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jetzt doch schwindlig: Sie sprach so etwas von selbstverständlich vom sogenannten Konsumgüterangebot, als hätte er Terraforming noch nicht einmal erwähnt. Sie schien keine Sekunde daran zu zweifeln, daß haargenau das sein Auftrag war – schon immer. Terraforming war absolut kein Thema für sie.

       Verdammt! Dachte er. Wer ist sie? Was hat sie vor? Das ist doch kein Zufall, daß ich sie kennenlernte!

       Es war ihm, als würde ihn ein Blitz durchzucken:

       Die Vernetzungsgegner!

       LeCarré ist einer der Haupträdelsführer – und Chuang wohnt bei ihm – ohne erkennbares Motiv...

       Er schluckte schwer.

       "Sie scheinen hier gut informiert zu sein. Stehen Sie in engerem Kontakt zum Ersten Repräsentanten?. Warum sind Sie hier auf Tasner? Was tun Sie hier und...?" Er brach wieder ab. Nein, er hatte diese drängenden Fragen einfach nicht länger zurückhalten können. Gut informiert? Eine gelinde Untertreibung, denn schließlich wußte sie von seinen eigentlichen Absichten, obwohl er mit niemandem bisher darüber gesprochen hatte – auch mit LeCarré nicht.

       Als könnte sie... Gedanken lesen?

       "Bitte..." Sie schaute ihn ernst an. "Keine solchen Fragen. Das braucht Sie nicht zu interessieren."

       Damit war das Gespräch beendet für diesmal.

       *

       Aber sie trafen sich nach wie vor, auch wenn Israt nicht mehr daran glauben mochte, daß es sich jedesmal um Zufall handelte.

       Ein anderes Mal fragte Israt sie, weshalb LeCarré eine Vollendung des Terraforming-Programms offensichtlich boykottiere. Er fragte es, ohne die Hoffnung, überhaupt eine Antwort darauf zu erhalten.

       Sie sagte:

       "Können Sie sich das wirklich nicht denken, N'Gaba?"

       "Dann würde ich nicht fragen!"

       "Solange Tasner nicht 'fertig' ist, wird die Bevölkerung nur unwesentlich wachsen. Wenn dies aber eine erdgleiche Welt geworden ist, werden Millionen hierher strömen, um sich hier niederzulassen. Nach dem Föderationsvertrag haben sie das Recht dazu, denn es gibt auch hier im Rand-Gebiet übervölkerte Planeten. Aber das würde bedeuten, daß die nicht einmal zwei Millionen Tasnerianer sehr schnell majorisiert würden. Die Neuankömmlinge hätten sicherlich kaum Verständnis für diese Kultur, was zum Beispiel das 'Festival' angeht. Irgendwann würde es vermutlich verschwinden, weil die Mehrheit dagegen wäre. Und das will LeCarré verhindern. Er liebt das Festival."

       Er sah sie an und wußte definitiv, daß dies nicht die ganze Wahrheit war. Es steckte noch etwas dahinter – etwas, was wirklich ein gravierender Grund war. Denn auch seine anfängliche Meinung, die Ablehnung wäre einfach nur in der Borniertheit der Außenweltler zu sehen, stimmte bei weitem nicht.

       Was also war dieser gravierende Grund?

       Er konnte sich das Hirn darüber zermartern, aber er kam einfach nicht darauf. Noch nicht einmal annähernd.

       Vielleicht hatte sie in einem recht, und es hatte irgendwie auch mit dem Festival zu tun?

       *

       Während dieser Tage (die Zeit des Festivals rückte unaufhaltsam näher) begannen die Tasnerianer damit, ihre öffentlichen Gebäude zu versiegeln. Auf Empfehlung LeCarrés hin nahm Israt an einigen der dazugehörigen Festakte teil: So unter anderem bei der Versiegelung des Obersten Gerichtshofs von Val-Duun (wo er Galnak Lon Tuy wiedertraf) und der Datenbank, wo er sich der Aufmerksamkeit Alana Susstu-Garlis' gewiß sein konnte.

       Überall, in den Straßen, in den Cafés, in der Magnetbahn, war jetzt die Nähe des Festivals zu spüren. Festivalwaffen erlebten einen Boom, und natürlich stiegen die Preise.

       Ein allgemeines Fieber breitete sich auf dem Planeten aus und störte die sonst übliche Ruhe. Plötzlich sah man Menschen sich beeilen, sich hektisch umdrehen; Feindseligkeit und Angst glänzten in vielen Augen.

       Es war eine Seuche, und niemand schien sich der Ansteckung entziehen zu können.

       Eine große Veränderung hatte Tasner erfaßt, und jeder Tag brachte neue Vorboten der künftigen Barbarei.

       Auf den Straßen und in den Cafés konnte man Drohungen hören, die Magnetbahnwagen waren von zänkischem Stimmengewirr erfüllt. Man spürte den in der Luft liegenden Haß, der von Tag zu Tag zuzunehmen schien und nur darauf wartete, sich entladen zu können.

       Aber so abstoßend die allgemeine Verwandlung auch war, auf einer anderen, unterschwelligen Ebene wirkte sie auch wieder faszinierend auf Israt. Die Zivilisation schien sich von Tasner zurückzuziehen, um für eine Weile wieder einem früheren Zustand Platz zu machen.

       Schließlich kam der Tag, an dem Naomi Changas zurück nach Am-Abgrund flog. Israt hatte kaum erwartet, daß sie sich vorher noch von ihn verabschieden würde, aber sie tat es und suchte ihn hierfür sogar direkt in seinem Quartier auf.

       "Sie haben eine Passage nach Ikarus gebucht, nicht wahr?" fragte sie völlig unnötigerweise.

       "Ja. Warum?"

       "Wenn sie Ihren Aufstieg ein wenig fördern wollen, dann sollten sie... nicht fliegen!"

       "Sie meinen, es wäre günstig für mich, wenn ich während des Festivals hier auf Tasner bliebe?"

       "Ja.“

       "Aber..

       "Ich weiß, was Sie jetzt erwidern wollen. Aber bedenken Sie, um wieviel Grad Sie in der Gunst des Ersten Repräsentanten steigen würden... Sie können mir vertrauen, N'Gaba. Ich kenne LeCarré - vielleicht sogar besser als er sich selbst."

       Sie zuckte mit den Schultern, und Israt dachte: Als wenn ich nicht längst schon mit diesem Gedanken gespielt hätte. Weniger noch, um damit LeCarré zu imponieren, sondern mehr aus Neugierde heraus: Was steckt wirklich hinter den Motiven der Außenweltler, wenn sie Terraforming so rigoros ablehnen?

       Und nicht nur auf Tasner wird Terraforming überwiegend abgelehnt, wie er wußte. Aber vielleicht ist das Festival so etwas wie der Schlüssel zu dem Geheimnis, das möglicherweise hinter allem steckt?

       Ein Geheimnis zumal, das offenbar nicht jedem Außenweltler offenbar ist, denn sonst würde es keine Außenweltler geben, die so sehr FÜR das Terraforming als ihrer Meinung nach bestem Anfang für einen hoffnungsvollen Neubeginn der Föderation stimmten. Wie zum Beispiel der Präsident der Förderation. Oder wie sein Sicherheitsminister Egon Kransom.

       Er lauschte wieder den Worten von Nacini Changas: "Sie müssen selbst wissen, was Sie tun, N'Gaba. Ich wollte Ihnen diesen Aspekt des Problems jedoch nicht vorenthalten."

       Als sie ging, ließ sie ihn etwas ratlos zurück.

       'Nein', dachte er schließlich, 'ich habe keine Lust, als zerfetzter Leichnam hier irgendwo in den Straßen Val-Duuns zu enden.'

       Nichts schien dieses Risiko rechtfertigen zu können; auch der Erfolg nicht. Genauso wenig wie das Ergründen eines Geheimnisses, dessen Hintergründe ihn mehr und mehr zu quälen begannen. Und doch... Er war sich nicht vollends sicher.

       *

       Einige Tage später übermittelte er per Hyperfunk und mit ausdrücklicher Genehmigung des Ersten Repräsentanten den Inhalt der Datenbänder. Nicht an SYG, sondern an seine Zentrale in Lagos.

       Niemand wunderte sich darüber, daß er sie nicht SYG übermittelte!

       Aber er hatte nichts anders erwartet, und er hatte außerdem beschlossen, nicht mehr länger das Versteckspielen aufrecht zu erhalten. Zumindest nicht, was seine eigentlichen Absichten betraf. Wenn man hinter seinem Rücken schon so offen darüber sprach...

       ER hatte schließlich nicht umsonst den Konzern verlassen wollen – zu einem Zeitpunkt, an dem er den Konzern sowieso nicht mehr brauchte. Weil er genügend Geschick bewiesen hatte beim Spekulieren an der interplanetarischen Börse, daß er längst ein reicher Mann geworden war.

      

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