalten werden, dazu bedurfte es langwieriger und umständlicher Manöver, die sich so dicht unter der Küste von selbst verboten.

      So schwamm er entnervt zum Land und sah dem Heck jenes Schiffes nach, auf dem er eben noch gedient hatte. Er fühlte sich ungerecht behandelt und fluchte Don Julio und allen anderen lautstark die Knochen ab.

      Da stand er nun im fremden Mauretanien und sah erbittert seinem Schiff nach, das ruhig seine Bahn zog. Zu allem Unglück hatte er auch noch einen stark lädierten und blutenden Daumen.

      Sir John berührte das alles nicht. Er legte den Kopf schief und sah dem Mann nach, der mit einem wilden Aufschrei im Wasser verschwand. Das Geschrei störte ihn nicht weiter, wohl aber seine teilweise gerupften Federn, die er jetzt sehr sorgfältig zu putzen begann.

      Nur einmal hob er den Kopf und öffnete den Schnabel.

      „Aufgedockte Kanalratten!“ verkündete er und widmete sich erneut der Gefiederpflege.

      Für Don Julio war damit das Maß aller Dinge überschritten. Dieser Vogel hatte alles durcheinandergebracht und für Aufregung gesorgt. Er hatte ihn der Lächerlichkeit preisgegeben, und ein Mann war seinetwegen über Bord gegangen.

      „Was zuviel ist, ist zuviel“, sagte er, vor Wut schäumend. „Das ist kein Vogel, das ist ein Dämon. Holen Sie sofort einen Musketenschützen aufs Achterdeck, Señor Pergoza. Der Vogel wird von der Rah geschossen. Ich werde ihn mir ausstopfen lassen.“

      „Ein Musketenschütze aufs Achterdeck!“ brüllte Pergoza.

      Der Stückmeister setzte einen Seesoldaten in Marsch, der mit geschulterter Muskete das Achterdeck betrat und sich in diesem Augenblick fühlte, als sei er der Nabel der Welt. Er hatte wohl das Gefühl, ganz Spanien von einem lästigen Übel zu befreien und reckte die Brust unter seinem Brustpanzer gewaltig raus.

      Er trat vor den Kommandanten und salutierte.

      „Den Vogel abknallen!“ schrie Don Julio, dem die Zornesader auf der Stirn zu beängstigender Dicke anschwoll. „Wenn Sie ihn nicht treffen, landen Sie in der Vorpiek.“

      Der Soldat salutierte wieder, ließ sich auf die Knie nieder und visierte mit der Muskete Sir John an. Der Vogel hockte jetzt dicht vor der Besangaffel.

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