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zu sehr mit ihrem Problem beschäftigt.

      Sie sah sich um, und ein leichtes Gefühl von Wehmut beschlich sie. Insgeheim hatte sie sich gewünscht und vorgestellt, an genau dieser Schule ihre ersten Sporen als Lehrerin für Deutsch und Biologie zu verdienen. Aus der Traum! Sie konnte zwar irgendwann einmal, wenn die Kinder groß waren, mit dem Studium wieder beginnen, doch mit einer Anstellung hier, mit einer Anstellung überhaupt, war es dann vorbei, weil sie schlichtweg zu alt sein würde. Und das war schon bitter.

      Sie war schlecht genug drauf, und deswegen wollte sie sich von solchen Gedanken nicht noch mehr herunterdrücken lassen.

      Sie war von niemandem gezwungen worden, mit dem Studium zu beginnen, und es hatte sie auch keiner gezwungen, damit aufzuhören. Es war ihre alleinige Entscheidung gewesen, und deswegen musste sie auch die Konsequenzen dafür tragen. Das wusste sie, sie wollte sich eigentlich von ihrem Mann nur bestätigen lassen, dass sie richtig gehandelt hatte, mehr wollte sie doch nicht.

      Sie kam vor dem Direktoren-Zimmer an – und richtig – beinahe hätte sie angefangen zu lachen, das Vorzimmer war verweist.

      Ricky kannte sich hier aus, deswegen ging sie forsch auf die Tür zu, hinter der sie ihren Fabian wusste.

      Sie hatte die Tür noch nicht einmal richtig aufgestoßen, als sie fröhliches Gelächter vernahm, das von Fabian und einer Frau. Ricky blieb im Türrahmen stehen.

      Das durfte jetzt nicht wahr sein!

      In der sehr hübschen Besucherecke mit schwarzen Ledersesseln, saßen Fabian und eine Frau. Dagegen war an sich nichts einzuwenden, wenn es nicht ausgerechnet diese Frau wäre. Die war mittlerweile für Ricky zu einem roten Tuch geworden.

      Frau Doktor Rita Klinger …

      Seitdem diese Frau an dem Gymnasium arbeitete, zogen sich die Lehrertreffen hin, kam Fabian oftmals verspätet nach Hause, weil Frau Doktor Klinger unbedingt etwas geklärt haben musste.

      Es war eine attraktive Frau, doch das machte Ricky nichts aus, und das war es auf jeden Fall nicht, was sie wütend machte. Doch wenn man sie sah, dann musste man sich schon fragen, ob sie für ihren Job richtig gekleidet wer. Sie war eindeutig overdressed, und sie brezelte sich ganz gewiss nicht so für ihre Schüler auf, auch nicht für Männer wie Doktor Redlich.

      Nein!

      Ricky war längst schon aufgefallen, dass diese Person ein Auge auf ihren Fabian geworfen hatte. Anfangs hatte Ricky noch darüber lachen können, weil ihr Fabian treu wie Gold war. Für ihren Mann würde sie jederzeit nicht nur beide Hände ins Feuer legen, sondern beide Füße dazu.

      Aber diese Anmache ging einfach zu weit. Diese Frau wusste, dass Fabian verheiratet war, dass er treusorgender Vater einiger Kinder war, doch das schien Rita nicht zu berühren.

      Wie sie da in ihrem Sessel klebte, in einem viel zu kurzen Rock, die, das musste man zugeben, schönen Beine malerisch übereinander geschlagen.

      Ricky war wütend!

      Sie klopfte so heftig an die Tür, dass bei Fabian und dieser Frau das Lachen sofort verstummte. Beide blickten zur Tür, in deren Türrahmen Ricky wie ein Racheengel stand.

      »Ricky«, Fabian fand zuerst seine Sprache wieder, »mit dir hätte ich jetzt nicht gerechnet. Aber schön, dass du da bist. Frau Doktor Klinger ist zu mir gekommen, weil sie mit der Benotung der Arbeiten nicht richtig klarkommt und nichts falsch machen möchte.«

      Das machte Ricky noch wütender.

      Sie lief auf die beiden zu, schmiss sich in einen dritten Sessel, dann erkundigte sie sich beinahe höhnisch: »Frau Doktor Klinger, wie lange sind Sie eigentlich schon Lehrerin? Doch bestimmt eine ganze Anzahl von Jahren, und das mit der Benotung, das lernt man im Fach Pädagogik bereits in den ersten Semestern.«

      Rita Klinger wurde rot.

      Und Ricky war nicht zu bremsen.

      »Denken Sie sich etwas Besseres aus, wenn Sie meinen Mann mit Ihren ständigen Fragen behelligen …, am besten lassen Sie die Finger ganz von ihm. Wie Sie wissen, ist er verheiratet und Vater unserer Kinder. Er kann doch nicht das Objekt Ihrer Begierde sein, oder nehmen Sie alles in Kauf, nur um den Mann für sich zu gewinnen, auf den Sie scharf sind, auch das Zerstören einer Familie?«

      Rita Klinger schnappte nach Luft, sprang auf, rief: »Das …, das muss ich mir nicht gefallen lassen.«

      Ricky wunderte sich über sich selbst.

      »Tja, es ist immer schwer, die Wahrheit zu ertragen, doch manchmal kann es sehr hilfreich sein, sie auszusprechen, und das ist mir schon lange ein Bedürfnis. Noch einmal, lassen Sie gefälligst die Finger von meinem Mann, sonst lernen Sie mich kennen. Ich kann da ganz anders, und ich bin nicht so rücksichtsvoll wie mein Mann.«

      Rita Klinger ließ ihren Kaffee stehen, sie stolperte mit hochrotem Kopf aus dem Direktorenzimmer, schlug die Tür krachend hinter sich zu.

      Es war auf einmal so still, dass man das Summen einer Fliege hätte hören können.

      Ricky wagte nicht, ihren Mann anzusehen. Sie war wütend auf diese Person, da hatte sich etwas zusammengebraut, aber sie hätte sich, schon allein aus Rücksicht auf Fabian und dessen Position, sich niemals dazu hinreißen lassen dürfen, sich wie eine keifende Marktfrau zu benehmen. Was sollte sie jetzt tun? Sich entschuldigen? Sie wusste es nicht, manchmal war es besser, einfach abzuwarten, und dazu entschloss Ricky sich.

      Warum sagte er denn nichts?

      Diese Stille war geradezu unerträglich!

      Endlich tat sich etwas.

      »Ricky, was ist in dich gefahren?«, erkundigte Fabian sich leise, und leider war seiner Stimme nicht anzuhören, ob er megasauer war oder nur ein wenig. »Wie konntest du dich so hinreißen lassen? Frau Doktor Klinger hat sich für dieses Gespräch ordnungsgemäß angemeldet, und wie kannst du dich erdreisten, über die Benotung von Arbeiten ein Urteil abzugeben? Nur, weil du mal knapp zwei Semester studiert hast? Es gibt eine Beschwerde gegen Frau Klinger wegen ihrer Benotung, und sie möchte nicht, dass die Schule deswegen ins Gerede kommt und will Schadensbegrenzung betreiben und mit mir einer Meinung sein, was das alles betrifft.«

      Ricky glaubte, im Boden versinken zu müssen.

      War sie da über ihr Ziel hinausgeschossen?

      War sie gar eifersüchtig und sich, was Fabian anging und dessen eheliche Treue, doch nicht so sicher, wie sie immer tat?

      War sie nur eifersüchtig, dass diese attraktive Frau den Job hatte, den sie niemals bekommen würde?

      Am liebsten hätte Ricky jetzt angefangen zu weinen, doch das ging überhaupt nicht, das würde Schwäche bedeuten, und die konnte und wollte sie jetzt nicht zeigen.

      »Es mag ja sein, aber sie sucht immer wieder deine Nähe, ich bin doch nicht blind, und seit sie an der Schule ist, gibt es immer Verzögerungen. Ich lasse mich davon nicht abbringen, sie ist hinter dir her, und ich werde mich bei ihr auch nicht entschuldigen. So, wie sie reagiert hat, habe ich den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie ist wie das personifizierte schlechte Gewissen davongerauscht. Wäre sie nicht betroffen, hätte sie sich nicht ertappt gefühlt, dann hätte sie mich wütend zur Rede gestellt und mich gefragt, was für einen Stuss ich da eigentlich rede.«

      Wieder sagte Fabian nicht sofort etwas, und Ricky fühlte sich schlecht. Ob diese Klinger nun hinter ihm her war oder nicht: Sie hätte sich nicht so aufführen dürfen. Wie frustriert war sie eigentlich? So herumzutoben war nicht ihre Art, ganz gewiss nicht, es war nur ein Zeichen dafür, wie frustriert sie war. Diese Frage musste sie sich nicht stellen, das war einfach so.

      »Weswegen bist du eigentlich gekommen?«, erkundigte Fabian sich. »Heute Morgen beim Frühstück war noch nichts davon zu spüren, dass du etwas auf dem Herzen hast, das keinen Aufschub bis zum Nachmittag hat.«

      Es war für sie wichtig und dringend gewesen, weswegen sie gekommen war, doch Ricky konnte es ihm jetzt einfach nicht erzählen. Sie fühlte sich so leer, sie war vollkommen fertig. Sie war sich sicher, dass diese Person hinter

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