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das Feuer eröffnen würde, wenn er auf Schußweite heran war.

      Die „Isabella“ rührte sich noch immer nicht. Wie festgenagelt saß sie auf der Sandbank fest.

      Die Blicke der Männer wurden jetzt doch etwas nervöser. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, zumal das schwimmende Ungeheuer jetzt noch wesentlich schneller durch die See zu pflügen schien. Natürlich war das nur Einbildung, weil ihnen die Zeit unter den Nägeln brannte.

      „Donegal würde jetzt den Heiligen Antonius anrufen“, maulte Carberry.

      „Wir verlassen uns lieber auf uns“, sagte von Hutten. „Mit den Heiligen ist das immer so eine Sache. Oftmals haben sie recht viel zu tun und können sich nicht um alles kümmern.“

      „Vielleicht faulenzt er auch nur“, meinte der Profos. „Nehmt noch mal alle eure Kräfte zusammen. Der verdammte Schlorren muß sich doch bewegen.“

      Ein weiteres Mißgeschick passierte, als Sir John die Kriegsgaleone erblickte. Natürlich war der Papagei seinem Herrn Carberry wieder mal nachgeflogen, als der auf die „Isabella“ übergewechselt war.

      Und weil er Freund und Feind nicht unterscheiden konnte, dafür aber von einer recht üblen Neugier geplagt wurde, begann er auf der Fockrah erst hin und her zu trippeln und dann zu flattern.

      Carberry sah das nervöse Gehabe aus den Augenwinkeln, doch um sein Sir Jöhnchen konnte er sich jetzt nicht kümmern. Der krächzte einmal laut „Verlauste Hummerärsche“ an Deck und strich ab.

      Carberry lief nicht nur vor Anstrengung knallrot an, als sich der bunte Aracanga in die Lüfte erhob, eine Runde drehte, ein paar weitere sehr üble Schimpfwörter abließ und dann Kurs auf die heransegelnde Kriegsgaleone nahm.

      Der Profos schluckte trocken und kriegte fast das Heulen. Als er laut nach dem Papagei brüllte, erfolgte keine Reaktion. Sir John hatte etwas erspäht und ließ es nicht mehr aus den Augen.

      „Diese dreimal kalfaterte Nachteule“, knirschte der Profos, „die nehme ich nie mehr mit.“

      Sir John verschwand wie ein kleiner bunter Farbtupfer in dem blauen Himmel und hielt weiterhin Kurs auf die fremde Galeone.

      Die „Isabella“ rührte sich immer noch nicht von der Stelle, obwohl sie mit allen Kräften verbissen schufteten.

       3.

      Don Julio de Vilches wurde abgelenkt, als ein großer, buntgefiederter Vogel wie aus dem Nichts erschien.

      Durch das Spektiv sah er vor lauter Aufregung kaum noch etwas. Vor der Optik hatten sich Schlieren gebildet, die er immer wieder wegwischen mußte. Der Rumpf des fremden Schiffes war ebenfalls noch von der vorspringenden Felsnase verborgen.

      Don Julio sah an den niedrigen Felsen nur Brandungswellen, dahinter einen schmalen Streifen Sand und einen kleinen Wald. Die Wipfel der Bäume wurden von Böen gebeutelt. Der Harmattan fuhr wie wild in sie hinein, und er glaubte, das wilde Rauschen bis hierher zu hören.

      Nun, das Schiff konnte ihnen nicht mehr entgehen. Don Julio glaubte zwar, daß sich die Masten um einiges zur See hin bewegt hätten, aber jetzt rührten sie sich nicht mehr. Die Segel waren gesetzt, aber sie killten leicht im Wind.

      Er wandte seine Aufmerksamkeit dem bunten Vogel zu. Die Reparaturarbeiten an der Galeone wurden zwar nicht unterbrochen, aber jeder Kerl, der mit Arbeiten und Ausbessern beschäftigt war, blickte unwillkürlich hoch, als ein karmesinroter Papagei flügelschlagend auf dem Besanmast landete. Auch Pergoza blickte irritiert zu dem Vogel hoch.

      Es war ein seltsamer Vogel, wie es ihn an der hiesigen Küste nicht gab. Er zeigte auch ein sehr sonderbares Gebaren. Er hob die Flügel etwas an und legte den Kopf mit dem riesigen Schnabel schief. Dann äugte er von der Rah nach unten und schien die Männer auf dem Achterdeck sorgfältig zu mustern.

      Seine Musterung fiel offenbar nicht zu seiner Zufriedenheit aus, denn er begann wild mit den Flügeln zu schlagen, als ihn das Segel fast streifte.

      Don Julio de Vilches zuckte heftig zusammen, als der Vogel sprach, und er bekreuzigte sich schnell, weil er noch nie einen sprechenden Vogel gesehen und gehört hatte, zumindest keinen, der gleich zwei Sprachen beherrschte.

      Das bunte Vieh legte erneut den Kopf schief und plierte ihn mit dem rechten Auge genau an. Der Riesenschnabel öffnete sich einmal kurz.

      Was die braven Dons dann zu hören kriegten, ließ sie betroffen zusammenfahren.

      „Cerdo de nabos!“ kreischte der Vogel schrill, was soviel wie Rübenschweine bedeutete, und das wiederholte er gleich dreimal hintereinander, damit es auch ja jeder verstand.

      Don Julio wurde etwas blaß und schluckte heftig. Wie gebannt starrte er zu dem seltsamen, sprechenden Vogel, der jetzt gemächlich auf der Rah spazierenging.

      Die meisten Kerle blickten entsetzt, verstört oder ganz einfach nichtbegreifend nach achtern.

      Dort spazierte Sir John auf der Rah herum und benahm sich furchtbar wichtig.

      „Cerdo de nabos!“ plärrte er, als völlige Stille auf den Decks herrschte. „Leck mich am Arsch, Gevatter!“

      Don Julio war vor Schreck wie gelähmt. Für Augenblicke nahm er an, der Satan persönlich habe sich dort in anderer Gestalt niedergelassen und beleidige sie jetzt nach Strich und Faden. Er konnte sich auch unter einem Rübenschwein nichts Konkretes vorstellen.

      „Hummerarsch“, kreischte der Vogel wild, und Don Julio wurde das Gefühl nicht los, daß genau er selbst damit gemeint war, denn bei jedem Krächzer plierte ihn der Papagei an.

      Hummerarsch hatte noch niemand zu ihm gesagt, und so schwoll ihm langsam die Zornesader, weil ihn einer ungestraft beleidigte.

      „Ein – ein sprechender Vogel“, stammelte er, „und er spricht sogar unsere Sprache. Das ist schon mehr als unheimlich.“

      Sir John schien sich in seiner Rolle äußerst wohl zu fühlen, weil sich die ganze Aufmerksamkeit auf ihn konzentrierte und ausnahmslos alle zu ihm hochblickten. Daher plärrte er einen Großteil seines beleidigenden Repertoirs herunter.

      „Braß an, du alter Sack!“ schrie er und wanderte gemächlich weiter.

      Don Julio verschluckte sich fast und geriet in Zorn, als unter der Mannschaft ein homerisches Gelächter ausbrach.

      Die Stückmeister hatten ihre Geschütze verlassen, standen an Deck und starrten zum Besan. Der bunte Vogel war nahe daran, die Disziplin zu untergraben.

      „Ein seltsamer Vogel“, sagte Pergoza. „Zweifellos ein Papagei, dem jemand das Sprechen beigebracht hat.“

      „Aber nur grobe Beleidigungen“, schnaufte Don Julio empört. „Der Vogel setzt seine Sprache gezielt ein. Die beleidigenden Ausdrücke sind auf mich gemünzt.“

      „Das glaube ich nicht, Don Julio. Es ist wohl mehr so dahingeplappert. Das Tier kann nicht denken.“

      „Nein, nein!“ rief der Kommandant störrisch, der dem bunten Kräher Intelligenz zutraute. „Er sagt …“

      Die weiteren Worte gingen in einem wüsten Kreischen unter, denn Sir John wechselte ins Englische über, und da kannte er eine Menge recht übler Ausdrücke.

      Don Julio lauschte, aber er verstand die Worte nicht. Er glaubte nur, der Papagei beleidige ihn pausenlos.

      Ein Mann mußte aufs Achterdeck und das übersetzen, was der bunte Vogel von sich gab. Er war einer der wenigen, die Englisch beherrschten.

      „Ich traue mich nicht, das zu übersetzen, Don Julio“, sagte er mit knallrotem Kopf. „Es hört sich sehr schlimm an.“

      „Ich will es aber wissen, und zwar auf der Stelle. Was, zum Teufel, heißt old wild sow? Übersetzen Sie das!“

      „Es – es bedeutet soviel wie alte Wildsau“, stammelte der Mann.

      Don

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