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Vierzig-Pfünder in den Bastard hinein.

      Das Bersten der Explosionen übertrug sich mit heftigen Schwingungen der Decksplanken bis zu seinen Füßen. Das Deck wirkte wie ein riesiger Resonanzboden.

      Auf der „Isabella“ brachen die Wanten, und dunkle Holzsplitter wirbelten in einem wilden Regen durch die Luft. Ein Segel zerfetzte und trieb davon. Eins der festgezurrten Beiboote löste sich im grellen Blitz einer Explosion in seine Bestandteile auf und flog auseinander.

      Schuß um Schuß folgte, und jeder Schuß war ein Treffer. Das Achterkastell wurde von einem Einschlag zerfetzt. Die Bleiglasfenster barsten mit donnerndem Knall, und gleich darauf rasierte eine schwere Kugel den Besan dicht über dem Achterdeck weg. Er schlug der vollen Länge nach aufs Deck und zertrümmerte alles mit seinem Gewicht.

      Zwei weitere Treffer zerfetzten das stehende und laufende Gut des Großmastes. Der Mast knickte im oberen Drittel weg. Segel und Tauwerk hingen traurig herunter.

      An Deck schrien die Kerle und brachten sich vor den fallenden Brocken in Sicherheit. Einige von ihnen hantierten an Kanonen, waren aber nicht in der Lage, auch nur einen Schuß abzufeuern, denn pausenlos hämmerten jetzt die Kugeln in den Rumpf des Schiffes, der von vorn bis achtern aufriß. Ein Wasserschwall ergoß sich in das Innere der Galeone.

      Dann erwischte es auch noch den Fockmast. Er wurde gespalten, kippte nach Steuerbord weg und trieb in der See. Die Galeone drehte sich hilflos im Kreis. Das Ruder war ebenfalls stark beschädigt.

      Damit war die „Isabella“ entmastet und erledigt.

      „Klar zum Entern!“ schrie Don Julio. Er schwang wieder seinen Degen, und seine müden Augen blitzten angriffslustig.

      „Sie sind weg, Don Julio“, hörte er eine Stimme wie aus meilenweiter Entfernung.

      Don Julio de Vilches erwachte aus seinen Wunschvorstellungen. Völlig verständnislos blickte er in das Gesicht des Ersten Offiziers, der ihn etwas mitleidig anzublicken schien.

      „Was – was ist denn los?“ fragte er, als habe er gerade einen fürchterlichen Traum gehabt.

      „Die Kerle sind schneller als wir, Don Julio. Einen oder zwei Treffer haben sie eingesteckt, dann waren sie außer Schußweite.“

      „So – so, außer Schußweite“, murmelte der Kommandant unsicher.

      Der Qualm hatte sich verzogen, die Geschütze schwiegen. Don Julio steckte mit zitternden Händen seinen Degen in die Scheide zurück. In seinem Gesicht malte sich Enttäuschung, nachdem er so jäh aus seinem Tagtraum gerissen worden war.

      Weit an Backbord voraus segelte der Bastard, als sei nichts geschehen. Er war jetzt wesentlich schneller.

      „Ist Ihnen nicht gut, Don Julio?“ hörte er den Ersten fragen. Er schien mehr als tausend Meilen weit weg zu sein.

      Der Kommandant holte tief Luft.

      „Das war vorauszusehen“, sagte er frostig. „Das Schiff ist schneller, leichter und wendiger.“

      „Ihre Befehle, Don Julio?“

      De Vilches sah wieder klarer. Er hatte diese eigenartigen Vorstellungen öfter. Im Geiste sah er dann die zerstörten Schiffe, die er auf den Grund der See geschickt hatte, hörte das Krachen und Splittern von Holz und sah sie untergehen. Oftmals gelang es ihm dann nicht, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Meist waren es nur kurze Augenblicke, aber in letzter Zeit passierte das immer häufiger.

      „Wir folgen der Galeone“, sagte er. „Wir folgen ihr so lange, bis wir sie aus den Augen verlieren oder endlich zu fassen kriegen. Auf Kurs bleiben, Gefechtsbereitschaft bleibt weiterhin bestehen. Lassen Sie mich in einer halben Stunde an Deck holen, ich habe noch etwas zu tun.“

      Bevor Pergoza etwas erwidern konnte, verließ de Vilches das Achterdeck und ging gebeugt und müde in seine Kammer. Aus seinen Augen war jeder Glanz erloschen. Selbst das bösartige Funkeln war nicht mehr zu bemerken.

      Als er weg war, holte Antonio Quieras tief Luft und zog seinen unförmigen Bauch ein, was ihm jedoch nicht gelang.

      „Haben Sie bemerkt, wie er wieder seinen Degen zog, Pergoza?“ fragte er. „Kaum waren die ersten Schüsse gefallen, da ging eine sonderbare Veränderung mit ihm vor. Mir fiel das in letzter Zeit schon öfter auf. Es hat den Anschein, als sei er gar nicht mehr er selbst. Er wollte entern, obwohl die Galeone unerreichbar weit entfernt war. Was halten Sie davon?“

      Der hochnäsige Erste, der schon lange auf einen Posten als Kommandant eines Kriegsschiffes wartete, hob vorsichtig die Schultern und blickte auf die vorstehende Wölbung, über die Quieras nicht mal mehr seine Schuhe sehen konnte.

      „Er wird immer eigenartiger“, erwiderte er zurückhaltend. „Das läßt sich nicht leugnen. Ich will damit aber nichts gegen ihn gesagt haben, ganz im Gegenteil – er ist ein hervorragender Kommandant. Ich frage mich nur, was die Admiralität wohl denken mag, wenn das jemals herauskommt. Ich meine, bei allem Respekt und aller Hochachtung, verschweigen sollte man das wohl nicht, schon um – äh – nichts zu gefährden. Er ist ja auch schließlich nicht mehr der Jüngste und in vielen Schlachten verbraucht und ausgelaugt.“

      „Ja, das stimmt. Wie alt ist er denn?“

      „So alt, daß es wohl langsam an der Zeit wäre, einen neuen Kommandanten einzusetzen. Er hat seinen Ruhestand wohl verdient. Aber nun posaunen Sie das mal nicht gleich aus, mein Lieber, auch wenn seine Handlungsweise mitunter recht merkwürdig ist. Sehen Sie lieber mal nach dem Zweiten Offizier, vielleicht geht es ihm schon etwas besser.“

      Der Zweite Offizier hatte seit einigen Tagen hohes Fieber und ließ sich daher nicht mehr an Deck blicken.

      Pergoza war sicher, daß der Dritte dem Zweiten alles haarklein berichten würde. Der würde es weitergeben, und so würde schließlich aus dem kleinen Feuer ein Buschbrand werden, der rasend schnell um sich griff. Außerdem hatte de Vilches noch die Sache mit den Portugiesen am Hals, ein Faktor, den man ihm ganz sicher nicht so ohne weiteres nachsehen würde, denn er war mit politischen Konsequenzen verbunden. Sie hatten auf Boa Vista ziemlich übel gehaust, weil das Temperament wieder einmal mit Don Julio durchgegangen war.

      Schließlich und endlich hatte auch jeder Kerl vom gemeinen Decksvolk gesehen, wie Don Julio seinen Degen schwang, obwohl dazu nicht der geringste Grund bestanden hatte. Und von Entern konnte schon gar keine Rede sein.

      Alles in allem war Pergoza mit dem Lauf der Dinge sehr zufrieden. Ihn störte nur der verschwundene Geleitzug, aber auch der würde schließlich am Alten hängenbleiben. Vielleicht fiel auf ihn selbst nur ein kühler, kleiner Schatten.

      Jetzt hatte er für eine halbe Stunde das Kommando an Deck, und damit war unbewußt ebenfalls ein Tagtraum für ihn verbunden.

      Er sah sich als Kommandanten der „Casco de la Cruz“. De Vilches war längst im Ruhestand, und so befehligte er jetzt die Kriegsgaleone.

      Um seine Lippen stand ein hartes Lächeln.

       5.

      Von der „Isabella“ aus sah das „Stimmungsbild“ ganz anders aus.

      Kaum hatten sie sich freigesegelt und Fahrt aufgenommen, da hing ihnen der dicke Brocken unvermittelt im Genick.

      An der Hektik und Aufregung erkannte Jean Ribault eindeutig, daß es jetzt gleich zur Sache gehen würde, denn alle Dons waren auf Gefechtsstationen.

      Jeder Fetzen Tuch war gesetzt, aber die Lady hatte ihr eigentliches Tempo bei diesem Wind noch nicht drauf. Dazu würde sie noch etliche Minuten brauchen.

      Die malerische Bucht verschwand achteraus. Karl von Hutten legte Ruder und jagte unter vollem Preß weiter.

      Minuten schleppten sich wie Stunden dahin. Noch immer schien die Kriegsgaleone aufzuholen.

      „Jetzt müßten sie feuern“, sagte Roger Lutz. „Ich würde es jedenfalls tun, wenn ich der Don wäre.

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