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hin und schienen an einem Gespräch wenig interessiert zu sein.

       Daher sprach Heinrichs den Barmann an, der große Tränensäcke und hervorstehende Augen hatte. "Sagen Sie..."

       Dar Barmann schaute auf, eine Flasche in der Hand, und zog die Brauen hoch. Dann kam er ein paar Schritte heran. "Was?"

       "Wissen Sie, ob man auf Tasner inzwischen das Terraforming-Programm beendet hat?"

       "Was?"

       "Verstehen Sie nicht?" Heinrichs versuchte, es ihm zu erklären, aber es nützte nichts. Der Mann hatte hatte keine Ahnung.

       'Schade', dachte Heinrichs.' Ich hätte gerne gewußt, ob jemand anderes diesen Auftrag ergattern konnte. Damals, als er Tasner verlassen hatte, er erinnerte sich noch genau, war er vollkommen fertig gewesen. Selbst die Erinnerung daran war niederschmetternd.

       Tasner war das letzte Glied in einer Kette von Mißerfolgen gewesen; Heinrichs hatte an sich selbst zu zweifeln begonnen und war durchgedreht. Psychische Erschöpfung war die Diagnose gewesen. Es hatte Monate gedauert, bis er seine Arbeit wieder hatte aufnehmen können.

       Inzwischen hatte er seine Hoffnungen auf einen Aufstieg in die obersten Etagen endgültig aufgegeben.

       Er hatte resigniert.

       Sein Glas war leer, und der Barmann füllte nach. Heinrichs' Blick blieb an einem der verbliebenen, vor sich hinbrütenden Gäste hängen. Dieses Gesicht... Nein, das konnte nicht sein:

       Der Mann, auf den sein Blick gefallen war, saß in einer Nische vor seinem Glas und starrte stumm vor sich hin. Tiefe Falten furchten sein Gesicht, sein Haar war ergraut, sein Gesicht tiefschwarz - konnte es möglich sein? Heinrichs rief den Barmann abermals zu sich und fragte leise nach der Identität des Schwarzen.

       "Sein Name ist N'Gaba."

       "Wohnt er hier im Hotel?"

       "Seit heute."

       Heinrichs schaute zu dem allein an seinem Tisch sitzenden Mann hinüber und musterte ihn eingehend. Ja, es war unzweifelhaft dasselbe Gesicht. Er hatte sich nicht getäuscht.

       "Was tut er hier?" fragte er den Barmann, ohne sich umzudrehen.

       "Ich weiß es nicht. Wir pflegen unsere Gäste nicht auszufragen. Ich weiß nicht einmal, woher er kommt."

       N'Gaba hatte Heinrichs nicht bemerkt. Unzweifelhaft schien der Schwarze stark gealtert zu sein und zwar unverhältnismäßig zu den Jahren, die vergangen waren. Er sah nicht glücklich aus.

       In Heinrichs' Bewußtsein war N'Gaba seit ihrem Zusammentreffen auf Tasner immer eine Art Sinnbild des Erfolges gewesen. Neid und unterschwelliger Haß hatten an ihm genagt.

       Er hatte verzweifelt versucht, diesen Namen aus seinem Bewußtsein zu verbannen.

       Nachdem Heinrichs Tasner verlassen hatte, hatte er kaum noch etwas von dem Mann der Saretto-Yilmaz-Gerland-Company gehört. Einmal war eine Meldung in seine Hände gelangt, ein gewisser N'Gaba sei zum Ersten Repräsentanten von Tasner aufgestiegen... Er konnte sich nicht mehr genau entsinnen, wann das ungefähr gewesen war. Einige Jahre waren sicherlich vergangen. Und nun sah er ihn hier vor sich, ganz und gar nicht in der Pose des strahlenden Siegers. Was mochte inzwischen geschehen sein?

       Heinrichs war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, zu N'Gaba hinzugehen, mit ihm zu sprechen und seine Neugier zu befriedigen - und seiner Furcht vor ihm.

       *

       Als Israt plötzlich die Gestalt Oswaldo Heinrichs' vor seinem Tisch auftauchen sah, erschrak er ein wenig.

       Heinrichs hatte sich in seinem Äußeren kaum verändert, was wohl darauf zurückzuführen war, daß er sich kosmetische Behandlungen leistete.

       "Warum setzen Sie sich nicht, Heinrichs?"

       Heinrichs setzte sich zu ihm an den Tisch, noch immer stumm. "Wie geht es ihnen, N'Gaba?"

       Israt zuckte mit den Schultern.

       "Ich habe gehört, Sie wären zum Ersten Repräsentanten avanciert."

       "Das ist wahr, ja. Ich war eine zeitlang Erster Repräsentant von Tasner." Israts Stimme klang müde, seine Art konnte man fast apathisch nennen. Er schien mit den Gedanken nicht wirklich beim Gespräch zu sein.

       "Haben Sie dieses Amt jetzt nicht mehr inne?"

       "Nein."

       "Sie haben Tasner verlassen?"

       "Ja." Und nach einer Pause: "Was wollen Sie von mir, Heinrichs?" Er trank sein Glas aus. "Wollen Sie mich quälen?"

       Ohne auf das von Israt Gesagte einzugehen fragte Heinrichs: "Was machen Sie hier auf Ikarus, N'Gaba?"

       "Ich bin auf der Durchreise – wie Sie."

       'Welch eine Veränderung', dachte Heinrichs. Und plötzlich begann er, fast so etwas wie Mitleid zu empfinden. "Warum haben Sie Tasner verlassen? Sie waren doch ziemlich erfolgreich, wenn ich mich recht entsinne..."

       "Oh, ja, das stimmt: Ich war sehr erfolgreich. Mir unterstanden mehrere Dutzend Fabriken für Konsumgüter aller Art – allein auf Tasner, ganz zu schweigen von den anderen Welten: Ich konnte soviel Geld scheffeln, daß ich längst sogar Saretto—Yilmaz-Gerland übernehmen konnte. Eine tolle Gelegenheit, Lester Banjo, meinen ehemaligen Chef, zu feuern. Auch wenn ich es dann doch nicht tat, denn ohne den wäre ich vielleicht erst später nach Tasner gekommen, vielleicht auch überhaupt nicht?" Er grinste flüchtig, dabei seinen abwesenden Blick beibehaltend. "Ich habe mehr Geld als Sie sich überhaupt vorstellen könnten."

       "Wie kam es, daß Sie Erster Repräsentant wurden?"

       "Ich wurde dazu gewählt, nachdem LeCarré nach Am-Abgrund emigrierte."

       "LeCarré nach... Am-Abgrund?"

       "Ja. Da war eine Frau, eine Katholikin, die hatte einen großen Einfluß auf ihn. Er hat sich bekehren lassen und versucht nun, Buße zu tun. So jedenfalls die offizielle Version." Ein heiseres Lachen kam aus seinem Mund.

       "Und Sie sind jetzt ebenfalls ausgewandert, nicht wahr, N'Gaba?"

       "Na ja...“

       "Warum eigentlich? Hatten Sie keinen Spaß mehr an diesen... Festivals? Haben diese Dinge für Sie allmählich ihren Kitzel verloren? Ist Ihnen mit der Zeit sogar die Macht langweilig geworden?" Ein spöttisches Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht von Heinrichs, aber Israt schaute ihn nicht an. „Oder ist es bei Ihnen dasselbe wie bei LeCarré und Sie sind von Ihren Schuldgefühlen und Ihrem schlechten Gewissen schließlich vom Sockel gestoßen worden?" Heinrichs nickte überheblich und im Gefühl moralischer Überlegenheit.

       Er fühlte die Chance, N'Gaba in den Dreck zu treten, den Aufsteiger und Günstling so klein zu machen, wie er nie zu hoffen gewagt hätte. "Der Aufstieg hat seinen Preis gefordert, nicht wahr? Sie haben sich an ein Gesellschaftssystem barbarischster Sorte anpassen müssen, um nach oben zu kommen. Sie haben Ihre Identität und Ihr Gewissen verraten, aber das ist schließlich alles wieder auf Sie zurückgefallen. Dieses Abschlachten in den Straßen..."

       Plötzlich blickte Israt auf. Er war jetzt vollkommen wach, die Apathie schien verschwunden.

       Die Augen des Schwarzen bohrten sich in die seines Gegenübers - und Heinrichs verstummte.

       „Jetzt haben Sie mir noch gar nicht erzählt, was Sie hier zu suchen haben, Heinrichs?“ Es klang irgendwie... sanft. „Wollen Sie etwa nach... Tasner? Und wenn ja: wieso?“

       „Das geht Sie nichts an!“ sagte Heinrichs feindselig – und auch verwirrt ob der so unerwarteten Wandlung seines Gegenübers.

       „Es ist Unsinn, länger um den heißen Brei zu reden, Heinrichs: Sie sind hier, weil ich das so wollte!“

       „Sie?“ echote Heinrichs ungläubig.

       „Ich bin nicht nur unermeßlich reich, seit meine Produkte auf den Äußeren Planeten reißend Absatz finden – und längst auch bis in den Bereich

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