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Der Fahlinger lag im Bett und war immer noch kreidebleich.

      »Daß du dich zu einer Operation entschließen solltest. Du mußt einen Bypass haben, da kommst nicht herum. Bei jedem Anfall wird dein Herz geschwächt.«

      Alfons Fahlinger starrte vor sich auf die Decke, dann begann er sie glattzustreichen.

      »Wer soll das bezahlen?« fragte er. »Ich…«, es war ihm außerordentlich peinlich, davon anzufangen, »ich bin nicht krankenversichert und hab’ auch kein Geld.«

      »Du hast aber Freunde.« Trautner ging zum Fenster und öffnete es. »Außerdem gibt es einen Fond an der Bergklinik, der für derartige Fälle vorgesehen ist. Du bist net der einzige, der darauf angewiesen ist.«

      »Das sagst du jetzt net nur so daher?« Alfons Fahlinger sah den Chef der Bergklinik aufmerksam an.

      Der schüttelte den Kopf. »Du solltest mich eigentlich soweit kennen, daß ich nix erzähl’.«

      Fahlinger nickte. Dann starrte er wieder vor sich auf die Bettdecke und vermied es, Trautner anzusehen.

      Der stand auf und ging zur Tür. »Denk drüber nach. Es braucht nämlich ein paar Tage, um es zu organisieren.«

      »Würd’… würd’ mich der junge Professor operieren?« wollte der Föhrenhofer dann wissen.

      Dr. Trautner nickte. »Ich glaub’ schon.«

      Da schloß Alfons Fahlinger die Augen. »Der gefällt mir. Er ist kein Spinner und scheint das Herz auf dem rechten Fleck zu haben. Also, wenn der Professor mich operiert, dann hast hiermit meine Zustimmung.«

      Dr. Trautner nickte und verließ das Krankenzimmer. Er fragte bei dessen Sekretärin, wo Stolzenbach sei und erfuhr, daß er noch im OP sei, aber jeden Moment fertig sein müßte.

      »Wenn er da ist, soll er bitte zu mir kommen. Ich bin in meinem Zimmer.«

      Es dauerte fast noch zwei Stunden, bis Stolzenbach kam, denn er ging nach den OP-Terminen immer auf die Intensivstation, um noch mal nach den Patienten zu sehen. Vor allem bereitete ihm nach wie vor Hans Hennrichs Probleme, dessen Peritonitis erst ganz allmählich abklang.

      »Sie wollten mich sprechen, Herr Kollege?«

      Trautner nickte. »Nehmen S’ bitte Platz, Professor. Was darf man uns zu trinken bringen? Einen Kaffee? Einen belegten Semmel dazu? Oder was sonst?«

      Stolzenbach lächelte. »Was wollen S’ von mir? Derartige Freundlichkeiten bin Ihrerseits ich gar nicht gewohnt.«

      Trautner zog die Augenbrauen in die Höhe, doch dann lächelte auch er. »Vielleicht stehen wir ja am Beginn einer großen Freundschaft?«

      Da lachte Stolzenbach. »Wer weiß, es soll ja alles möglich sein.«

      »Ich möchte noch mal wegen der Bypassoperation mit Ihnen sprechen. Sie erinnern sich bestimmt. Es geht um den Fahlinger, wo der Markus untergebracht war.«

      Stolzenbach nickte. »Sicher erinnere ich mich.«

      »Der Fahlinger ist wieder bei uns. Er hat vergangene Nacht einen erneuten Anfall gehabt. Es war zwar wieder kein Infarkt, aber es hat net viel gefehlt. Aber er muß operiert werden, und zwar dringend. Wir… also es gibt einen Fond, der Sie bezahlen könnt’ und der…!«

      Stolzenbach lächelte. »Reden S’ keinen Unsinn, Doktor. Diesen Fond gibt’s nicht, das wissen Sie doch so gut wie ich. An jeder Klinik erzählt irgendwer von Fonds, weil ein Patient nicht zahlen kann. Den man aber trotzdem nicht im Regen stehen lassen will.«

      Da sah Trautner den jungen Professor aufmerksam an. »Und? Steht der Fahlinger im Regen?«

      »Sie wollen wissen, ob ich ihn operiere?« Stolzenbach nickte. »Ich werde ihn operieren. Im Dienst der Wissenschaft und der Nächstenliebe und was Sie immer wollen.«

      Einen Augenblick sah es so aus, als würde Trautner die Augenbrauen zusammenziehen, doch dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck. »Dann müßten wir uns nur noch um die Assistenten und den Herz-Lungen-Anästhesisten bemühen.«

      »Machen S’ sich darum keine Gedanken«, antwortete Stolzenbach. »Ich hab’ schon alle zusammen.«

      »Wie bitte?« Trautner sah den Professor an, als habe er kein Wort verstanden.

      »Es ist alles organisiert«, antwortete der. »Als Herz-Lungen-Anästhesisten habe ich Schaubner aus Erlangen verpflichtet und als ersten Assistenten Schnabl vom Herzzentrum in München.«

      Dr. Trautners Augen wurden immer größer. »Sie haben was?«

      »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Kollege, dann drängt die Zeit ein bisserl.«

      »Schon, aber Sie waren doch zuerst dagegen. Sie wollten doch nicht…!«

      »Ich hoffe, man darf sich mal irren. Ich habe meinen Irrtum eingesehen und bereut. Auch deswegen habe ich schon ein wenig vorgearbeitet.«

      »Und die Kollegen, sie…?«

      »Kosten keinen Pfennig.« Stolzenbach grinste übers ganze Gesicht. »Wenn Sie jetzt auch noch wissen wollen, wie mir das gelungen ist, dann verweigere ich Ihnen die Auskunft. Also, sind Sie zufrieden?«

      Dr. Trautner nickte. »Sicher. Ich bekomm’s nur nicht in meinen Kopf.«

      »Es ist schön und trostreich, wenn man Sie noch verblüffen kann, Herr Kollege.« Stolzenbach stand auf. »Ich muß jetzt noch mal nach meinen Patienten sehen. Als zweiten Assistenten nehmen wir übrigens den jungen Schröder. Der hat das richtige Händchen und den nötigen Sachverstand auch. Ich möcht’ ihn, falls Sie nichts dagegen haben, gerne weiterverpflichten.«

      »Er ist sehr jung…!«

      Stolzenbach lachte. »Das haben Sie mir auch vorgeworfen.« Dann wurde er ernster. »Sie haben recht, er ist jung. Siebenundzwanzig und schon im ersten Abschnitt seiner Facharztausbildung. Er hat aber schon die nötige Ruhe, und außerdem gefällt er mir. Ich meine jetzt menschlich.«

      »Wenn Sie ihn als Assistenten wollen, bitte, ich habe nichts dagegen.«

      Stolzenbach dankte und ging zur Tür.

      »Ich habe Ihnen zu danken, Professor.« Dr. Trautner stand auf und gab Stolzenbach die Hand. »Ich glaube, ich muß mich bei Ihnen entschuldigen. Es könnte sein, daß ich Sie falsch eingeschätzt habe.«

      Stolzenbach grinste. »Wo wir schon mal dabei sind, möcht’ ich mich bei Ihnen auch entschuldigen.«

      »Sie bei mir?« Trautner sah seinen Chefchirurgen fragend an.

      Der nickte. »Ich hab’ mal gesagt, Sie und Ihre halbseidenen Kräutermethoden. Das halte ich nicht aufrecht. Bei Markus hatten Sie absolut sofort den richtigen Riecher. Ich hätt’ den Jungen zuerst durch alle Untersuchungen geschickt, bevor ich mir Gedanken um seine Psyche gemacht hätte. Eines habe ich inzwischen gelernt, man muß immer den ganzen Menschen sehen. Nicht nur einzelne Abschnitte.«

      *

      Heidrun Lehner schloß die Augen und wischte sich die Tränen vom Gesicht. Sie kam grade aus Markus’ Zimmer, und der Junge war wieder in dem gleichen Zustand wie vor seiner Bergklinik-Zeit. Er wirkte völlig apathisch, hatte keinen Appetit und vermied es, sie anzusehen.

      Heidrun war am vergangenen Abend aus Indien gekommen und hatte dem Jungen jede Menge Geschenke mitgebracht, doch er hatte die Sachen nicht mal ausgepackt.

      Magdalena Grothe, sie war schon Haushälterin bei Lehners gewesen, lange bevor Josef Lehner ausgezogen war, hatte Markus’ Mutter schon mit besorgter Miene empfangen.

      »Dem Jungen geht’s wieder so schlecht wie vorher«, hatte sie gesagt. »Die Ärzte der Bergklinik haben bestimmt recht, er braucht Sie. Und seinen Vater.«

      »Sein Vater ist ausgezogen«, hatte Heidrun sehr laut geantwortet. »Mir hat das auch nicht gefallen.«

      »Er ist immer alleine, hat keine Spielkameraden und… es fehlt ihm einfach

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