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die Göttliche Ordnung und sorge dafür, dass das zuletzt erwählte Volk nicht in gleicher Weise der Hybris erliegt wie mein zuerst erwähltes Volk, von dem nichts weiter als der Staub einer verblassenden Erinnerung blieb und das mahnende Gedenken an ihre Fehlbarkeit.

      Und da sandte der Erste Aarriid die siebzehn Krieger aus, die man später die siebzehn Heiligen nennen sollte und schickte sie in die Fremde.

      Und die Kraft des Glaubens verwandelte siebzehn Krieger in siebzehn Heere, und sie begannen die Heiden zu erschlagen, sodass Ströme ihres Blutes die großen Wasser färbten.

      Doch der Erste Aarriid erkannte die Gefahr. Er sah die Hybris in den Taten jener, die er geschickt hatte und er begriff die Prüfung, die ihm gestellt wurde.

      Und so rief er die siebzehn Heiligen zurück und sprach zu ihnen: Will Gott einen Kosmos, der einer Totenstätte gleicht? Der Heide ist der Spiegel des Gläubigen. Lass ihn deshalb am Leben, wenn er die Göttliche Ordnung nicht gefährdet.

      Aus den Schriften des Ersten Aarriid

      Gott ist ewig. Der Krieg muss es nicht sein.

      Worte des Predigers Ron-Nertas

      Ich stamme von Second Earth, auch bekannt als Tau Ceti III. Der vierte Planet des Systems trägt den Namen Gnome und ist heute eine Sperrzone. Viele denken, dass wir die Guten in diesem interstellaren Krieg sind, der zurzeit zwischen Menschen und Qriid tobt. Viele wollen die jüngere Geschichte Tau Cetis am liebsten totschweigen. Und das hat seinen Grund, denn wer immer sich auch näher damit beschäftigt, wird am Ende der qriidischen Auffassung, nach der die Menschheit aus Barbaren besteht, nur zustimmen können.

      Als ich Tau Ceti verließ, dachte ich eigentlich nicht daran, jemals wieder hierher zurückzukehren.

      Mein Job als Schiffsarzt der STERNENKRIEGER brachte es dann mit sich, dass ich Jahre später doch wieder diesen gelben Zwilling der irdischen Sonne vor mir auf dem Panorama-Schirm sah. Ich war wie versteinert und die Erinnerungen drängten sich mir auf wie finstere Alpträume.

      Dr. Miles Rollins, Schiffsarzt des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER

      Erstes Kapitel: Nirat-Son, Sohn und Enkel von Nirat-Son

      Mein Name ist Nirat-Son.

      Der Name meines Vaters war Nirat-Son.

      Und ebenso war dies der Name meines Großvaters.

      Meine Eimutter hieß Eramée, was in der alten Sprache, die zur Zeit des Aarriid in Gebrauch war und in der seine Schriften verfasst wurden, nichts anderes bedeutete als Gewissheit.

      Es gibt qriidische Gelehrte, die glauben, dass der Name der Eimutter eine schicksalhafte Bedeutung hat.

      In meinem Fall kann das nicht zutreffen.

      Ich habe stets nach Gewissheit gesucht, aber je länger ich sie suchte, desto weniger fand ich sie. Heute weiß ich, dass abgesehen von Gott und seinem Wort, das er uns durch den Ersten Aarriid vor langer Zeit gab, nichts gewiss ist, es sei denn, wir sorgen dafür, dass es sich erfüllt.

      1

      Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückblicke, so gibt es darin eine Konstante, wie sie jedem Gläubigen gut ansteht. Es ist die Suche nach Gott. Nach allem, was ich über meine Zeit bei den schnabellosen Heiden berichtet habe, mag man sich vielleicht wundern oder sogar auf die Idee kommen, dass ich mich ganz im Gegenteil, von der wärmenden Sonne mutwillig entfernt habe, die die Anwesenheit Gottes bedeutet. Eine Anwesenheit, die sich in vielen Dingen manifestiert. Vor allem aber in der Gemeinschaft der Gläubigen und in der Göttlichen Ordnung, die ein auserwähltes Volk dem Universum gibt, auf dass es nicht im Chaos der Unbewusstheit versinke.

      Aber ehrlich gesagt, fühlte ich mich dem Glauben nie mehr verbunden als in jenen Jahren, die ich unter den Ungläubigen verbrachte. Die eigene Herkunft lernt man im Licht der Fremde um so stärker schätzen. Eine Weisheit, die schon der Erste Aarriid in seinen Schriften verkündet hat und der sich in meinem Leben zweifellos bewahrheitete.

      2

      „Du solltest zu den Seraif gehen, wie ich es tat“, sagte mein Onkel Feran-San, der Bruder meines Vaters. „Die Seraif sind eine Elite unter den Kämpfern des Glaubens. Allein ihnen anzugehören ist eine Ehre.“

      „Später, Feran-San“, erwiderte ich, während wir auf einem der Balkone des Vierundzwanzigsten Turms der Krieger standen. Jemand, der nicht aus Qatlanor stammt, dieser heiligsten aller Städte, weiß vielleicht nicht, was ein Turm der Krieger ist, denn auf fast allen anderen Planeten unseres Heiligen Imperiums wird eine bodennähere Bauweise bevorzugt. Nicht so in Qatlanor, das auf der westlichen Hemisphäre unserer Urheimat Qriidia einen halben Kontinent ausfüllt. Und diese Stadt der Städte wächst noch immer. Allerdings gibt es eine Bergkette, die das Wachstum der Stadt eingrenzt.[Maßeinheiten sind in dieser Übersetzung aus dem Hoch-Qriidischen in irdische Maße umgerechnet worden.] Das Bauhindernis liegt dabei einerseits in der Tatsache begründet, dass manche dieser Höhen weiter als zehntausend Meter emporragen. Aber auch ein religiöses Tabu lässt die Stadtverwaltung davor zurückschrecken, wenigstens die tiefer gelegenen Hänge und Hochebenen zu besiedeln, denn die Priesterschaft vertritt die Ansicht, dass der gesamte Gebirgszug als Berg des Ersten Aarriid anzusehen ist.

      Tatsache ist, dass sich heute nicht mehr feststellen lässt, auf welchem genau der Erste Aarriid die Gebote Gottes empfing und wo ihm verkündet wurde, der Anführer eines auserwählten Volkes zu sein, dessen Aufgabe es sei, die Göttliche Ordnung bis zu den Grenzen des Universums zu tragen. Da aber nicht gewiss ist, welcher dieser zahlreichen Berge nun als heilig anzusehen ist, so hat man kurzerhand, alle in Frage kommenden Höhen als heilig definiert. Das hat durchaus einen gewissen Sinn. Schließlich minimiert man auf diese Weise die Gefahr eines Frevels. So kann es nicht geschehen, dass wir die heiligste Stätte der gesamten Qriidheit schänden, ohne es auch nur zu ahnen, in dem wir ein profanes Gebäude errichten. Dagegen gibt es seit langem eine Opposition, die vor allem in der Stadtverwaltung von Qatlanor ihren Sitz hat. Im Laufe von Jahrtausenden hat sich der typische Baustil dieser Stadt auf diese Weise herausgebildet.

      Man baut in die Höhe und nicht in die Breite, wie es sonst unserer Art entspräche.

      Allerdings ist bereits absehbar, wann auch diese Bauweise uns vor theologische Probleme stellen wird. Schließlich reichen die Gebäude Qatlanors immer höher empor. Wie Stacheln ragen sie in den Himmel und es gibt immer mehr Schriftgelehrte und Würdenträger der Priesterschaft, die es als Frevel ansehen, wenn ein bestimmtes Maß überschritten wird.

      Sie verweisen auf das zuerst erwählte Volk Gottes, die wir Sambano oder Sambana nennen. Jene Rasse, die das Universum beherrschte, goldene Artefakte hinterließ und ein technisches Verständnis besaß, von dem unsere Ingenieure nicht einmal zu träumen wagen. Aber sie erlagen der Hybris und jedes Gebäude, das zu weit in die Höhe ragt, hält uns selbst diese Gefahr immer vor Augen.

      Immerhin gibt es Gesetze, die vorschreiben, dass die Wohntürme nicht höher sein dürfen, als die Tempel. Findige Stadtplaner sind allerdings einfach dazu übergegangen, im Laufe von Jahrhunderten, die Tempel immer weiter in die Höhe wachsen zu lassen. Vorgeblich zu Ehren Gottes, aber vielleicht auch deshalb, weil ein religiöses Tabu im Sinne einer effektiven Stadtplanung umgangen werden sollte.

      Es kann manchmal nicht leicht sein, den Geboten Gottes und den Erfordernissen des unvollkommenen Kosmos gleichermaßen gerecht zu werden. Irgendwann werden Tempel und Wohntürme zu den Heiligen hinaufreichen. Ich weiß nicht, ob es je möglich sein wird, sie zu übertreffen. Aber Tatsache ist auch, dass sie wie Symbole jener Gefahr wirken, der schon einmal ein auserwähltes Volk erlag. Der Gefahr der Hybris nämlich. Der Gefahr, dass der Gläubige seine eigene Rolle im Kosmos überschätzt, dass er nicht mehr nur an Gott glaubt, sondern glaubt, selbst Gott zu sein.

      Innerhalb der Menschheit gibt es viele, die so denken. Die ihr eigenes Urteil, ihre eigenen Bedürfnisse, die Entfaltung ihrer eigenen Individualität als höchstes Gut ansehen. Eine Gesellschaft

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