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nachdenken, daß wir demnächst vor einem Kriegsgericht stehen, falls dieser dreimal verfluchte Geleitzug nicht wieder auftaucht. Wenn die Krone die Schatzschiffe als Verlust abbuchen muß, können Sie Ihren Kopf ebenfalls als Verlust abbuchen – und ich den meinen auch. Wahrscheinlich wird man uns vorher aber noch ein bißchen foltern und uns unterstellen, wir hätten den Konvoi verschwinden lassen. Und da haben Sie sich noch keine Meinung gebildet, Señor? Vielleicht denken Sie spätestens dann darüber nach, wenn man Ihnen die Garotte um den Hals legt. Die Würgeschraube wird Ihr Gedächtnis schlagartig aktivieren, aber nicht lange.“

      „Es ist nicht unsere Schuld, wenn der Geleitzug nicht aufzufinden ist“, sagte Pergoza lahm. „Wir haben getan, was in unseren Kräften steht und uns sogar noch mit den Portugiesen angelegt.“

      „Auch das könnte Konsequenzen nach sich ziehen. Wir befinden uns schließlich nicht im Kriegszustand mit Portugal. Aber ich habe nun einmal die Verantwortung für die Silberschiffe, und einen gewissen Teil dieser Verantwortung tragen Sie mit. Daran führt kein Weg vorbei. Ich will jetzt endlich ihre Meinung hören. Was ist mit dem Konvoi geschehen? Was hat das Auftreten dieser Männer von der ‚Isabella‘ damit zu tun, und warum war der Konvoi nicht auf den Kapverden, obwohl wir alle Unterlagen darüber in Händen hielten? An dieser Sache ist etwas oberfaul, sie stinkt zum Himmel.“

      „Es muß alles auf einem fürchterlichen Irrtum beruhen, Don Julio. Ich habe keine andere Erklärung für den unglaublichen Vorfall. Ich bin aber sicher, daß sich in Santa Cruz alles aufklären wird.“

      „So, das glauben Sie in Ihrer stillen Einfalt. Ich bin sicher, daß sich gar nichts aufklären wird und wir weiterhin mit leeren Händen dastehen wie bestellt und nicht abgeholt.“

      „Was sollte denn sonst geschehen sein?“ fragte Pergoza fast flüsternd und mit zuckenden Lippen. Seine Blasiertheit war wie weggeblasen.

      Don Julio maß ihn von oben bis unten mit einem langen Blick.

      „Vielleicht hat man uns angeschissen“, sagte er drastisch. „Richtig nach Strich und Faden übers Ohr gehauen.“

      „Sie glauben, es gibt den Konvoi gar nicht?“

      „Idiot“, knurrte der Alte. „Man sollte Sie in einem Faß alten Olivenöls ersäufen. Natürlich gibt es den Konvoi. Wir haben die Namen der Schiffe, der Kapitäne, der Ladungen und noch eine Menge mehr. Wir wissen, daß er losgesegelt ist, aber er traf nicht ein, und er war auch nicht auf den Kapverden, obwohl man uns das vorerzählen wollte. Heiliger Antonius, starren Sie mich nicht so dämlich an und überlegen Sie gefälligst mit, wie wir unsere Hälse aus der Schlinge ziehen. Kann es noch eine andere Möglichkeit geben?“

      „Haben Sie denn noch eine andere in Betracht gezogen, Don Julio?“ fragte Pergoza hilflos.

      „Das will ich von Ihnen wissen, verdammt noch mal!“

      Pergoza, der die drastische Ausdrucksweise des Kommandanten nicht gewohnt war, zuckte jedesmal zusammen.

      „Es könnte eine geben“, sagte er dann zögernd, „aber sie klingt sehr abenteuerlich und unwahrscheinlich.“

      „Reden Sie endlich. Hier ist sowieso alles abenteuerlich und unwahrscheinlich, also heraus damit!“

      „Gehen wir einmal davon aus, daß ein oder zwei Kapitäne … Nein, das ist doch zu unwahrscheinlich, Don Julio.“

      „Ach so, ich beginne zu verstehen.“ Im faltigen Gesicht des Alten erschien die schwache Andeutung eines Lächelns. Es war mehr ein boshaftes Grinsen. Dann lachte er einmal stoßartig auf. Es hörte sich so an, als sei ihm die Galle bis in den Hals hochgestiegen.

      „Gut, gut“, sagte er, „wahrhaftig sehr ergötzlich. Das ist ja eine gänzlich neue Perspektive. Hm, Sie sind gar nicht so dumm, wie ich dachte. Sie glauben also, ein oder zwei Kapitäne hätten sich abgesprochen und den Konvoi einfach geklaut, was? Hahaha – hahaha!“

      Auf dem Achterdeck der Kriegsgaleone schien Hochstimmung zu herrschen, von einem Augenblick zum anderen.

      Don Julio de Vilches lachte, er lachte wahrhaftig. Noch niemand hatte ihn lachen sehen, und so lachten auch der Rudergänger und ein paar andere pflichtschuldigst mit, weil der Kommandant sich kaum noch beruhigen konnte.

      Der Erste wollte auch grinsen, in der irrigen Annahme, den Alten etwas aufgeheitert zu haben, doch er verkniff es sich gerade noch, denn das welke Gesicht vor ihm wurde augenblicklich wieder ernst, als hätte es dieses Lachen nie gegeben. Die alte Boshaftigkeit kehrte in die Augen zurück, der Mund verkniff sich erneut zu einem dünnen Strich.

      „Sie – Sie sind ja verrückt, Señor“, sagte der Alte kalt. „Wie stellen Sie sich das in der Realität vor? Glauben Sie ernsthaft, daß zwei Kapitäne beschließen, die Silberschiffe an sich zu reißen, um damit auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden? Und glauben Sie weiter, die anderen Kapitäne sind ebenfalls Verbrecher und haben nur auf eine derartige Gelegenheit gewartet? Und alle, alle spielen mit, weil das ja die einfachste Sache von der Welt ist? Mann, was geht in Ihrem Kopf nur vor sich? Der Gedanke ist lächerlich, absurd. Das hat es in der ganzen Geschichte noch nie gegeben.“

      „Ich habe nur einen abenteuerlichen Gedanken geäußert“, erwiderte Pergoza eingeschnappt. „Aber ich werde meine Zunge in Zukunft hüten, weil Sie ja doch alles lächerlich und absurd finden.“

      Wider Erwarten zeigte Don Julio doch Interesse.

      „Wie passen denn dieser Esteban de Mallorca und dieser Juan de Montserrat in die Rolle, wenn wir schon davon ausgehen wollen?“

      „Das weiß ich nicht“, entgegnete Pergoza störrisch.

      Da griff Don Julio ganz überraschend zu und packte die blauen Aufschläge seiner Uniformjacke. Sein Atem berührte Pergozas Gesicht, und er stieß heiser hervor: „Das will ich jetzt auch ganz genau wissen. Raus damit!“

      „Sie werden wieder über mich lachen, Don Julio.“

      Don Julio ließ ihn los. Er atmete heftig, als habe diese kleine Anstrengung ihn sehr erschöpft.

      „Sagen Sie es. Ich werde nicht lachen, ich kann gar nicht lachen.“

      „Die beiden Männer könnten Verschwörer gewesen sein, die sich mit den Kapitänen schon in Havanna abgesprochen haben. Man schickte sie vor, um alles sehr glaubwürdig erscheinen zu lassen. In Wirklichkeit ist der Konvoi längst zu einem Land unterwegs, in dem Spanien keine Machtbefugnisse hat. Die beiden Kerle sind natürlich mit ihrem Schiff bei Nacht und Nebel ebenfalls verschwunden.“

      „Und dann?“

      „Sie nehmen die Ladung, verteilen sie und zerstreuen sich in alle Winde.“

      „Welches Land?“

      Der Erste zuckte mutlos mit den Schultern.

      „Brasilien vielleicht, dort sitzen die Portugiesen, und keiner würde ihnen etwas tun. Natürlich nur eine Annahme, Don Julio, die durchaus nicht zutreffend sein muß. Sie werden ganz sicher darüber lachen.“

      Don Julio lachte jedoch nicht. Sein Gesicht nahm eine etwas kränkliche Farbe an, und er schluckte ein paarmal heftig.

      Pergoza entdeckte zu seinem Erstaunen, daß Don Julio das Wasser in den Augen stand. Der Kommandant wandte sich um und wischte sich verstohlen über das Gesicht.

      „Ist Ihnen nicht gut, Don Julio?“ fragte er besorgt.

      Er erhielt keine Antwort. Don Julios Gesicht verlor jede Farbe. Er wurde bleich und schwankte. Dann stützte er sich hart auf den Handlauf der Balustrade. Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn, die der Harmattan sofort trocknete.

      Der Erste brüllte nach einem Feldscher, und Augenblicke später erschien ein hagerer Mann mit einem unrasierten Gesicht.

      Aber da war Don Julio wieder Herr über sich selbst. Er blies die Wangen auf und herrschte den Feldscher grob an.

      „Verschwinden Sie, und lassen Sie sich auf dem Achterdeck nur dann blicken, wenn ich Sie persönlich rufe. Kümmern Sie sich um andere,

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