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Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

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       1.

      Die Stimmung auf dem Achterdeck der Kriegsgaleone war so frostig, als befänden sie sich auf einem Gletscher. Schuld daran war die mehr als üble Laune des alten Kommandanten.

      Er hatte eine Niederlage einstecken müssen, die ihn nach eigener Ansicht etliche Jahre seines ohnehin nur noch karg bemessenen Lebens kosten würde. Genau genommen waren es zwei Niederlagen hintereinander.

      Don Julio sollte in Santa Cruz de Tenerife einen aus elf Galeonen bestehenden Konvoi übernehmen, der von Havanna unterwegs war. Dieser Konvoi, beladen mit Gold, Silber und Kleinodien war nicht am Zielort eingetroffen. Statt dessen hatte er erfahren, daß dieser riesige Geleitzug wegen widriger Winde und anderer Unannehmlichkeiten nach Boa Vista auf den Kapverden verschlagen worden war.

      Diese Geschichte hatte Don Julio ein Mann untergejubelt, der angeblich zum Konvoi gehörte und Don Esteban de Mallorca hieß. Die Dons nannten ihn El Lobo del Mar, aber das wußte Don Julio nicht, denn sein Auftrag war sehr glaubwürdig gewesen.

      Um schnellste Hilfe zu gewähren, war die Kriegsgaleone mit Kurs auf Boa Vista ausgelaufen, aber dort befand sich zum Erstaunen Don Julios kein spanischer Geleitzug, nicht mal ein einziges Schiff.

      Don Julio unterstellte daraufhin den Portugiesen auf Boa Vista, den Konvoi „unterschlagen“ zu haben.

      Diese ungeheuerliche Unterstellung ließen wiederum die obersten Portugiesen nicht auf sich sitzen, und so zahlten sie die Beleidigung mit schweren Schiffsgeschützen umgehend zurück.

      Ergebnis: Der Konvoi war spurlos verschwunden, Don Julios Seelenheil war stark in Mitleidenschaft gezogen, und seine Kriegsgaleone hatte eine Menge Beschädigungen aufzuweisen. Was das alles zusammengenommen für Konsequenzen für ihn persönlich hatte, daran mochte er gar nicht denken.

      So stand der Alte verbiestert, mürrisch, ausgelaugt und von einem unbeschreiblichen Zorn erfüllt auf dem Achterdeck seines Schiffes.

      Er dachte nach, sehr gründlich und sehr lange und gelangte schließlich zu der beschämenden Erkenntnis, daß man ihn kräftig geleimt hatte, und zwar auf eine so infame Art, wie sie ihm nicht einmal im Traum eingefallen wäre.

      Er dachte über das Auftreten von Don Esteban de Mallorca und das seines Ersten Offiziers, Don Juan de Montserrat, nach, und er sah die beiden schwarzhaarigen Männer im Geiste immer wieder vor sich.

      Nein, der Gedanke war einfach zu ungeheuerlich, wenn er ihn noch weiter verfolgte. Die beiden hatten einen einwandfreien Eindruck hinterlassen, obwohl er ihnen mit allergrößter Skepsis begegnet war. Sie hatten versiegelte Dokumente von dem Generalkapitän und Befehlshaber des Konvois vorgelegt und auch weitere Dokumente, die vom Gouverneur von Havanna unterzeichnet und gesiegelt waren.

      Als sie von Santa Cruz aus in See gegangen waren, war die „Isabella“ sogar direkt vor ihnen vorausgesegelt, um auf Boa Vista den weiteren Schutz zu übernehmen. Aber diese „Isabella“ mit den überlangen Masten und der starken Armierung war ebenfalls spurlos verschwunden.

      Das alles war nicht nur mysteriös, es war einfach unbegreiflich. Möglicherweise lag doch irgendwo ein Irrtum vor, der sich später aufklären würde.

      Der Erste Offizier, Don Eugenio Pergoza, ein Mann mit einer schiefen Nase und einem dünnen Oberlippenbart, der sehr von sich eingenommen war, warf Don Julio einen Blick unter halbgesenkten Lidern zu. Er wollte etwas sagen, doch als er den bösen Blick des alten Habichts bemerkte, verkniff er sich das und schwieg. Don Julio war zur Zeit nicht ansprechbar. Man mußte ihn für einige Zeit sich selbst überlassen, sonst gab es ein höllisches Donnerwetter.

      Don Julio stand, als sei er zutiefst beleidigt, an der Schmuckbalustrade und schnüffelte mißmutig in den trockenen Harmattan, der ihm Mund und Nase austrocknete.

      Die Küste Mauretaniens zog vorüber, eintönig, trostlos, von Wüstenregionen bestimmt. Hin und wieder tauchte eine kleine Oase in der Einöde auf, aber Menschen waren keine zu sehen. Der ganze Landstrich schien wie ausgestorben zu sein.

      Als Don Julio sich ihm ruckhaft zuwandte, zuckte der Erste ein wenig zusammen. Er sah in das vertrocknete Gesicht mit den vielen Hautfalten am Hals, und er sah die bösartig verkniffenen Lippen, die nur noch ein Strich waren. In den sonst müden Augen lag alle Boshaftigkeit dieser Welt. Der Blick war kalt und tödlich.

      „Wir sind zu hoch am Wind“, sagte Don Julio ärgerlich. „Warum sagen Sie das diesem Fettwanst von Dritten Offizier nicht! Oder haben Sie das selbst noch nicht bemerkt? Ich will so schnell wie nur möglich in Santa Cruz sein und keine unnötige Zeit vertrödeln. Legen Sie das Schiff gefälligst besser an den Wind.“

      Der Erste wußte, daß das nicht stimmte. Sie lagen so gut am Wind wie es nur ging, aber der Alte mußte Dampf ablassen, und dazu war ihm jedes Mittel recht.

      Er widersprach auch nicht, aber er gab den Anpfiff an den Dritten Offizier, Antonio Quieras, weiter. Der Mann mit dem gewaltigen Leib einer Riesentrommel wurde abgekanzelt, bis er fast in den Planken versank.

      Doch es änderte sich so gut wie gar nichts. Jedenfalls lief die riesige Galeone deshalb nicht schneller.

      Dicht unter der Küste und bei nur leicht bewegter See waren fast alle Rohre des gewaltigen Dreideckers ausgerannt. Auf dem Schiff wurde pausenlos ausgebessert und geflickt, denn die portugiesischen Stücke hatten beachtliche Schäden hinterlassen.

      Don Julio wollte in seinem heiligen Zorn gewappnet sein, falls „irgendein Bastard“ auftauchte. Daher befand sich ein Großteil der Mannschaft ständig auf dem Sprung.

      Für Pergoza war es allerdings unwahrscheinlich, daß hier in dieser Einöde andere, oder gar feindliche Schiffe auftauchten.

      „Ich unternehme einen Rundgang“, sagte er hastig.

      „Sie unternehmen gar nichts“, fauchte der Alte zurück. „Ihr Platz ist hier auf dem Achterdeck, verstanden?“

      So standen sie wie bisher fast reglos herum wie abgeschlaffte Marionetten. Don Julio hüllte sich weiter in schweigenden Zorn.

      Mehr als zwei Stunden vergingen in eisigem Schweigen. Jeder fühlte sich unbehaglich, und jeder vermied die geringste Berührung mit einem anderen. Hin und wieder war nur ein Räuspern zu vernehmen, und das leise Ächzen des Kolderstocks, wenn der Rudergänger ihn bewegte.

      Nach einer endlos scheinenden Ewigkeit wandte Don Julio seinem Ersten wieder ruckhaft das verkniffene Gesicht zu.

      Pergoza schluckte, denn er rechnete erneut mit einem Donnerwetter.

      „Was erwartet uns in Santa Cruz, Señor Pergoza – haben Sie darüber schon nachgedacht?“

      Die Frage erfolgte ganz überraschend. Pergoza rang sichtlich um Fassung.

      „Ihre Meinung will ich hören!“ blaffte der Kommandant. Er hatte sich von der Schmuckbalustrade halb zur Seite gewandt und sah den Ersten mit seinem kalten Fischblick an.

      „Ich habe mir noch keine Meinung gebildet, Don Julio.“

      Pergoza wollte sich ätzenden Spott oder einen neuerlichen Wutausbruch ersparen, deshalb hielt er mit seiner Meinung vorerst auch noch hinter dem Berg. Der Alte würde seine Meinung zerpflücken oder ihn

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