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einzusetzen und drehten ein wenig nach Backbord ab, um ein besseres Schußfeld zu haben.

      Den Männern von Ribault brannten die Planken unter den Stiefeln. Auch ihnen selbst war sehr heiß zumute.

      Don Julio de Vilches traf fast der Schlag, als er die Galeone näher in Augenschein nahm. Er traute seinen Augen nicht mehr, als sie aus der Bucht segelte.

      An Deck tanzten ein paar Dutzend Schwarze herum. Sie sangen dazu und riefen etwas, das er nicht verstand. Aber der wilde Freudengesang war deutlich zu hören.

      Seine Augen blickten bösartig und flackernd. Kalte Wut lag in ihnen. Seine Mundwinkel zitterten wieder, was bei ihm ein Zeichen äußerster Erregung war. Die Schultern waren noch mehr nach vorn gefallen. Gebeugt wie ein uralter Mann stand er an Deck. Dann öffnete sich zitternd sein Mund, als er sich an Pergoza wandte.

      „Erkennen Sie den Namen des Schiffes?“ fragte er brüchig.

      „Die ‚Isabella‘, Don Julio. Es ist dasselbe Schiff, das in Santa Cruz lag und von dem die beiden schwarzhaarigen Kerle stammten, die sich als Montserrat und Mallorca ausgaben.“

      „Jetzt sind da Neger an Bord“, sagte der Kommandant fassungslos. „Ich verstehe die Welt nicht mehr – Neger, verdammte Neger“, setzte er abfällig hinzu, „und sie tanzen wahrhaftig. Nein, das verstehe ich wirklich nicht mehr. Es überfordert meinen Verstand. Oder ist es etwa doch nicht dasselbe Schiff?“

      „Es ist dasselbe Schiff“, bestätigte der Erste verblüfft. „Es gibt keinen Zweifel daran, und es ist unverkennbar durch seine eigenwillige Bauweise mit den überlangen Masten und den vielen Kanonen, die für einen Handelsfahrer sehr ungewöhnlich sind.“

      „Was tun die Neger dort?“ fragte der Kommandant. Er fühlte sich wieder mal um Jahre gealtert und verfluchte sich selbst, weil er keine Zusammenhänge mehr begriff.

      „Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Es sieht – äh – fast so aus, als hätten die schwarzen Bastarde das Schiff in ihre Gewalt gebracht. Wenn Sie gestatten, Don Julio …“

      Er nahm dem reglos und wie eine Marionette dastehenden Kommandanten das Spektiv aus der Hand. Don Julio ließ das willenlos geschehen, was ihn sonst sehr erbost hätte. Er reagierte überhaupt nicht und schien an Leib und Seele gebrochen.

      „Nein, sie haben das Schiff nicht in ihre Gewalt gebracht“, sagte er fast flüsternd. „Ich kann mir das auch nicht erklären, es sind auch ganz andere Leute auf dem Schiff als in Santa Cruz.“

      Don Julio ähnelte jetzt einem Geier, der sich an einem übergroßen Brocken Aas verschluckt hat. Er würgte und würgte und begann schließlich laut zu husten.

      „Was geht hier vor?“ rief er wild. „Ich verlange sofortige Aufklärung, auf der Stelle!“

      Die Aufklärung konnte ihm niemand geben, weil die Offiziere genauso verblüfft und verdattert waren wie er selbst. So wartete er vergebens auf eine Antwort.

      Dann glaubte Don Julio die Lösung des Rätsels gefunden zu haben.

      „Piraten“, sagte er, „es sind Piraten. Können Sie die beiden Schwarzhaarigen irgendwo an Deck erkennen?“

      „Nein, Don Julio, sie befinden sich zumindest nicht an Deck. Es sind völlig andere Kerle.“

      „Dann ist mir einiges klar. Diese ‚Isabella‘ hat Boa Vista nie erreicht“, sagte er sehr bestimmt. „Sie fiel Piratengesindel in die Hände. Man hat die Männer umgebracht. Auch der Alte mit dem wettergegerbten Gesicht und der großen Halskrause ist nicht zu sehen. Es ist unwahrscheinlich, daß ausgerechnet diese Männer unter Deck sind, wenn das Schiff aus einer Bucht ausläuft. Es sei denn, man hat sie gefangengesetzt, aber auch das glaube ich nicht. Man wird sie umgebracht haben.“ In derartigen Situationen war es am besten, wenn man dem Alten nicht widersprach, auch wenn der ungereimtes Zeug von sich gab.

      Er war zwar ein scharfer Denker, aber durch die Ereignisse der letzten Zeit hatte sein Gedächtnis ein wenig gelitten. Er blickte nicht mehr richtig durch und reimte sich seinen Teil zusammen.

      „In welchem Zusammenhang stehen dann die Neger an Bord?“ fragte Pergoza und gab sich den Anschein, als ließe er sich gern belehren.

      „Die haben sich mit dem Gesindel verbündet, sonst würden sie keine Freudentänze aufführen.“

      „Das ist möglich“, gab Pergoza zu, obwohl er kein Wort glaubte. Eine bessere Erklärung hatte er jedoch auch nicht.

      „Wenn das alles stimmt, Don Julio“, sagte er nachdenklich. „Wie reimt sich das dann zusammen, daß der Konvoi nicht in Boa Vista eingetroffen ist? Wenn die Portugiesen ihn wirklich nicht vereinnahmt haben, und das dürfte wohl außer Zweifel stehen, hätte es Spuren geben müssen. Aber wir haben, kein einziges Schiff gesehen.“

      „Eine Verschwörung“, sagte der Kommandant mit dumpfer Stimme. „Hier ist eine weltweite Verschwörung gegen Spanien im Gange. Ihre Annahme, daß sich die Kapitäne untereinander abgesprochen haben, halte ich immer noch für durchaus möglich. Und trotzdem stimmt bei der ganzen Sache etwas nicht. Irgendwo hat sich ein Fehler eingeschlichen, der sich nicht ergründen läßt. Die Zusammenhänge gehen nicht richtig auf. Das Ganze erscheint mir wie ein unlösbares Rätsel.“

      „Die Bastarde fliehen jedenfalls vor uns“, sagte Pergoza. „Das beweist nur zu deutlich, daß sie ein schlechtes Gewissen haben. Sie haben uns offensichtlich erkannt, sonst hätten sie ja nichts zu befürchten. Als logische Schlußfolgerung muß es demnach ein paar Männer auf dieser Galeone geben, die schon vorher an Bord waren.“

      Der Alte dachte scharf nach, wobei er den Ersten ebenso scharf musterte. Aber er gelangte zu keinem Ergebnis und schüttelte immer wieder wie fassungslos den Kopf.

      „Wenn ich nur wüßte, was dahintersteckt“, sagte er mehr zu sich selbst. „Ich würde eine Monatssumme von meinem Gehalt dafür geben und sogar noch mehr.“

      Bei seiner bekannten Knickrigkeit und seinem schon fast sprichwörtlichen Geiz ist das immerhin eine ganze Menge, dachte der Erste.

      „Suchen Sie noch einmal alle Decks des Schiffes genau ab“, befahl er. „Nehmen Sie sich jeden einzelnen Kerl genau vor, und mustern Sie ihn ausgiebig. Wir haben ein paar ja in Santa Cruz aus unmittelbarer Nähe gesehen. Vielleicht fällt Ihnen etwas auf. Die verdammten Neger brauchen Sie natürlich nicht zu beachten.“

      Don Julio rieb sich die dürren, welken Hände und erging sich weiterhin in Mißmut und Ärger. Sein Gesicht war verkniffen auf den Ersten gerichtet, der durch den Kieker blickte. Hin und wieder preßte der Alte die Lippen noch schmaler und sah der „Isabella“ nach, die ihnen jetzt das Heck zeigte.

      Das Schiff wurde gut und hervorragend gesegelt, das mußte er neidlos anerkennen. Der Kerl am Ruder verstand etwas davon. Aber sie hatten noch nicht ihre volle Geschwindigkeit erreicht. Im Augenblick segelte die „Casco de la Cruz“ trotz fehlender Besanbesegelung noch etwas schneller. Sie würde noch ein Stück aufholen, gerade so viel, daß sie die Kerle unter Feuer nehmen konnten.

      Er nahm sich vor, das Schiff so zu zertrümmern, daß es noch schwimmfähig blieb. Dann konnte man die Kerle einzeln aus dem Wasser fischen und später nach allen Regeln der Kunst verhören.

      Das Geheimnis würde dann kein Geheimnis mehr sein, und er würde auch, dessen war er sich ganz sicher, eine Spur des verdammten Konvois finden.

      „Na, was ist?“ blaffte er ungeduldig, als der Erste immer noch damit beschäftigt war, die Gesichter auf dem Schiff zu mustern. Jetzt, als ihnen das Schiff das Heck zeigte, wurde das immer schwieriger.

      „Da ist einer“, sagte der Erste erregt, „ein Klotz von einem Kerl. Ich glaube, den habe ich in Santa Cruz an Bord gesehen. Er fiel mir auf, weil er ungewöhnlich groß und breit ist. Aber ein unverkennbares Merkmal an ihm war sein gewaltiges Kinn. Das sah fast wie ein Amboß aus.“

      „Ist er es nun, oder ist er es nicht?“

      „Ja, er ist es, Don Julio, ich bin mir ganz sicher. Er steht mit einem großen Neger dicht am Ruder.

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