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war, als seine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen? Wie war es denn immer gewesen? Kaum hatte sie das Objekt ihrer Begierde, was immer es auch gewesen war, daheim gehabt, hatte sie eigentlich ihr Interesse daran verloren und hatte schon Ausschau nach dem Nächsten gehalten.

      Sie war doch nicht blöd?

      Warum war sie nicht schon früher einsichtig gewesen? Mussten erst Cecile und Beauty in ihr Leben kommen, damit sie einen Schalter in sich umknipste?

      Ihr Verhältnis zu Fabian und Stella war noch immer grenzwertig, aber kleine Lichtblicke zeichneten sich ab, und darüber konnte sie froh sein. Man konnte in ein paar Monaten nicht gutmachen, was man in vielen Jahren versäumt hatte.

      Sie schämte sich, wenn sie daran dachte, welch grottenschlechte Mutter sie doch gewesen war.

      Und als Großmutter taugte sie auch nicht viel. Da galt es ebenfalls, Vertrauen zu gewinnen.

      Aber Kinder spürten natürlich, wenn ihre Eltern mit ihren Enkeln distanziert umgingen. Da war es selbstverständlich, dass sich die Enkel auch zurückhielten.

      Die Herzlichkeit, die es mit den Auerbachs gab, hatte sie bei keinem ihrer Enkelkinder auch nur ansatzweise verspürt. Aber da war sie wirklich hoffnungsfroh, dass sich das ändern ließe. Kinder vergaßen sehr schnell, und sie änderten ihre Meinung rasch, und eines wusste Rosmarie, sie hatte eine Trumpfkarte, und das war Beauty. Alle ihre Enkelkinder waren jetzt bereits ganz vernarrt in Beauty.

      Aber darum ging es jetzt nicht.

      Rosmarie brauchte ganz dringend Geld für das Tierheim. Von Heinz war nichts mehr zu bekommen. Und sie konnte nicht immerfort die Konten anzapfen, da hatte sie ein schlechtes Gewissen, sie wollte ihren Mann nicht hintergehen. Heinz war sehr großzügig, und er hatte überhaupt nichts dagegen, wenn sie Geld für sich ausgab, aber bei dem Tierheim, da machte er irgendwie dicht, dabei bekam er doch immer eine Spendenquittung, auf die er so scharf war.

      Rosmarie trank ihren Kaffee, blickte versonnen auf ihre kleine Schönheit, ein Beagle war wirklich ein besonderes Tier, zumindest empfand sie das so. Beauty lag zu ihren Füßen und spielte hingebungsvoll mit einem quietschenden Hot-Dog aus Plastik. Sie hatte so viel Spaß damit, versuchte es immer wieder, schreckte bei dem Quietschen zurück, um erneut damit zu beginnen.

      Beauty war ein junges, verspieltes Tier. Sie hatte ihr Leben wirklich sehr verändert, dachte Rosmarie, sie konnte es noch immer nicht richtig glauben, aber es war so.

      Was war aus diesem scheuen Tier aus dem Heim geworden! Beauty war nicht wiederzuerkennen. Aber es war so. Es war kaum zu glauben.

      Es könnten so viele Tiere ihre Chance bekommen, statt von Züchter zu Züchter zu laufen, sollten sich die Leute erst einmal in den Tierheimen umsehen. Da konnte jeder etwas finden. Und wenn man nach Hause ging, da hatte man nicht nur einen Hund, sondern man hatte das Gefühl, etwas Gutes, etwas Sinnvolles getan zu haben.

      Es musste etwas geschehen!

      Rosmarie stand auf, normalerweise folgte Beauty ihr, augenblicklich allerdings war es spannender für Beauty, mit ihrem Hot-Dog zu spielen. Das war vielleicht sogar ganz gut, denn die kleine Hundedame wollte immer ihre ganze Aufmerksamkeit haben, und die brauchte Rosmarie für etwas anderes.

      Dass etwas geschehen musste, dieser Gedanke setzte sich immer mehr in ihr fest. Und sie hatte auch schon eine Idee.

      Der meiste Schmuck von ihr befand sich in einem Banksafe, aber sie hatte noch eine ganze Menge bei sich zu Hause.

      Sie hatte sich Schmuck gekauft wie andere Frauen Tüten mit bunten Smarties. Der Unterschied zwischen ihnen war, dass die Smarties gegessen wurden, während der meiste Schmuck von ihr ungetragen in einer Schmuckschatulle landete.

      Rosmarie holte die Schatullen aus dem Safe, breitete alle Schmuckstücke auf einem Tisch aus. An die meisten Stücke konnte sie sich überhaupt nicht mehr erinnern. Sie hatte wirklich alles zusammengekauft, was glänzte und blinkte. Da hatte Fabian schon recht, als er ihr einmal vorgeworfen hatte, dass sie alles kaufte, wenn es nur ordentlich blinkte. Und wenn es teuer war.

      Damals hatte es sie wütend gemacht, aber es traf zu.

      Es war doch nicht normal, Schmuck zu kaufen, um ihn dann wegzupacken.

      War sie von Sinnen gewesen?

      Das musste wohl so sein.

      Rosmarie setzte sich, dann begann sie alles zu sortieren, und das nahm ganz schön viel Zeit in Anspruch.

      Im Grunde genommen musste alles weg, aber so viel konnte sie auf einmal nicht verkaufen, das würde die Kasse eines jeden Juweliers sprengen. Außerdem musste sie erst einmal herausfinden, wie so etwas überhaupt ging.

      Sie kannte sich aus im Kauf von Schmuck, Schmuck zu verkaufen, das war neu für sie, und ehrlich gesagt, wusste sie nicht so recht, wie man so etwas machte.

      Wo ging man da eigentlich hin?

      Zu einem Juwelier?

      In ein Pfandhaus?

      Rosmarie hatte keine Ahnung, doch sie würde es schon herausfinden. Sie brauchte das Geld für einen guten Zweck, und um an das zu kommen, war ihr jedes Mittel recht.

      Sie packte den Schmuck in ihre Handtasche, und sie wunderte sich, wie leicht ihr das fiel. Das war auf jeden Fall ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er ihr wirklich nichts bedeutete. Dabei hatte sie doch bei jedem Stück, ob nun Ring, Armband, Kette oder Anhänger, das Gefühl gehabt, ohne es nicht mehr leben zu können.

      Es war schrecklich, erkennen zu müssen, was für eine grässliche Person sie doch gewesen war.

      Sie rief Meta, ihre treue Seele, bat sie, auf Beauty aufzupassen, dann verließ sie die Villa, in der sie sich auch längst nicht mehr wohlfühlte. Die war als Nächstes dran. Aber es war schwierig, in einem kleinen Ort wie Hohenborn einen solchen Palazzo Prozzo an den Mann zu bringen, wie ihr Sohn Fabian immer sagte.

      Jetzt ging es um etwas anderes. Sie konnte nicht auf einen Streich all ihre Fehlentscheidungen der letzten Jahre, eigentlich ihres ganzen Lebens, seit sie verheiratet war, rückgängig machen.

      Da hätte sie viel zu tun, und alles auf einmal ging eh nicht.

      Aber sie war auf einem guten Weg, und das war schon mal etwas. Rom war schließlich auch nicht an nur einem Tag erbaut worden.

      Beauty spielte noch immer ganz vergnügt mit ihrem Hot-Dog. Sie bemerkte Rosmarie überhaupt nicht. Und so ging diese mit dem beruhigenden Gefühl, dass Meta sich schon kümmern würde, sollte Beauty irgendwann einmal von ihrem Spielzeug ablassen. Im Augenblick sah es nicht danach aus. Rosmarie hatte im Überschwang eine ganze Menge von Spielzeug für Beauty gekauft, mit diesem Hot-Dog hatte sie auf jeden Fall einen Treffer gelandet, dabei hatte sie ausgerechnet dieses Teil nicht kaufen wollen. Sie hatte sich von der Verkäuferin in der Zoohandlung regelrecht beschwatzen lassen. Insgeheim tat sie Abbitte, und sie nahm sich fest vor, der Verkäuferin zu erzählen, dass es eine gute Empfehlung war. Lob, wem Lob gebührte!

      Sie freute sich doch auch, wenn Frau Doktor Fischer oder Teresa von Roth sie lobten. Da waren alle Menschen gleich. Für Lob war jeder empfänglich.

      *

      Der Juwelier Tellkamp war weit über die Grenzen Hohenborns bekannt. Man kam hierher, wenn man etwas Besonderes, etwas Exklusives, aber auch entsprechend Teures kaufen wollte.

      Der schwarze Granitfußboden, die Einrichtung aus gebürstetem Edelstahl und die teuren französischen Tapeten an den Wänden verliehen dem Laden eine besondere Exklusivität, und so mancher fragte sich, wie es so etwas in Hohenborn geben konnte. Man fand Juweliere dieser Art kaum in den Großstädten.

      Die Rechnung von Herrn Tellkamp war auf jeden Fall aufgegangen. Die Immobilienpreise in Hohenborn waren erschwinglich. In den Großstädten zahlte man ein Vielfaches, die Konkurrenz war größer. Er konnte also mit seinem florierenden Geschäft sehr viel mehr Gewinn einstreichen.

      Bislang war das Geschäft für Rosmarie so etwas wie ihr zweites Wohnzimmer gewesen. Sie durfte nicht darüber nachdenken, wie viel Geld sie da

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