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in den Sinn; die Schwerter des Ersten Repräsentanten sah er plötzlich vor sich, und er dachte an die Toten. Mit all dem würde er sich irgendwie arrangieren müssen, daran führte kein Weg vorbei.

       Grauen überkam ihn, als er an diese Dinge dachte, aber es gelang ihm, sie beiseite zu schieben.

       Heute war sein Erfolgstag.

       Er wollte ihn genießen, wollte sich in die Flut der Gäste hinein stürzen und sich an dem Austausch von Banalitäten beteiligen. Wer wußte schon, wie der nächste Tag sein würde?

       *

       Am nächsten Morgen bekam er die Erlaubnis, Verbindung mit „außerhalb“ aufzunehmen! Dahinter steckte zweifelsohne Alana Susstu-Garlis. Nicht, weil sie sonst um ihr Bestechungsgeld hätte fürchten müssen, denn das stand ihr bereits zur Verfügung: Die hiesige Bank hatte keinerlei Beschränkungen, wenn es darum ging, Verbindung mit „außerhalb“ aufzunehmen.

       Israt nutzte die Gelegenheit und sandte einen Hyperfunkspruch nach Alpha Centauri ab, mit Angaben zum Festival und der Bitte, man möge ihn für die Dauer dieser besonderen Woche von seinen Pflichten entbinden. Von seinen Erfolgen jedoch berichtete er nichts. Denen doch nicht...

       Wann würde die Antwort eintreffen? Anderthalb Wochen brauchte eine Nachricht von hier nach Athen.

       Jedenfalls erfuhr Israt, daß von nun an die Hyperfunkverbindung für ihn jederzeit offenstand.

       Bis auf Widerruf wahrscheinlich! dachte er flüchtig – und verglich es automatisch mit den Möglichkeiten, die sich einem auf den Inneren Planeten eröffneten: Nicht nur, daß es da keinerlei Begrenzungen der Hyperfunkverbindungen gab, sondern man hatte mittels seines CyberSensor sowieso jederzeit und unbegrenzt Zugriff auf alles – nicht nur auf den jeweiligen Planeten begrenzt, auf dem man sich befand...

       Und hier muß ich auf eine Antwort anderthalb Wochen warten! Nun denn, dabei kann ich froh sein, daß man mir überhaupt erlaubte, eine Nachricht abzusenden...

       Er hatte keine Ahnung, ob das, was er übermittelt hatte, nicht sowieso überwacht worden war. Vielleicht würde man sich jetzt wundern, daß er es versäumt hatte, die Daten zu übermitteln, die man ihm illegal zur Verfügung gestellt hatte? Aber es würde kein Problem sein. Davon war er überzeugt. Jedenfalls, diejenigen, denen er die Daten tatsächlich zugedacht hatte, würden noch früh genug informiert werden. Zuerst mußte er hier auf Tasner einen weiteren Schritt vorangekommen sein. Vielleicht sogar erst nach dem Festival?

       Als Israt dann etwas später in einem der Salons seines Gastgebers den Ersten Repräsentanten traf, konnte er an dessen Gesicht ablesen, daß sie beide durchaus nicht zufällig zusammentrafen.

       Sie begrüßten sich, aber LeCarré war ausgesprochen kühl. Israt erschrak ein wenig. Was mochte geschehen sein?

       "Glücklicherweise konnte der Abgang ihrer Funknachricht noch rechtzeitig verhindert werden, N'Gaba", stellte LeCarré mit einem Hochziehen der linken Augenbraue fest. Seine Züge wirkten konzentriert, seine Augen angriffslustig.

       "Was...?" Israt konnte einfach nicht fassen, was er da gehört hatte.

       „Sie haben vollkommen richtig gehört. Ihr Funkspruch ist nur von dem Gerät in ihrem Quartier zur Hyperfunkzentrale Val-Duun gegangen. Nicht weiter - wir konnten es glücklicherweise verhindern."

       "Sie hören mich ab? Sie lassen mich überwachen?" Israt war entrüstet – obwohl er sowieso fest damit gerechnet hatte. Er hatte zumindest geglaubt, daß die Überwachung keine negativen Folgen für ihn haben würde – nicht jedenfalls in dieser Weise. Schließlich hatte er davon ausgehen dürfen, seinen Gastgeber fest auf seiner Seite zu haben und ihm bis zu einem gewissen Grad vertrauen zu können - worauf er im übrigen aus mehreren Gründen auch angewiesen war. "LeCarré, das ist eine unglaubliche Tatsache: Wieso?“

       "Herr N'Gaba, verstehen Sie das Ganze am besten als eine Art Fürsorge-Maßnahme. Ich habe Sie davor bewahrt, großen Schaden anzurichten."

       "Ich verstehe nicht..."

       "Das habe ich mir gedacht, und deshalb will ich Ihnen auch verzeihen. Sehen Sie, die Festival-Sitten von Tasner sind auf den inneren Welten so gut wie unbekannt. Sie werden höchstens in Anthropologen-Kreisen diskutiert. Ich habe kein Interesse daran, daß dieser Zustand verändert wird. Wenn eine Firma wie Saretto-Yilmaz-Gerland ihren Vertreter wegen des Festivals vorübergehend von Tasner zurückziehen muß, kann das für uns negative Publicity bedeuten, die wir zur Zeit nicht gebrauchen können. Wissen Sie, es herrschen da gewisse Vorurteile gegenüber Dingen, die hier praktiziert werden... Sie wissen sicher, was ich meine, nicht wahr? Ich verlange von niemandem, der es nicht will, an diesem Fest teilzunehmen, und ich habe durchaus Respekt vor den ethischen Positionen anderer. Aber ich verlange diese Toleranz auch für mich und Tasner. Ich möchte nicht, daß Greuelmärchen über diesen wunderbaren Planeten und seine Menschen das Geschäftklima verderben, bevor die zarten Pflänzchen, die wir gesetzt haben, überhaupt aus der Erde gekommen sind. Im Augenblick kann uns ein solches Negativ-Image noch sehr schaden - in einigen Jahren sind wir vielleicht weniger verwundbar, wer weiß? Jedenfalls möchte ich nicht, daß über gewisse Tatsachen mehr bekannt wird, als unbedingt notwendig ist. Es steht Ihnen frei, den Planeten jederzeit zu verlassen, aber ihre Firma muß davon nicht unbedingt unterrichtet werden. Wenn Sie wollen, trage ich sogar die Unkosten, damit Sie ihr Spesen-Konto nicht über Gebühr zu strapazieren brauchen."

       "Saretto-Yilmaz-Gerland wird ohnehin alles erfahren, LeCarré. Schließlich bin ich nicht der einzige Mann von den inneren Welten hier draußen:"

       "Schon möglich, N'Gaba. Schon möglich. Aber Sie können mir ruhig abnehmen, daß ich es keinesfalls nötig habe, mich auf irgendeinem Gebiet von Ihnen belehren zu lassen: Also... Sind Sie nun an guten Geschäftsbeziehungen zwischen Tasner und Saretto-Yilmaz-Gerland interessiert oder nicht?" Er beugte sich einwenig näher und sagte im Verschwörerton und mit gedämpfter Stimme: „Oder an den Geschäftsbeziehungen mit welcher Company auch immer?“

       Er wich wieder zurück und erschien gerade so, wie eine Sekunde davor.

       "Natürlich", antwortete Israt mechanisch.

       "Dann unterlassen Sie Scherze wie den heutigen in Zukunft. Ich habe Ihnen einmal verziehen, weil Sie unwissend waren. Das heißt aber nicht, daß ich es das nächste Mal auch tue: Vergessen Sie nie, daß ich es bin, der hier die Bedingungen diktiert:

       Die Marktlage ist nun einmal so, daß es Dutzende von Konzernen gibt, die exakt dasselbe herstellen und ebenfalls liebend gern auf diesem Planeten Geschäfte machen würden. Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen und sie sind hier. Das wäre doch sicherlich nicht in Ihrem Sinne, oder?"

       Sie schwiegen beide eine Weile.

       Israt mußte an Alana Susstu-Garhis denken, die ihm geraten hatte, die Protektion des Ersten Repräsentanten auf keinen Fall zu gefährden... Es schien tatsächlich unklug, das zu tun; Israts Erfolg war zu eng mit dem Wohlwollen LeCarrés verbunden.

       Er mußte sich fügen.

       "Ich bin Ihr Freund, N'Gaba. Vielleicht glauben Sie mir das jetzt nicht mehr, aber es ist tatsächlich so." Er sprach jetzt wieder leiser, war wieder näher an sein Gegenüber herangetreten und hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. "Aber das würde mich nicht daran hindern, eventuell erbarmungslos gegen Sie vorzugehen, wenn es die Situation und mein Interesse erforderten."

       Israt spürte, daß LeCarré die Wahrheit sagte. Und er dachte auch an die Warnungen von Egon Kransom auf Centrum.

       Nein, er mußte unter allen Umständen einen Bruch verhindern...

       *

       Als er später per Videophon (welch eine uralte, unendlich langsame Technik!) eine Passage nach Ikarus gebucht hatte und ohne etwas zu tun zu haben durch die Straßen Val-Duuns schlenderte, hatte sich vom äußeren Bild her hier nichts geändert.

       Es herrschte immer noch dieselbe Ruhe, in der Magnetbahn drängelte niemand, man schien Zeit zu haben. Alles ging seinen geordneten Gang, so wie jeden Tag, aber was sich geändert hatte, war Israts Einstellung zu dem, was er sah.

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