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los, dabei hatte sie das Gefühl, dass Gerda Schulz sie beobachtete.

      *

      Inge war zu faul, ihr Auto jetzt in die Garage zu fahren, außerdem wollte sie ihrer Mutter unbedingt vom dem Besuch bei Gerda Schulz erzählen.

      Ihr Vater verließ gerade das Haus, zusammen mit Luna, die, seit Pamela nicht mehr da war, offensichtlich lieber im Nachbarhaus war, und das nicht nur wegen der Leckerli, die sie dort bekam. Nein, es lag wohl in erster Linie daran, dass Magnus von Roth mit der kleinen Hundedame so viele ausgiebige Spaziergänge machte.

      »Wo willst du hin, Papa?«, erkundigte Inge sich. »Du bist ja nur noch unterwegs.«

      Magnus von Roth lachte.

      »Luna kann einen ganz schön auf Trab halten, ich will mit ihr noch eine kleine Runde am See drehen.« Als er das entsetzte Gesicht seiner Tochter bemerkte, sagte er: »Eine kleine Runde, und das meine ich auch. Aber ich denke, das reicht Luna auch, sie ist halt so unglaublich gern am See. Ich muss sie zurückhalten, sonst würde sie auch bei diesen Temperaturen am liebsten ins Wasser springen. Aber so sind Labradore halt, sehen sie Wasser, dann sind sie außer Rand und Band. Zum Glück ist Luna ein gut erzogener Hund und macht da keine Probleme, was man manchmal so sieht. Da kann man sich wirklich fragen, wer eigentlich das Sagen hat. Herrchen oder Frauchen oder der Hund.«

      Ja, es stimmte, Luna war ein gut erzogener und auch ein gutmütiger Hund.

      Luna bellte, sie wollte los, und deswegen fragte Inge ihren Vater: »Und wie viel Leckerli hast du in deiner Tasche, Papa?«

      Magnus von Roth fühlte sich ertappt und beantwortete diese Frage lieber nicht, sondern rief: »Luna will los, bis später«, dann hatte er es eilig, davonzukommen.

      Stolz und hochaufgerichtet und erstaunlich schnell für sein Alter lief ihr Vater mit Luna Richtung See.

      Sie würde es sich immer wieder sagen, doch so war es ja auch – Inge war überglücklich, ihre Eltern so dicht bei sich zu haben.

      Noch mit einem Lächeln auf den Lippen traf sie auf ihre Mutter, die gerade dabei war, die Tassen in den Geschirrspüler zu räumen, aus denen sie und Magnus Tee getrunken hatten.

      Teresa von Roth sah ihre Tochter prüfend an.

      »Kind, es scheint ja gut gelaufen zu sein. Hat die Mieterin sich gefreut? Du siehst zufrieden aus.«

      Inge setzte sich.

      »Ich freue mich, dass Papa so gut drauf ist, das mit dieser Frau Schulz, du, Mama, ich weiß nicht. Mit dieser Frau stimmt etwas nicht.«

      Dann erzählte sie ihrer Mutter was geschehen war und wie sie es empfunden hatte.

      »Ich glaube, du brauchst erst einmal einen Kaffee, mein Kind«, lachte Teresa, »der hilft bei dir immer. Ist es nicht so, dass du jetzt enttäuschst bist, weil die Mieterin dein Willkommensgeschenk nicht richtig gewürdigt hat?«, wollte Teresa wissen. »Das können nicht alle Leute, nicht jeder kann Gefühle zeigen, und die Frau soll mit ihrer Tochter ja auch in verschiedenen Ländern gelebt haben. Als Ausländer hat man es schwer, heimisch zu werden. Du hast ihr Brot und Salz gebracht, und das sind immerhin Dinge, die jeder Mensch gebrauchen kann. Damit soll es für dich auch gut sein. Inge, mal ganz ehrlich, hast du nicht genug eigene Probleme?«

      Inge nickte.

      »Siehst du, da musst du dir nicht auch noch Gedanken um andere Leute machen. Du musst nicht darüber nachdenken, wie andere Leute drauf sind. Und es geht dich auch nichts an, dass sie mit scheinbar übertriebener Liebe an ihrer Tochter hängt. Du hast dich immer aus allem herausgehalten, warst nie an Klatsch und Tratsch interessiert. Bitte, fange nicht damit an.«

      »Aber sie ist Mieterin von Ricky und Fabian«, wandte Inge ein.

      »Na und?«, sagte Teresa. »Es gibt einen ordnungsgemäßen Mietvertrag, in dem alles geregelt ist. Vielleicht bringt es dich auf andere Gedanken, dass Hannes geschrieben hat?«

      »Was schreibt er?«

      »Während ich den Kaffee mache, kannst du es selbst lesen. Der Computer ist noch an.«

      Das ließ Inge sich nicht zweimal sagen, sie rannte in das Wohnzimmer, wo auf einem sehr hübschen alten Schreibtisch der Computer stand.

      Inge setzte sich, weil sie ganz weiche Knie hatte vor lauter Aufregung. Eines musste man Hannes lassen, er hielt sie auf dem Laufenden. Seine Texte waren ziemlich knapp, aber er schickte viele Bilder, und aus denen konnte man auch einiges ablesen.

      So war es auch heute. Man sah ihre Jüngste beim Surfen, und es war schon ganz beachtlich, welches Tempo sie dabei vorlegte.

      Vielleicht war es doch nicht so gut, sich das jetzt anzusehen, denn das erweckte erneut die Sehnsucht in ihr, ihr Nesthäkchen wieder in die Arme zu schließen. Sie fehlte ihr so sehr. Und wie groß und irgendwie erwachsen sie geworden war.

      Es gab Bilder, die Hannes, seinen Kumpel, Pam und andere junge Leute bei einer Beach-Party zeigten. Es wurden Würstchen gegrillt, Inge sah Bierdosen in manchen Händen, und sofort fragte sie sich ängstlich, ob ihre Kleine wohl auch Bier trank. Dazu war sie viel zu jung, und Hannes achtete hoffentlich darauf, dass sie keinen Alkohol zu sich nahm. Konnte er das? Er war selbst ja auch noch so jung.

      Es gab noch mehr Bilder, aber Inge konnte sich die einfach nicht ansehen. Vielleicht später, doch dazu brauchte sie nicht wieder zu ihren Eltern zu gehen, Hannes versorgte die ganze Familie mit Nachrichten, seine Eltern, seine Großeltern und seine Geschwister ebenfalls.

      Sie ging zu ihrer Mutter zurück.

      Die merkte sofort, was mit ihrer Tochter los war. Sie stellte den Kaffee vor sie hin und sagte: »Mach kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, sondern freue dich, dass es Hannes und unserer Kleinen so gut geht. Sie befinden sich in einem ganz großartigen Land, sind unter jungen Leuten, haben Anschluss gefunden. Was willst du noch mehr?«

      Das wusste Inge alles, das musste ihre Mutter ihr jetzt nicht aufzählen.

      »Mama, hast du gesehen, dass sie bei diesem Beach-Fest Bier getrunken haben?«, fragte Inge.

      Teresa von Roth schob einen Teller mit Keksen in die Richtung ihrer Tochter. Manchmal konnte man Inge damit ablenken. Und richtig, schon griff sie danach und schob sich einen Keks in den Mund.

      »Bier zu trinken, das ist keine australische Besonderheit, meine Liebe«, bemerkte Teresa ruhig. »Das tun die jungen Leute in unserem Land auch, selbst die behüteten Kids, die hier im Sonnenwinkel leben. Das ist nun mal so. Und du kannst aufpassen wie ein Luchs, und dennoch kannst du dein Kind nicht davon abhalten, das zu probieren, was alle tun. Das machen sie doch schon, um nicht als Außenseiter dazustehen. Übrigens, Inge, du hast dich gerade tierisch darüber aufgeregt, wie sehr diese Frau Schulz auf ihre Tochter fixiert ist. Was tust du denn gerade?«

      Inge fühlte sich ertappt, und das gefiel ihr überhaupt nicht.

      »Mama, du hast ja recht«, gab sie zu, »führe es mir nur vor Augen. Weißt du, es ist immer einfacher über andere Leute zu reden. Manchmal tut man das auch, um von sich selbst und von seinen eigenen Problemen abzulenken. Ach, Mama, ich beneide dich wirklich um deine Gelassenheit, um deine Sicht der Dinge.«

      Teresa von Roth lachte.

      »Komm erst einmal in mein Alter, mein liebes Kind, dann regst du dich auch nicht mehr über jede Fliege an der Wand auf. Übrigens, ich gönne dir wirklich jeden Keks von Herzen, aber eigentlich sind die zum Genießen da und nicht, um sie achtlos in sich hineinzustopfen. Ich sag das nur, damit du später nicht herumjammerst und dich über das Hüftgold beklagst, das du bekommen hast.«

      Inge, durch den ganzen Ärger und die Sorgen um Pamela, ziemlich schlank geworden, wollte das nicht mehr riskieren. Sie gefiel sich gut, so wie sie jetzt war. Deswegen legte sie beinahe schuldbewusst den Keks auf den Teller zurück, den sie gerade essen wollte. In sich hineinstopfen, wie ihre Mutter gesagt hatte, war wohl zutreffender. Denn wenn sie auf den Teller blickte, bekam sie ein schlechtes Gewissen, da lagen nicht mehr viele Kekse drauf, und ihr war überhaupt nicht bewusst geworden, wie sie die nacheinander gegessen hatte,

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