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war ihm auch schon vorher klar gewesen, daß er den Wald verkaufen konnte, um dem Steiger sein Geld zu geben. Aber dummerweise hatte er dem Steiger alles unterschrieben, was der ihm vorgelegt hatte. Und in dem Vertrag stand ausdrücklich, daß es kein weiteres Beleihungsrecht für den Hof gab, solange das Geld an den Steiger nicht zurückgezahlt war.

      Den Vertrag hatte er dem Anwalt nicht gezeigt, und deshalb war der Fahlinger in einer Zwickmühle. Kam er heraus oder kam er nicht heraus?

      »Der Vati«, rief plötzlich Julchen und kam auf ihn zugerannt. Dann warf sich seine jüngste Tochter in seine Arme.

      Die Greti hatte ihren Mann jeden Tag besucht, und auch die Kinder waren oft dagewesen. Doch jetzt zu Hause gab es das erste richtige Wiedersehen und eine ausgemacht liebe Begrüßung. Alle Kinder, auch die großen, waren zu Hause und saßen mit ihren Eltern in der guten Stube um den Tisch unter dem Herrgottswinkel.

      Julchen wich ihrem Vater nicht von der Seite, und als später alle anderen Kinder wieder gegangen waren, ließ sie sich nicht verdrängen, sie wollte ihrem Vater unbedingt eine Neuigkeit sagen.

      »Dann sag’s schon.« Die Greti hatte mitbekommen, wie sehr es ihre Tochter drängte.

      Julchen schlang ihre Arme um ihres Vaters Hals und flüsterte in sein Ohr: »Der Markus kommt uns besuchen.«

      »Wie bitte?« Alfons Fahlinger glaubte, sich verhört zu haben.

      »Es ist schon richtig, was Julchen gesagt hat«, erklärte Greti. »Sein Vater hat angerufen und gefragt, ob sie vorbeischauen könnten. Er hat sich für seinen letzten Auftritt da bei uns entschuldigt. Ich glaub’, er und seine Frau haben ein ganz schlechtes Gewissen.«

      »Wenn sie einen Funken Anstand in den Knochen haben, dann muß es so sein. Falls sie für den Aufenthalt von dem Buben was zahlen wollen, das kommt net in Frage, du weißt, was ich in der Hinsicht denk’.« Dann nickte der Fahlinger. »Mir soll’s recht sein. Solang es nur ein Besuch ist, hab’ ich nix dagegen. Aber dann sollen s’ rasch wieder gehen. Gute Leut’ sind das net.«

      Julchen machte sich darüber keine Gedanken, für sie zählte nur, daß Markus kommen sollte. Daß es nur ein kurzer Besuch werden würde, davon hatte sie keine Ahnung.

      Am Abend ging Alfons Fahlinger sehr zeitig zu Bett, und als seine Frau ihm nicht viel später folgte, lag er wach im Bett und starrte unter die Decke.

      »Irgendwas ist mit dir«, sagte die Greti, »das seh ich dir an. Willst net mit mir darüber reden? Es hängt mit dem Rückzahltermin zusammen, oder?«

      Der Föhrenhofer schnaufte ein wenig, es schien ihm nicht angenehm zu sein, auf das Thema angesprochen zu werden, doch schließlich nickte er.

      »Ja, ich muß immer dran denken. Der Steiger wirft uns hinaus, das steht fest, Mitleid kennt der net.«

      »Kannst denn den Anwalt in Garmisch net um Rat fragen?«

      »Der weiß auch nix.« Der Alfons ging der vernünftigsten Lösung kurzerhand aus dem Weg.

      »Aber es muß doch was passieren.« Greti sah besorgt drein. »Es hat doch auch keinen Zweck, daß die Aufregung wieder anfängt, kaum daß du eine Stund’ zu Haus’ bist. Die Operation soll dir doch ein schönes Leben bringen und dich net herrichten, daß du dich wieder aufregst.«

      »Mir wird schon was einfallen«, brummelte der Fahlinger. »Aber heut’ nimmer. Jetzt bin ich rechtschaffen müd’. Morgen ist auch noch ein Tag.« Dann beugte er sich zu seiner Frau, küßte sie auf die Wange, drehte sich auf die andere Seite und war gleich darauf eingeschlafen.

      *

      Heidrun und Josef Lehner wurden immer nervöser, je näher sie dem Föhringer-Hof kamen. Sie hatten eine Woche lang gestritten. Wie es weitergehen sollte mit Markus. Hatten keine Lösung gefunden und waren sich zum Schluß nur darin einig gewesen, daß es Markus von Tag zu Tag schlechter ging.

      »Markus’ Psyche, hat Clemens gesagt, die gehört behandelt. Und daß der Bub auf dem Hof bei diesen Leuten aufgeblüht sei.« Heidrun hatte tief durchgeatmet und ihren Mann angesehen. »Vielleicht sind wir es ja, die alles falsch gemacht haben. Vielleicht brauchen wir ja gar kein so Riesenhaus, vielleicht müssen wir ja gar nicht so repräsentieren. Vielleicht sollten wir viel eher eine Familie sein und Markus in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen.«

      Das war vor drei Tagen gewesen. Schon mittags war ihr Mann nach Hause gekommen und hatte versucht, sich mit Markus zu beschäftigen, doch der Junge hatte nicht mitgezogen. Hatte nur wissen wollen, ob sein Vater da bleibe.

      Keine Stunde später hatte sich Josef verabschiedet, und Markus hatte ihm mit großen traurigen Augen hinterhergesehen.

      Vor zwei Tagen hatte Josef seinen Sohn gefragt, was er denn davon halte, Julchen zu besuchen. Markus hatte seinen Vater sofort interessiert angesehen und wissen wollen, ob er es ernst meine.

      »Wenn du möchtest, dann fahren wir hin«, hatte Lehner geantwortet. »Ich muß aber erst anrufen, ob wir auch willkommen sind.« Dabei dachte er an seinen völlig verunglückten ersten Auftritt auf dem Obermühltaler Föhrenhof.

      »Dann ruf’ jetzt an«, hatte Markus verlangt, und Josef Lehner hatte angerufen.

      Als das kurze Gespräch beendet war, hatte er aufgeatmet und genickt, man erwartete sie. Zum ersten Mal, seitdem Markus den Hof verlassen hatte, hatte er seiner Mutter und seinem Vater eine gute Nacht gewünscht.

      Am Morgen des Tages, als sie ins Werdenfelser Land fahren wollten, war Markus sehr früh aufgestanden und hatte in seinen Spielsachen und anderen persönlichen Dingen herumgekramt.

      Dann war er mit einem Teddy dahergekommen, der stets so etwas wie sein Begleiter und ganz per­sönlicher Ansprechpartner gewesen war.

      Heidrun hatte gemeint, daß Markus den Teddy einfach dabei hatte haben wollen, doch als sie ihn fragte, antwortete er, er wolle den Teddy Julchen mitnehmen.

      Nie und nimmer hätte Heidrun Lehner gedacht, daß Markus einmal seinen heißgeliebten Teddy verschenken würde. Doch ihr Sohn schien entschlossen zu sein, hatte auch noch einen Füllhalter eingepackt, den er Julchen mitnehmen wollte.

      »Julchen hat keinen und sie schreibt so gern mit Tinte«, hatte er gesagt.

      Da Heidrun froh war, daß Markus überhaupt was sagte, ließ sie unwidersprochen, daß er den sehr wertvollen Füller einpacken wollte, obwohl sie gerne etwas dazu gesagt hätte.

      Josef kam gegen den späten Vormittag. Er war freundlich zu Markus, aber sah immer wieder auf die Uhr.

      »Du hast doch hoffentlich ausreichend Zeit?« fragte Heidrun. »Es nervt mich nämlich total, wenn du jetzt schon ständig auf die Uhr siehst.«

      »Natürlich habe ich keine Zeit«, giftete Lehner dagegen, »aber ich habe sie mir genommen.«

      Da schloß Heidrun die Augen und schüttelte den Kopf. »Josef, wir machen alles falsch.«

      »Den Schwachsinn hast du schon mal von dir gegeben. Kannst du mir sagen, warum es gescheiter sein soll, auf die Annehmlichkeiten unseres Lebens zu verzichten?« Lehner tippte sich an die Stirn. »Du hast unser Leben mit dem dieser Bergbauern verglichen. Daß ich nicht lache. Die hocken auf ihrer Alm, und was haben sie dort oben?«

      »Sie sind glücklich und zufrieden. Sie sind eine Familie. Schau dir die Kinder an und schau dir unseren Sohn an.«

      »Das sind dumme Vergleiche.« Lehner wollte einfach nicht wahr haben, was er im Grund genommen schon längst wußte.

      »Es sind keine dummen Vergleiche. Es ist die Wahrheit. Wir konsumieren unser Leben, bei diesen Leuten findet es statt. Du hetzt von einem Termin zum anderen und…!«

      »Frag dich doch mal, warum.«

      »Sag’s mir«, forderte Heidrun Lehner ihren Mann auf, »ich weiß es nämlich nicht.«

      »Weil ich dir und dem Jungen ein gescheites Leben bieten will, deswegen.«

      »Aber, Josef!« Heidrun griff

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