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hätte sie jetzt eigentlich lachen müssen. Sie kam sich vor wie ein Schulmädchen, das darauf wartete, eine wichtige Klassenarbeit zurückzubekommen.

      Ricky hörte etwas rascheln, das sich wie das Rascheln von Papier anhörte, doch als Fabian ins Zimmer trat, kam er mit leeren Händen. Wer weiß, was sie da gehört hatte.

      »Tut mir leid, Ricky. Es ist ein bisschen später geworden«, sagte er.

      Ricky konnte sich nicht verkneifen zu fragen: »Hatte Frau Doktor Klinger wieder ein nicht lösbares Problem?«

      Am liebsten hätte sie sich jetzt auf die Zunge gebissen. Die Situation war verfahren genug, warum hielt sie denn nicht ihre Klappe, sondern goss noch mehr Öl ins Feuer.

      Sie wagte nicht, ihren Mann anzusehen, das tat sie allerdings doch, als sie ihn beinahe sanft sagen hörte: »Nein, Frau Doktor Klinger ist krank geschrieben. Und sie hat übrigens auch einen Versetzungsantrag gestellt.«

      Seiner Stimme war es zwar nicht anzuhören, doch wollte er ihr das etwa auch anlasten?

      Sie blickte ihn an, holte tief Luft, um heftig etwas zu erwidern, als sie bemerkte, dass er lächelte. Mit wenigen Schritten war er bei ihr, setzte sich neben sie, nahm sie liebevoll in die Arme.

      »Es tut mir ja so leid, Ricky. In Zukunft werde ich auf dich hören, statt mich aufzuregen. Dein Ausbruch hat mir keine Ruhe gelassen, und ich habe Nachforschungen angestellt. Frau Doktor Klinger scheint wohl ein Faible für ihre Vorgesetzten zu haben. Sie war bereits vorher an zwei Gymnasien, an denen sie sich an die Direktoren herangemacht hat, an einem dritten Gymnasium hatte sie Erfolg, und es ist ihr gelungen, eine Ehe auseinanderzubringen. Aber es hat ihr kein Glück gebracht, der Kollege hat sie verlassen. Ich gebe ja zu, dass es mir geschmeichelt hat, von ihr angeschmachtet zu werden wie ein Filmstar, doch ich hielt es für harmlos.

      Erst meine Recherchen haben mir die Augen geöffnet. Ricky, du bist die Frau meines Lebens, du bist mein ganzes Glück, ich würde dich nie betrügen. Ich war nur sauer auf dich, weil ich mich durch dich bloßgestellt fühlte. Immerhin hast du die Szene in meinem Büro abgezogen, vor meinen Augen und in Gegenwart einer Kollegin. So etwas geht überhaupt nicht, das untergräbt meine Autorität. Aber immerhin hat es mich wachgerüttelt. Und ich bitte dich, mir zu verzeihen, und ich …«

      Er brach seinen Satz ab, ging hinaus, und kurz darauf kam er wieder mit einem großen Strauß wunderschöner roter Rosen.

      »Ricky, ich liebe dich, und daran wird sich niemals etwas ändern. Ich war dämlich, aber sag mir jetzt einfach, dass du mir verzeihst.«

      Eben noch ein schwarzer Himmel voller Gewitterwolken, und jetzt ein blauer Himmel voller tanzender Schäfchenwolken. So kam es Ricky vor.

      Sie hatte sich umsonst gesorgt, Fabian blieb ihr treu, und er liebte sie. Das allein war es, was zählte, und deswegen hielt sie jetzt auch den Mund und sagte ihm nicht, dass sie es gewusst hatte, dass mit dieser Person etwas nicht stimmte.

      Worte waren augenblicklich so unnötig wie ein Kropf. Sie glaubte zu träumen, und Ricky wusste, was sie zu tun hatte. Sie schlang ihre Arme um den Hals ihres Mannes, und dann küssten sie sich, als gäbe es kein Morgen.

      Ricky hatte es ja immer gewusst: Sie, Fabian und ihre aufgeweckten Kinder bildeten im Grunde eine der harmonischsten Familien, die man sich denken konnte. Das Leben war wie ein wunderschönes Märchen.

      Für sie alle war heute ein unglaublicher Tag. Es waren Ostern und Weihnachten zugleich, vielleicht auch noch Pfingsten und die Sommerferien.

      Zwischen Fabian und ihr war die Welt wieder in Ordnung. Er liebte sie, dazu hätte es der roten Rosen nicht bedurft. Aber schön waren sie, wunderschön, und welche Frau wurde bei roten Rosen nicht schwach. Sie waren nun mal das Zeichen einer großen Liebe.

      Sie hätte jetzt triumphieren können, dass sie es gewusst hatte, sie hätte jetzt vor Freude tanzen können, weil es am Gymnasium diese Person bald nicht mehr geben würde.

      Ricky tat nichts davon.

      Sie war einfach nur froh und glücklich, dass mit ihrem Fabian wieder alles in Ordnung war. Ab sofort passte wie früher schon kein Blatt Papier zwischen sie. Und so sollte es auch sein.

      Fabian setzte sich wieder neben sie, nahm sie in seine Arme und flüsterte: »Die wunderbarste Frau auf der ganzen Welt muss ich jetzt sehr dringend küssen.«

      Diesen Worten ließ er sofort Taten folgen, und Ricky hatte überhaupt nichts dagegen, im Gegenteil! Schöner als jetzt konnte das Leben wirklich nicht sein.

      *

      Seit Cecile in ihr Leben getreten war, hatte Rosmarie Rückert sich sehr verändert, und das im positiven Sinne. Niemand, vor allem sie selbst nicht, hätte für möglich gehalten, dass es da noch eine Steigerung geben könnte.

      Die gab es!

      Und daran war Beauty schuld, die wunderschöne kleine Beaglehündin, die sie aus dem Tierheim geholt hatte.

      Beauty hatte es geschafft, dass ihr Leben eine solche Kehrtwendung genommen hatte, die ihr richtig den Atem nahm.

      Alles hatte sich verändert, nichts zählte mehr. Es musste eine andere Frau gewesen sein, die die Schönheitschirurgen aufgesucht hatte, und die Schmuck gekauft hatte, als würde in der nächsten Zeit das Gold knapp. Und all die Designerkleidung, die Designerschuhe.

      Es war nicht zu glauben, und Rosmarie hätte es niemals für möglich gehalten. All das brauchte sie nicht mehr. Wenn sie mit Beauty durch die Felder und Wälder lief, brauchte sie zweckmäßige Kleidung und bequeme Schuhe, und Schmuck? Den brauchte sie auch nicht, da reichten ihr Ehering und eine Armbanduhr, und das musste auch keine mit Brillanten verzierte sein, da tat es eine praktische Sportuhr. Die hatte noch einen weiteren Vorteil, die Ziffern waren größer, und sie hatte keine Mühe, sie zu erkennen, das war etwas, was mit zunehmendem Alter immer schwieriger wurde.

      Statt Juweliere und Nobelboutiquen unsicher zu machen, ging Rosmarie viel lieber ins Hohenborner Tierheim des Tierschutzvereins, dort gab es immer etwas zu tun, und die Leiterin, Frau Doktor Fischer, war froh über jede helfende Hand. Rosmarie half ihr, und das machte sogar sehr viel Spaß. Sie war glücklich, wenn sie in dankbare Hundeaugen sah, oder wenn es ihr gelang, ein verschrecktes Kätzchen wieder zutraulich werden zu lassen.

      Sie unterstützte das Tierheim auch finanziell, aber mittlerweile wollte Heinz nichts mehr herausrücken, weil er der Meinung war, dass sie übertrieb. Wenn er nur ein einziges Mal mitkäme, könnte er sehen, dass es im Tierheim an allem fehlte. Das wollte Heinz um keinen Preis, und Rosmarie konnte eigentlich schon froh sein, dass er sich mit Beauty als vierbeiniger Hausgenossin abgefunden hatte. Er war mit Beauty sogar hier und da schon einmal um den Block gelaufen. Aber sie war auch ein so reizendes Tierchen, sie war wunderschön, und sie wurde immer zutraulicher und begann das Vertrauen in die Menschen wieder zu gewinnen. Und das machte Rosmarie sehr, sehr stolz.

      Das Tierheim brauchte dringend einen neuen Außenkäfig, weil es für die Tiere immer enger wurde und man nicht alle frei herumlaufen lassen konnte.

      Aber woher das Geld?

      Rosmarie gab, was sie konnte, und auch Teresa von Roth war unermüdlich. Rosmarie war so froh, dass sie und Teresa sich immer besser verstanden, sie war aber auch eine ganz besondere Frau, und deswegen freute Rosmarie sich am meisten darüber, dass sie in Teresas Achtung so sehr gestiegen war. Das war ihr sehr wichtig. Und das war auch etwas, was sich bei Rosmarie verändert hatte. Früher, als nur die Äußerlichkeiten für sie wichtig gewesen waren, hatte sie manchmal über die von Roths und die Auerbachs ein wenig geringschätzig gelächelt. Mittlerweile wusste sie, dass deren Art zu leben die richtige war.

      Was hatte sie denn von all diesen Klamotten, den Stilettos, mit denen man sich die Beine brechen konnte. Und der viele Schmuck, da konnte man mit beiden Händen hineinlangen und konnte noch immer nicht alles fassen.

      Aus ihrer heutigen Sicht heraus war sie in all den Jahren verrückt gewesen.

      Wie hatte sie nur mit vollen Händen das Geld so herauswerfen können.

      Warum war ihr

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