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ihnen stand. Der Steiger war ein großer, fast hagerer Mann Ende fünfzig, dessen Lächeln stets etwas Abschätziges hatte. Es sah aus, als wenn er sich ständig amüsiere, den anderen auf die Zehen zu treten.

      »Ich hab’ gehört, daß du krank gewesen bist, und zwar ernsthaft krank«, sagte er zur Begrüßung. »Da hab’ ich nachschauen wollen, ob ich mein Geld bekomm’ oder ob du gesundheitlich gar net in der Lage bist zu zahlen.«

      »Heut’ ist der Tag noch net«, antwortete der Föhrenhofer, der sich wunderte, wie schlagfertig er reagierte, denn ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel, spürte er wieder einen kleinen Stich hinter dem Brustbein, den ersten seit vielen Tagen.

      »Das weiß ich.« Der Steiger grinste noch immer. »Aber schauen wird man ja mal dürfen. Und klarstellen will ich, daß gezahlt wird, auch wenn dir zwischenzeitlich was passiert.«

      »Sag mal«, ergriff daraufhin die Greti das Wort, »schämst du dich denn gar net? Der Alfons ist seit net mal zwei Tagen zu Haus’, und wir wissen net, ob er je wieder gesund wird, und dir fällt nix besseres ein, als herzukommen und uns zu fragen, wie krank der Alfons ist.«

      »Ich versteh’ ja, daß du…!«

      »Du verstehst gar nix«, ereiferte sich die Greti. »Der Alfons ist grad’ noch mal davongekommen. Er soll sich außerdem net aufregen, und da kommst du daher.«

      »Ich will nix als mein Geld. Und falls das net zur Verfügung steht, dann will ich den Hof. Das ist so abgemacht und so wird verfahren.« Der Steiger stand mitten in der Stube und sah sich um. »Wenn ich mir das Werkl anschau, dann ist der Wert des Besitzes eh zu hoch eingeschätzt. Der Wald ist was wert, ja, aber sonst…!«

      »Jetzt gehst besser…!« Greti Fahlinger sah ihrem Alfons an, wie sehr ihn aufregte, was der Steiger-Franz da absonderte. Sie stand auf, ging zur Tür, öffnete sie und blieb da stehen. »Was für ein niederträchtiger, ganz und gar ehrloser Charakter du bist, das weiß ich jetzt erst.«

      Den Steiger schien nicht zu rühren, was die Greti gesagt hatte. Sein Grinsen hing nach wie vor um seine Mundwinkel. »So unfreundlich bist net gewesen, als du wegen des Geldes gefragt hast. Da hast mich sogar besonders lieb angelacht. Ja, ja, hergenommen ist rasch, wiedergegeben dagegen net.«

      »Geh jetzt…!«

      Der Steiger verschwand, und als die Greti zurück zum Tisch kam, sah sie ihrem Alfons deutlich an, daß es ihm lange nicht mehr so gut wie vorher ging.

      Er war blaß, hatte ein paar winzig kleine Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe und verzog auch ein wenig das Gesicht.

      »Du spürst wieder was, ich seh dir’s an«, sagte sie.

      Der Alfons schüttelte den Kopf. »Gar net mal. Aber die Angst, daß es wiederkommen könnt’, ist plötzlich da, und sie nimmt mir ein bisserl die Luft.«

      »Reg dich net über den Steiger auf, das lohnt net.« Greti war besorgt, das stand fest. »Man sollt’ mal mit dem Professor reden, wenn er kommt. Ich mein’, wegen der Operation.«

      »Der will den Buben besuchen«, sagte der Föhrenhofer. »Und net mit mir über meine Geschicht’ reden.«

      »Aber er ist ein Professor.« Die Greti ließ keinen Zweifel an ihrer Meinung. »Der muß allweil bereit sein, über die gesundheitlichen Probleme anderer Leut’ zu reden. Der kann net sagen, er will net.«

      Da lachte ihr Mann. »Du bist vielleicht gut. Meinst, ein Professor hätt’ vielleicht kein Privatleben? So einer muß sich net allen Schmarrn anhören. Was meinst denn, was der zu tun hat? Immer und jede Zeit ist er voll auf Touren. Und keinen Fehler darf er machen. Immer muß alles klappen.«

      Da nickte die Greti. »Na ja, schau’n wir mal, wenn sie kommen.«

      »Sie kommen? Kommt denn noch wer mit?«

      »Die Moni. Vom Sterzenhof.«

      »Was hat denn die mit dem Professor aus der Bergklinik zu tun?«

      »Du weißt aber auch gar nix. Man sagt doch, sie hätt’ was mit ihm. Der Doktor Vinzenz war doch ganz aus dem Häuschen deswegen.«

      »Die Leut’ erzählen oft einen Blödsinn.« Der Fahlinger sah schon wieder wesentlich besser aus.

      Im gleichen Moment wurde die Tür aufgestoßen, und Julchen kam herein, gleich dahinter Markus Lehner. Beide hatten gerötete Gesichter, und ihr Atem ging rasch.

      »Ich hab’ ja gesagt, daß ich rascher in der Stube bin.« Julchen strahlte den Jungen an. »Jetzt mußt mir morgen ein Eis kaufen. Versuch dich ja net herauszureden. Du hast es versprochen.«

      »Ich hab’ aber kein Geld.«

      »Dann besorg es dir. Ein Eis bekomm ich und zwar ein großes.«

      »Jetzt hört mal auf herumzuschreien.« Die Fahlinger-Greti sah die beiden lächelnd an. »Man versteht ja sein eigenes Wort nimmer. Und herrichten wirst du dich auch noch müssen, Markus.«

      »Wieso?«

      »Weil du Besuch bekommst.«

      Da wurde der Junge ganz starr. »Die Mutti? Oder der Vati? Oder kommen beide?«

      »Nein, der Professor kommt. Von der Bergklinik.«

      Markus stand am Tisch, jetzt setzte er sich. »Muß ich wieder hinunter?«

      Die Greti fuhr ihm mit einer sehr zärtlichen Geste über den Kopf. »Gar nix mußt du, da bleibst. Solang’ du willst und der Doktor Vinzenz es für richtig hält.«

      »Und wenn der Professor mich wieder mitnehmen will?«

      »Das will der sicher nicht.« Julchens Mutter lächelte ihre Tochter und Markus freundlich an. »So und jetzt ins Bad mit euch. Daß ihr euch wenigstens ein bisserl herrichtet.«

      »Ich auch? Zu mir kommt doch kein Professor.«

      »Ja, du auch, und keine Widerrede!«

      *

      Clemens Stolzenbach und Monika hatten sich entschlossen, den Wagen zu nehmen.

      Erstens war es nicht mehr früh genug, um den Weg hinauf zum Föhrenhof, der ganz in der Nähe der Predigtstuhl-Alm lag, und wieder herunter zur Bergklinik noch bei gutem Licht zu schaffen, außerdem hatte Clemens den Gedanken, daß Monika bei ihm in Mittenwald übernachten würde, noch nicht aufgegeben.

      Sie hatten sich auch entschlossen, zuerst zum Föhrenhof zu fahren und dann eventuell noch, je nachdem wie früh es war, den Lois zu besuchen.

      Als sie die Stube des Föhrenhofes betraten, saß Markus hinter dem Tisch und sah Stolzenbach mit ängstlich dreinblickenden Augen an. Julchen saß neben ihm, und auch ihr Blick verriet gewisse Zweifel.

      Stolzenbach fiel sofort auf, wie verändert der Junge aussah. Seine Gesichtsfarbe wirkte frisch, und wenn er nicht so angespannt hinter dem Tisch gesessen und ihn angestarrt hätte, würde er auch munterer dreingesehen haben. Sollte Doktor Trautner tatsächlich recht gehabt haben, als er sagte, dem Jungen fehle nichts als Nähe und Liebe?

      Dann begrüßten ihn die Föhrenhoferin und ihr Mann, der gleich wissen wollte, was er zu trinken kredenzen sollte.

      »Ein Stamperl, Professor? Hausbrand, und zwar den besten, den S’ bekommen können.«

      Zuerst zögerte Stolzenbach, schließlich nickte er. »Einen Kleinen, weil ich noch Auto fahren muß.« Dann setzte er sich zu Markus. »Herrschaftszeiten, Bub, du siehst aber gut aus. Was hat man denn mit dir da heroben gemacht?«

      Da atmete die Föhrenhoferin tief durch und lachte. »Der Bub ist den ganzen Tag draußen an der frischen Luft. Mit dem Julchen. Die zwei sind unzertrennlich. Als wenn sie zusammen aufgewachsen wären.«

      »Ich soll dir Grüße bestellen.« Stolzenbach begriff nicht, was er sah. Markus sah blendend aus. Absolut nichts erinnerte mehr an den weinenden kleinen Jungen, dessen körperliche Schwäche und durchsichtige Blässe hatten glauben lassen, daß er an einem schweren organischen

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