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Leben. Er ließ sich reichlich Zeit, bis Don Julio ungeduldig von einem Bein aufs andere trat.

      Er sah über Kimme und Korn, wie Sir John seinen Achtersteven vorreckte, und genau da wollte er ihm eine reinballern, denn das Ziel bot sich geradezu an.

      Sir John tat es gewiß nicht mit Absicht, aber er ließ nun mal von Zeit zu Zeit etwas fallen, und jetzt war die Zeit gerade wieder da.

      Das Etwas war ein großer, grauweißer Klecks und sah nicht unbedingt sehr appetitlich aus.

      Der Soldat kriegte dieses Etwas genau auf die Stirn, und weil es mit großer Wucht aufklatschte, flog ihm was ins linke Auge.

      Aus dem heroisch wirkenden Soldaten wurde augenblicklich ein ganz normaler Mensch, der einen Schreck kriegte und dessen linkes Auge schmerzhaft brannte.

      Er verriß die Muskete in genau dem Augenblick, als er abdrückte. Sie entlud sich und spie einen Blitz aus, der von einem blauen Rauchwölkchen begleitet wurde. Der Knall war laut und dröhnend.

      Dem Soldaten fiel die Muskete aus der Hand, und er fuhr sich mit der linken Hand hastig ans Auge, auf dem er nichts mehr sah.

      Der Schuß hatte Folgen, denn der Bleibrocken zischte zwar noch dicht an Sir John vorbei, erwischte ihn jedoch nicht mehr.

      Dafür erwischte das Bleistück die Kreuzstengepardune. Sie dröselte auf und brach mit einem peitschenden Knall.

      Für den Besanmast war das nicht gerade von Vorteil, denn die Pardune verlieh ihm Halt und gab ihm Stabilität. Die Segel standen voll und übten einen gewaltigen Druck aus.

      Don Julio blieb nichts anderes übrig, als zähneknirschend das Besanmarssegel aufgeien zu lassen, um den Druck etwas zu mildern. Der Besan mußte ebenfalls niedergeholt werden, ausgerechnet das Segel, das zum Manövrieren wichtig war.

      An Bord war jetzt die Hölle los.

      Don Julio schäumte vor Wut, ebenso der Erste Offizier. Er trat vor und stieß dem Schützen voller Zorn die Faust ins Genick. Der landete mit einem überraschten Schrei auf den Planken und blieb dort der Länge nach liegen.

      Dann wurde der Rudergänger angebrüllt, weil die Kriegsgaleone aus dem Kurs lief und er den Kolderstock kaum noch halten konnte, was wiederum auf den fehlenden Besan zurückzuführen war.

      „Abführen, einsperren, in Eisen schließen!“ schrie Don Julio und hielt sich mühsam zurück, um dem Schützen nicht ebenfalls einen derben Tritt zu verpassen.

      Die Geschwindigkeit der Galeone nahm ein wenig ab. Der Rudergänger hatte sichtlich Mühe, sie auf Kurs zu halten.

      Ein Teniente führte den Schützen ab und ging nicht gerade zimperlich mit ihm um.

      „Auf halbe Ration setzen!“ brüllte Don Julio dem Teniente noch nach.

      Sir John hatte von dem Gebrüll auf dem Achterdeck genug. Er kreischte ein obszönes Wort an Deck und empfahl sich flügelschlagend. Zur Abwechslung suchte er die Großbramrah in luftiger Höhe auf. Als ein paar Dons aufenterten, um dem höllischen Spuk ein Ende zu bereiten, ließ Sir John sie immer dicht heran und flog dann zum nächsten Mast. Die Spanier verzweifelten fast.

      Ein Stückmeister schlug ganz ernsthaft vor, den Großmast mit einer Drehbasse unter Feuer zu nehmen, aber er erntete nur wenig Verständnis für seinen gutgemeinten Vorschlag. Ein Corporal tippte ihm daraufhin so hart an die Stirn, daß der Stückmeister nur noch Sterne sah.

      Nachdem der Krakeeler das gesamte Schiff durcheinandergebracht hatte, strich er ab und nahm Kurs auf die Bucht, wo immer noch die Galeone lag.

      Aber da waren die Dons mit ihren Nerven bereits am Ende.

       4.

      Carberry registrierte Sir Johns Erscheinen mit einem erleichterten Seitenblick. Endlich war die Krachente wieder da.

      Sie hatten einmal einen Schuß gehört, sich aber nicht weiter darum gekümmert, denn sie waren immer noch stark beschäftigt, um die Galeone von der Sandbank zu drücken.

      Einmal hatte sie sich auch leicht bewegt, und ein leiser Aufschrei war durch die Reihen der Männer gegangen, aber jetzt schien sie wieder festzuliegen.

      „Verdammter Mist!“ schrie Jack Finnegan. „Die Kerle rücken uns so dicht auf den Pelz, daß sie gleich feuern können, und wir haben immer noch nichts erreicht. Zum Kotzen ist das.“

      Ribault und von Hutten blickten über die Schultern der heransegelnden, mächtigen Galeone entgegen.

      „Gleich fliegen die Fetzen“, prophezeite von Hutten. „Die scheinen völlig aus dem Häuschen zu sein.“

      Es war zu erkennen, daß auf den Decks Durcheinander herrschte. Als Grund nahmen Jean und von Hutten an, daß dort alles feuerbereit bemacht wurde. Was Sir John sich da geleistet hatte, wußten sie nicht.

      Sekundenlang erwog Jean Ribault, das Schiff zu räumen, damit sich wenigstens die Männer in Sicherheit bringen konnten. Doch er verwarf den Gedanken wieder. Sie würden doch nicht gehen. Vielleicht war es auch schon zu spät dazu.

      Der Schweiß lief ihnen über die Gesichter, und sie feuerten sich gegenseitig an.

      Und das Unheil rückte immer näher und war schon fast auf Schußweite heran.

      Als Ribault wieder über die Schulter blickte, sah er zu seiner Verwunderung, daß die große Galeone den Kurs ein wenig geändert hatte. Sie lief dichter auf die Küste zu. Den Franzosen wunderte das sehr. Die anderen reagierten ebenfalls erstaunt.

      „Nun brat mir aber einer ’nen Marabu“, sagte der Profos erstaunt. „Gibt’s das auch, daß man bei vollem Preß den gesamten Besan abtakelt? Ausgerechnet den Besan, der bei einem solchen Kasten das Salz in der Suppe ist! Sind die bescheuert?“

      „Das kann ich mir auch nicht erklären“, sagte Ribault. „Das tut nur ein ausgesprochener Idiot. Sie können den gewaltigen Kasten kaum noch auf Kurs halten.“

      „Eben, weil sie achtern keine Segel mehr haben“, meinte von Hutten. „Da muß etwas passiert sein.“

      „Jedenfalls gewinnen wir dadurch ein paar Minuten Zeit, die wir verdammt nötig haben“, sagte Higgy, der rothaarige Ire, erleichtert.

      Durch die „Isabella“ ging ein leichter Ruck.

      Der Anführer der Negersklaven, ein Kerl von der Größe wie Batuti, riß die Arme hoch. Sein Körper glänzte wie nasses Ebenholz, und er zeigte seine schneeweißen Zähne.

      „Gleich sind wir weg!“ schrie er auf Spanisch. „Wir schaffen es bestimmt noch!“

      Für die meisten mutete es wie ein Wunder an, als ein zweiter Ruck durch die Galeone ging. Gleichzeitig krängte sie auch wieder zurück.

      Die Sklaven stimmten ein begeistertes Gejohle an und begannen an Deck herumzuhüpfen, als die „Isabella“ sich rührte. Ausgelassen und sorglos, als sei nun alles vorbei, tanzten sie und schrien sich die Kehlen heiser.

      Karl von Hutten war mit ein paar mächtigen Sätzen am Ruder. Die anderen trimmten die Segel, und diesmal übertrafen sie sich selbst an Schnelligkeit. Jeder Handgriff saß, und ein paar Augenblicke später zeigte der Bugspriet der „Isabella“ aufs Meer hinaus.

      Dogon sprang ebenfalls in langen Sätzen aufs Achterdeck und zeigte von Hutten jene Stellen, die er ausgezeichnet kannte, die man aber wegen der gleißenden Wasserfläche nicht sehen konnte. Dort gab es überall Untiefen.

      Sie segelten aus der Bucht. Hinter ihnen war die „Casco de la Cruz“ bereits zu einem mächtigen Gebirge angewachsen. Sie hielt jetzt direkten Kurs auf die „Isabella“.

      „Gleich werden sie feuern“, sagte Ribault. „Es kann sich nur noch um Augenblicke handeln. Hoffentlich kriegen wir noch den erforderlichen Abstand.“

      Sie segelten dem Teufel wahrhaftig ein Ohr ab und mußten der Kriegsgaleone beim Verlassen der

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